Dezember 1936
In einer reichsweit im Rundfunk übertragenen Weihnachtsansprache zog Führer-Stellvertreter Rudolf Heß eine Bilanz des ablaufenden Jahres, in dem in den „Kulturvölkern“ die „Erkenntnis“ gewachsen sei, „dass Bolschewismus die Zerstörung des Edlen und Guten durch eine Weltrevolution des Niedrigen und Schlechten“ bedeuten würde. „Wir Deutschen danken dem Führer, dass er durch eine Politik der Verdichtung der guten Beziehungen zum faschistischen Italien und durch den Anti-Komintern-Vertrag mit Japan neue bedeutsame Schritte getan hat zur Sicherung Deutschlands und der Welt vor dem Bolschewismus!“ Zugleich habe Hitler den Deutschen „ein wahrhaft religiöses Aufbauwerk gegeben“, wobei deren Stärke auf ihrem „Glauben“ und ihrer „Treue“ beruhe. „Aus Glaube und Treue, die wir der Jugend ins Herz pflanzen, wächst die Zukunft unserer Nation.“ Dabei gab es durchaus Berührungspunkte zu den Ansichten maßgebender Kirchenvertreter. In einem Hirtenbrief erklärten etwa die katholischen deutschen Bischöfe an Heiligabend, sie sähen es als ihre Pflicht an, „das Oberhaupt des Deutschen Reiches mit allen Mitteln“ im Kampf gegen den Bolschewismus zu unterstützen.
Zu diesem Kampf zählte nach wie vor aber auch eine gehörige Portion von Opferbereitschaft. Am 6. Dezember wurden nämlich sämtliche Gauleiter der NSDAP angewiesen, zur Verbesserung der Rohstofflage Altmaterialiensammlungen in ihrem Zuständigkeitsbereich zu organisieren.
In Anwesenheit Hitlers lief am 8. Dezember in Kiel das Schlachtschiff „Gneisenau“ vom Stapel. Es stellte das Pendant zur bereits am 3. Oktober getauften „Scharnhorst“ dar und war ein neuerliches Symbol für die ungebremste deutsche Aufrüstung und das damit stetig wachsende Selbstbewusstsein.
Per Erlass wurde am 22. Dezember verfügt, dass ein für das Ausland geltender Reisepass an wehrpflichtige Männer vom 18. bis zum 45. Lebensjahr nur noch mit ausdrücklicher Zustimmung des zuständigen Wehrbezirkskommandos oder Wehrmeldeamtes ausgestellt werden durfte. Damit wurde deren Reisefreiheit erheblich eingeschränkt.
Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung
Jüdische Wohlfahrtsinstitutionen, die sich aufgrund der Bestimmungen der „Nürnberger Gesetze“ ohnehin bereits mit erheblichen neuen Belastungen konfrontiert sahen, wurden durch Paragraf 29 des am 1. Dezember erlassenen „Einführungsgesetzes zu den Realsteuergesetzen“ von jeder Steuerbefreiung ausgeschlossen und somit finanziell zusätzlich schwer belastet. Am gleichen Tag wurde - mit deutlicher Stoßrichtung gegen die jüdische Bevölkerung - das „Gesetz über Devisenbewirtschaftung“ geändert, das die Verfügungsgewalt über Devisenbestände von einer besonderen Genehmigung abhängig machte und damit Auswanderungsbestrebungen erheblich erschwerte.
Am 21. Dezember verbot das Geheime Staatspolizeiamt sind mit sofortiger Wirkung sämtliche als politisch eingestuften jüdischen Veranstaltungen und Versammlungen - ausgenommen waren lediglich Versammlungen rein religiöser und kultureller Art. Dieses bis zum 1. Februar 1937 geltende Verbot wurde damit begründet, so weitere Publikationen über Anordnungen des Amtes in der „Judenfrage“ in der Auslandspresse zu verhindern.
Nachdem mit dem am 1. Dezember verabschiedeten „Gesetz über die Hitler-Jugend“ der Führungsanspruch der HJ im Reichsgebiet legalisiert und zementiert und damit zugleich der Prozess der völligen Erfassung der Jugend durch Staat und Partei formal als abgeschlossen galt, löste das Gestapa am 30. Dezember den „Ring“, den „Bund jüdischer Jugend“, auf.