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Chronik und Quellen
1936
September 1936

September 1936

Am 8. September begann in Nürnberg der bis zum 14. des Monats dauernde 8. Reichsparteitag der NSDAP, den Hitler angesichts der im März erfolgten Besetzung des Rheinlands zum „Parteitag der Ehre“ erhoben hatte und den sein Stellvertreter Heß am folgenden Tag mit einer Ansprache in der großen Nürnberger Kongresshalle offiziell eröffnete. Im Anschluss daran verlas der bayrische Gauleiter Adolf Wagner die „Proklamation des Führers“, in der als Ziel des neuen Vier-Jahres-Plans die möglichst weitgehende Autarkie der deutschen Rohstoffindustrie verkündet wurde.

Vor 120.000 Politischen Leitern der NSDAP feierte Hitler selbst am 11. September auf dem Nürnberger Zeppelinfeld die „Erneuerung des deutschen Volkes“, die er „auf den großen Einsatz von Opfern, Hingebung, Fanatismus und Todesverachtung“ zurückführte. Danach hielt er im Laufe des Parteitages noch sechs weitere Reden, so beispielsweise am 12. September vor 50.000 Angehörigen der Hitlerjugend. Der letzte Tag der Veranstaltung stand schließlich ganz im Zeichen der Wehrmacht. Hierbei überreichte Generalfeldmarschall und Reichskriegsminister Werner von Blomberg den Truppenformationen feierlich die Kriegsfahnen des Deutschen Reiches.

Mit seiner Schlussrede leitete Hitler im ganzen Reich eine in erster Linie gegen die Sowjetunion gerichtete Hetzkampagne ein. Unter anderem führte er aus: „Niemand wird einen Zweifel darüber hegen, dass der Nationalsozialismus sich überall und unter allen Umständen dem ihn angreifenden Bolschewismus gegenüber zur Wehr setzen und ihn schlagen und vernichten wird. (…) Wir gehen großen geschichtlichen Perioden entgegen, in solchen Zeitläufen hat noch nie die bloße Klugheit triumphiert, sondern stets der tapfere Mut.“

Um dem Ziel der Autarkie näher zu kommen, begann das Reichsernährungsministerium am 25. September unter dem Motto „Kampf dem Verderb“ einen großen Werbefeldzug gegen falsche Lagerung, unsachgemäße Verteilung und unwirtschaftliche Behandlung von Lebensmitteln, um so der deutschen Volkswirtschaft entstehende Schäden von jährlich geschätzten 1,5 Milliarden Reichsmark möglichst zu begrenzen. Dabei wurden die Hausfrauen zum sachgerechten und sparsamen Umgang mit den Lebensmitteln, die deutsche Elektroindustrie zur Entwicklung hierzu notwendiger Hilfsmittel wie etwa Kleinkühlschränken aufgefordert.

Am 27. September gab Hitler persönlich mit dem nach rund 900 Tagen Bauzeit fertiggestellten 91 km langen Teilstück Breslau- Kreibau den 1000. Kilometer der neuen Reichsbahn frei. Zu diesem Zeitpunkt waren rund 240.000 Menschen an den diversen Autobahnbaustellen beschäftigt, etwa die Hälfte direkt, der Rest in Steinbrüchen und anderen Zulieferbetrieben. Zu diesem Anlass versprach Hitler weitere 6.000 km neue Strecken innerhalb der nächsten fünf Jahre und verkündete zudem sein Bestreben, Deutschland durch neue technische Entwicklungen von Benzinimporten unabhängig zu machen.

Clemens August Graf von Galen, der Bischof von Münster, entwickelte sich für das NS-Regime zunehmend zu einer ernsthaften Gefahr und einem ernstzunehmenden Gegner. In einer Predigt am Grab des römischen Legionärs und christlichen Märtyrers Viktor in Xanten setzte er sich am 6. September vor 30.000 Pilgern mit der Frage des Gehorsams gegenüber der Obrigkeit auseinander und kam zu dem Ergebnis, dass jeder Fragende seine Grenze im Gewissen finden müsse. Die Quintessenz seiner Ausführungen fiel so klar wie für das NS-Regime bedrohlich aus: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“

Wer aus NS-Sicht als Obrigkeit zu verstehen war, ging hingegen aus einer Anweisung des Reichskirchenausschusses vom 29. September hervor. Darin wurde angeordnet, dass Geistliche grundsätzlich auch im Ornat den „Deutschen Gruß“ zu entrichten hätten.

 

Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung

Am 1. September forderte der Reichsjustizminister in einer Anweisung erneut, bei der Handhabung des „Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes“ die Strafen zu verschärfen und zudem die Gerichtsverhandlungen zu beschleunigen.

Als am 9. September der 8. Reichsparteitags der NSDAP in Nürnberg eröffnet wurde, beschworen die NS-Größen Heß, Rosenberg, Goebbels und Hitler vor dem Hintergrund des spanischen Bürgerkriegs die angeblich vom „jüdischen Bolschewismus“, dem „Weltjudentum“ und der Sowjetunion ausgehende Gefahr zu bekämpfen, wofür sich die gesamte kapitalistische Welt als „Schicksalsgemeinschaft“ zusammenschließen müsse.

Auch Reichsärzteführer Gerhard Wagner ging am 12. September im Rahmen des Parteitags auf das Thema und den künftigen Umgang mit der jüdischen Bevölkerung ein. Er führte u.a. aus: „Denen aber, die da glauben, die Judenfrage wäre durch die Nürnberger Gesetze für Deutschland nun endgültig geregelt und damit erledigt, sei gesagt: Der Kampf geht weiter - dafür sorgt schon das Weltjudentum selbst - und wir werden diesen Kampf nur siegreich bestehen, wenn jeder deutsche Volksgenosse weiß, daß es hier um Sein oder Nichtsein geht. Aufklärungsarbeit der Partei erscheint mir notwendiger denn je, nachdem heute auch mancher Parteigenosse diese Dinge als nicht mehr aktuell und vordringlich zu betrachten scheint.“

Gegen Monatsende wurde dann im Rahmen einer Staatssekretärsbesprechung im Reichsinnenministerium am 29. September über die weitere Gestaltung der antijüdischen Politik diskutiert. Staatssekretär Stuckart vom Innenministerium führte dabei einleitend aus, dass diese Zusammenkunft der Vorbereitung einer „Chefbesprechung über die Judenpolitik“ diene. Es gehe darum, die „wirtschaftliche Stellung“ der Juden zu klären, „um der Gefahr vorzubeugen, dass die Juden in wirtschaftlicher Beziehung in Deutschland neue Positionen gewinnen“ würden. Ministerialdirektor Sommer skizzierte als Abteilungsleiter im Büro des Führer-Stellvertreters Rudolf Heß den „Standpunkt der NSDAP“. „Die Judenfrage“, so erklärte er in aller Deutlichkeit, könne erst dann als gelöst angesehen werden, wenn es in Deutschland keinen Juden mehr gibt. Dieses Endziel stehe unverrückbar fest. Der aktuelle Stand der Dinge könne daher nur als eine erste Teillösung auf dem Weg zum angestrebten Endergebnis angesehen werden. Es könne daher nur darum gehen, Maß und Tempo der einzelnen, künftig ineinandergreifenden Maßnahmen zu erörtern und festzulegen. Am Ende der Besprechung wurden zwölf „Empfehlungen“ beschossen.

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