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Chronik und Quellen
1939
Februar 1939

Einsatz des jüdischen Vermögens

Am 6. Februar 1939 wird hinsichtlich der Durchführung der Verordnung über den Einsatz des jüdischen Vermögens v. 3.12.1938 (RGBl. I S. 1709) Folgendes angeordnet:

I. Allgemeines.

1. (1) Durch die Zweite Anordn. auf Grund der VO. über die Anmeldung des Vermögens von Juden v. 24.11.1938 (RGBl. I S. 1668) hat der Beauftragte für den Vierjahresplan den RWiM. ermächtigt, im Einvernehmen mit dem RMdJ. und den übrigen beteiligten Reichsministern die Maßnahmen zu treffen, die notwendig sind, um den Einsatz des jüdischen Vermögens im Einklang mit den Belangen der deutschen Wirtschaft sicherzustellen. Auf Grund dieser Ermächtigung wurden die VO. über den Einsatz des jüdischen Vermögens v. 3.12.1938 und die Durchf.-VO. v. 16.1.1939 (RGBl. I S. 37) erlassen. Die VO. v. 3.12.1938 ergänzt in entscheidender Weise die bisher bestehenden Vorschriften über die Entjudung der deutschen Wirtschaft und schafft hierfür eine umfassende rechtliche Grundlage.

(2) Für die Durchführung der Entjudung ist in Übereinstimmung mit den bestimmten Anordnungen des Beauftragten für den Vierjahresplan zunächst grundsätzlich festzustellen, daß die Durchführung der gesamten Entjudung Sache der zuständigen Verw.-Behörden ist. Die Beteiligung der Parteistellen ist im Einvernehmen mit dem StdF. durch eine weitgehende gutachtliche Anhörung der Gauleiter der NSDAP. sichergestellt. Die Entscheidung und Verantwortung liegt jedoch ausschl. bei den staatl. Stellen.

(3) Die Durchführung der wirtschaftlichen Entjudungsgesetze stellt an die Verw.-Behörden vorübergehend außerordentliche Anforderungen. Es muß aber erwartet werden, daß die mit der Durchführung betrauten Behörden entsprechend der großen politischen und wirtschaftlichen Bedeutung der ihnen gestellten Aufgabe alles daran setzen, um eine möglichst beschleunigte, zweckvolle und in jeder Weise einwandfreie Durchführung der Entjudung sicherstellen.

2. (1) Die VO. über den Einsatz des jüdischen Vermögens bringt gegenüber dem bisherigen Rechtszustand

 

 

insbesondere die wesentliche Neuerung, daß Entjudungen sowohl bei gewerblichen Betrieben wie bei jüdischem Grundbesitz und anderen bedeutsamen Vermögenswerten auch zwangsweise durchgeführt werden können. Die Vollmachten, die in der VO. den Verw.-Behörden in dieser Hinsicht gegeben werden, sind erschöpfend. In welchem Maße und Tempo von ihnen Gebrauch zu machen ist, richtet sich nach den von mir entsprechend den Weisungen des Beauftragten für den Vierjahresplan jeweils zu treffenden Anordnungen.

(2) Hierzu ordne ich vorbehaltlich einer Sonderregelung für den landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich genutzten Grundbesitz an, daß die Anwendung von Zwangsmitteln gemäß §§ 1 ff. und 6 der VO. v. 3.12.1938 sich vorläufig nur auf die Entjudung gewerblicher Betriebe und dazugehörender Betriebsgrundstücke beschränken soll. Nachdem durch die VO. über die Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben v. 12.11.1938 (RGBl. I S. 1580) die Juden aus dem gesamten Einzelhandel, dem selbständigen Handwerk und dem Marktverkehr bereits allgemein ausgeschieden worden sind, ist es nunmehr Aufgabe der höheren Verw.-Behörden, mit Hilfe der ihnen durch die VO. v. 3.12.1938 gegebenen Vollmachten im Benehmen mit den zuständigen Parteistellen dafür zu sorgen, daß diejenigen Betriebe des Großhandels und der Industrie, die noch heute nach den Vorschriften der Dritten VO. zum Reichsbürgergesetz v. 14.6.1938 (RGBl. I S. 627) wegen maßgeblicher persönlicher oder finanzieller jüdischer Beteiligung als jüdische Gewerbebetriebe gelten, in volkswirtschaftlich vernünftiger Weise entjudet werden. Von einer zwangsweisen Entjudung solcher Minderheitsbeteiligungen, die nach den Vorschriften der genannten Dritten VO. zum Reichsbürgergesetz den Gewerbetrieb nicht zu einem jüdischen machen, sowie insbesondere von einer zwangsweisen Überführung des jüdischen Streubesitzes an Aktien und sonstigen Wertpapieren ist vorläufig abzusehen.

(3) Ebenso ist die zwangsweise Gesamtentjudung des nicht landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich genutzten Grundbesitzes nach ausdrücklicher Anordnung des Beauftragten für den Vierjahresplan im gegenwärtigen Augen-

 

 

blick noch nicht in Angriff zu nehmen. Die Durchführung dieser Aufgabe wird zentral angeordnet, sobald die Entjudung der gewerblichen Wirtschaft zu einem gewissen Abschluß gekommen ist. Die Zuständigkeit der höheren Verw.-Behörden auf dem Gebiet des Grundstücksverkehrs wird sich daher zunächst grundsätzlich auf die Genehmigung freiwilliger Veräußerungsgeschäfte beschränken. Ausnahmen hiervon kommen nur in besonderen Einzelfällen in Frage, in denen zwingende Gründe Maßnahmen nach § 6 der VO. im öffentlichen Interesse, etwa zur Befriedigung dringenden Raumbedarfs von Behörden oder Parteidienststellen, erforderlich machen. Zu solchen Maßnahmen ist jedoch alsdann meine vorherige Zustimmung einzuholen.

(4) Für die Entjudung des landwirtschaftlich und forstwirtschaftlich genutzten Grundbesitzes gelten die besonderen Anordnungen des RMfEuL. und des RForstM.

3. Die Notwendigkeit, bei der weiteren Entjudung der gewerblichen Wirtschaft eine klare Entscheidung darüber zu haben, ob ein Gewerbebetrieb nach der Dritten VO. zum Reichsbürgergesetz als jüdisch gilt oder nicht, macht es erforderlich, daß die Aufstellung der amtlichen Verzeichnisse der jüdischen Gewerbebetriebe, soweit sie bisher noch nicht zum Abschluß gebracht worden ist, weiterhin mit allem Nachdruck gefördert wird. Auch sind die Verzeichnisse hinsichtlich der durchgeführten Entjudungen sorgfältig auf dem laufenden zu halten. Die auf Grund des Gesetzes zur Änderung der GewO. v. 6.7.1938 (RGBl. I S. 823) und der VO. über die Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben v. 12.11.1938 (RGBl. I S. 1580) geschlossenen jüdischen Gewerbebetriebe sind in den Listen beschleunigt zu streichen.

4. Eine Entjudung kommt grundsätzlich nicht in Frage bei jüdischen Wohlfahrtseinrichtungen (Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen, Irrenanstalten, Blindenanstalten usw. oder bei solchen Einrichtungen und Betrieben, die ausschl. der Förderung der jüdischen Auswanderung dienen (Anlernwerkstätten, Umschichtungsanstalten usw.). Hinsichtlich der Wohlfahrtseinrichtungen ist zu beachten, daß durch die VO. über die öffentliche Fürsorge für Juden v. 19.11.1938 (RGBl. I S. 1649) die Unterstützung hilfsbedürftiger Juden grundsätzlich der freien jüdischen Wohlfahrtspflege überlassen worden ist. Hinsichtlich der Einrichtungen zur Förderung der Auswanderung ist festzustellen, daß die Auswanderung der Juden aus Deutschland das Ziel aller Abwehrmaßnahmen des nationalsozialistischen Staates gegen das Judentum sein soll und daher jede Förderung der Auswanderung zu begrüßen ist. Aus diesem Grunde ist auch in allen Fällen, in denen der jüdische Veräußerer eines Gewerbebetriebes oder eines Grundstücks in nächster Zeit auszuwandern beabsichtigt, eine besonders beschleunigte Erledigung der anhängigen Verfahren geboten.

II. Entjudung von gewerblichen Betrieben.

1. Bezüglich der Genehmigung von Entjudungen gewerblicher Betriebe bleiben die Anordnungen auf Grund der VO. über die Anmeldung des Vermögens von Juden v. 26.4.1938 (RGBl. I S. 415) und die hierzu erlassenen materiellen und Verfahrensvorschriften in vollem Umfang bestehen. Die Durchführung der Entjudung eines Gewerbebetriebes soll sich in der Regel auch weiterhin in der Weise abspielen, daß zwischen dem jüdischen Inhaber und dem Erwerber ein Veräußerungsvertrag geschlossen wird, der der höheren Verw.-Behörde zur Genehmigung vorzulegen ist. Durch § 15 der VO. wird jedoch in weitgehender Ergänzung der bisherigen Vorschriften klargestellt, daß die Genehmigung eines Veräußerungsgeschäfts allgemein auch unter den

 

 

notwendig erscheinenden Auflagen erteilt werden kann, die u. U. auch in einer Ausgleichszahlung des Erwerbers zugunsten des Reichs (vgl. Abschn. IV) bestehen können. Wird eine Genehmigung unter eine Auflage erteilt, so kann der Antragsteller hiergegen in gleicher Weise wie gegen die Ablehnung eines Antrages Beschwerde führen. Ebenso kann der Antragsteller mit Rücksicht auf eine von ihm nicht erwartete Auflage seinen Antrag zurückziehen.

2. (1) In den Fällen, in denen eine freiwillige Veräußerung nicht zustande kommt, weil entweder der jüdische Eigentümer sich gegen eine Veräußerung sperrt oder Verhandlungen mit ihm wegen unbekannten Aufenthalt oder aus sonstigen Gründen unmöglich sind, ist von der Möglichkeit des § 1, den Inhaber des Gewerbebetriebes zur Veräußerung aufzufordern, Gebrauch zu machen, wenn die Überführung des Betriebes in nichtjüdische Hand volkswirtschaftlich erwünscht erscheint. Ist die Fortführung des Betriebes aus allgemeinen volkswirtschaftlichen Gründen unerwünscht, so kann in gleicher Weise die zwangsweise Abwicklung nach § 1 herbeigeführt werden. Bezüglich der Betriebe, an denen ausländische Juden beteiligt sind, verweise ich auf die Vorschriften des § 21 der VO. v. 3.12.1938, wonach bei allen Zwangsverfügungen meine vorherige Zustimmung einzuholen ist.

(2) Kommt auf Grund der Aufforderung zur Veräußerung nach § 1 nunmehr ein Veräußerungsvertrag zustande, so gelten für die Genehmigung des Vertrages die bisherigen allgemeinen Richtlinien. Kommt der jüdische Inhaber der Aufforderung nicht nach, so ist alsdann ein Treuhänder mit der Vollmacht zur Veräußerung einzusetzen. Die Einsetzung eines Treuhänders lediglich zur vorläufigen Weiterführung des Betriebes kann bereits zusammen mit der Veräußerungsaufforderung erfolgen.

(3) Gilt ein Gewerbebetrieb wegen maßgeblicher jüdischer Beteiligungsrechte als jüdisch oder ist mir Rücksicht auf eine solche Beteiligung der nichtjüdische Charakter des Gewerbebetriebes nicht zweifelsfrei festzustellen, so können erforderlichenfalls auch solche Beteiligungsrechte als „sonstige Vermögensteile” nach § 6 der VO. zum Zwecke der Entjudung des Gewerbebetriebes zwangsweise überführt werden.

3. (1) Als Treuhänder zur vorläufigen Weiterführung des Betriebes wird zweckmäßigerweise eine mit den Verhältnissen des Betriebes vertraute und in dem Betrieb bereits an verantwortlicher Stelle stehende Person einzusetzen sein, die die Gewähr für eine ordnungsmäßige Führung des Betriebes in der Übergangszeit gibt. Als Treuhänder mit der Vollmacht zur Veräußerung oder Abwicklung ist grundsätzlich eine von dem Betrieb unabhängige Person zu bestimmen, die die Gewähr dafür bietet, daß sie bei den Verkaufsverhandlungen sowohl den Interessen des Betriebes, wie den allgemeinen volkswirtschaftlichen Belangen Rechnung trägt. Für die Veräußerung oder Abwicklung größerer Betriebe werden Wirtschaftsprüfer, vereidigte Bücherrevisoren oder andere sachlich und kaufmännisch besonders vorgebildete Personen heranzuziehen sein. Der Bewerber um die Übernahme des jüdischen Betriebes selbst darf grundsätzlich nicht zum Treuhänder bestellt werden.

(2) Wegen der als Treuhänder einzusetzenden Personen sind erforderlichenfalls Vorschläge der zuständigen Industrie- und Handelskammern einzuholen.

(3) Die Treuhänder sind bei ihrer Bestellung von der höheren Verw.-Behörde auf eine ordnungsmäßige und sorgfältige Führung ihres Amtes zu verpflichten. Sie üben ihre Tätigkeit unter der Aufsicht der höheren Verw.-Behörde aus, die sie jederzeit abberufen kann. Die höhere Verw.-

 

 

Behörde hat bei der Einsetzung oder nach Abschluß der treuhänderischen Tätigkeit die Vergütung des Treuhänders und die Höhe der ihm zu erstattenden Auslagen festzusetzen.

(4) Bei der Einsetzung des Treuhänders ist anzuordnen, daß er über die Weiterführung des Betriebes oder über den Stand der Veräußerungs- oder Abwicklungsverhandlungen der höheren Verw.-Behörde in regelmäßigen Zeitabständen Bericht zu erstatten hat.

4. (1) Auch mit der Zwangsanordnung der Veräußerung oder Abwicklung können Auflagen verbunden werden. Inhaltlich ist die höhere Verw.-Behörde bezüglich der Auswahl solcher Auflagen nicht beschränkt. Die Auflage kann, wenn das volkswirtschaftlich erforderlich erscheint, auch darin bestehen, daß dem Inhaber die Veräußerung an einen bestimmten Erwerber oder zu bestimmten Bedingungen auferlegt wird. Hierbei soll es sich jedoch nur um Ausnahmefälle handeln. In der Regel ist dem Inhaber des Gewerbebetriebes auch bei der Zwangsaufforderung zur Veräußerung zunächst die Möglichkeit zu geben, selbst einen Veräußerungsvertrag mit einem geeigneten Übernehmer abzuschließen.

(2) Sämtliche Verträge, die auf Grund einer Zwangsaufforderung durch den jüdischen Eigentümer oder durch einen Treuhänder abgeschlossen werden, bedürfen der Genehmigung der höheren Verw.-Behörde.

5. (1) Die Durchführung der Entjudung des land- und forstwirtschaftlichen Vermögens ist nach § 17 Abs. 3 der VO. den oberen Siedlungsbehörden und den höheren Forstbehörden übertragen. Eine Genehmigung zur Veräußerung landwirtschaftlicher und forstwirtschaftlicher Betriebe durch die höheren Verw.-Behörden nach § 1 der Anordn. v. 26.4.1938 (RGBl. I S. 415) kommt nicht mehr in Betracht (vgl. § [..] Abs. 2 der VO.).

(2) Jedoch bleibt die Zuständigkeit der höheren Verw.-Behörden für die Genehmigung der Veräußerung von Betrieben des Landhandels und der Be- und Verarbeiter landwirtschaftlicher Erzeugnisse (Reichsnährstandshandel, Reichsnährstandsindustrie, Reichsnährstandshandwerk im Sinne des § 1 der Dritten VO. über den vorläufigen Aufbau des Reichsnährstands v. 16.2.1934, RGBl. I S. 100, und der dazu ergangenen Nachträge) im bisherigen Umfang bestehen. Ebenso sind diese Behörden zu Zwangsanordnungen nach §§ 1 oder 6 zuständig. In allen diesen Fällen wie auch bei Einsetzung, Abberufung und Beaufsichtigung von Treuhändern sowie bei sonstigen Maßnahmen, die die genannten Betriebe betreffen, ist der zuständige Landesbauernführer zu beteiligen.

(3) Entsprechendes gilt bezüglich der Bearbeiter- und Verteilerbetriebe der Forst- und Holzwirtschaft mit der Maßgabe, daß in diesen Fällen die höhere Forstbehörde zu beteiligen ist. Dabei ist jedoch zu beachten, daß nach der VO. über die Errichtung, Übernahme und Erweiterung forst- und holzwirtschaftlicher Bearbeiter- und Verteilerbetriebe v. 28.2.1938 (RGBl. I S. 231) für die Errichtung, Übernahme und Erweiterung solcher Unternehmen eine besondere Genehmigung des RForstM. erforderlich ist, die durch die Genehmigung nach § 1 der Anordn. v. 26.4.1938 bzw. nach § 8 der VO. über den Einsatz des jüdischen Vermögens nicht ersetzt wird. Zur Vermeidung widersprechender Entscheidungen ersuche ich daher, eine Genehmigung in diesen Fällen erst zu erteilen, wenn feststeht, daß der RForstM. dem Erwerb nach der genannten VO. zustimmt.

6. Im Zusammenhang mit der Entjudung der gewerblichen Wirtschaft ist auch darauf Wert zu legen, daß wich-

 

 

tige Patent- und sonstige gewerbliche Schutzrechte in nichtjüdische Hand überführt werden. Erforderlichenfalls ist die zwangsweise Übertragung nach § 6 der VO. durchzuführen.

7. Soweit bei der Genehmigung der Entjudung eines Gewerbebetriebs auch Bestimmungen über die Übertragung von Aktien und sonstigen Wertpapieren getroffen werden, bedarf es einer besonderen Genehmigung nach § 12 der VO., die ich im übrigen den Wirtschaftsgruppen des Bankgewerbes übertragen habe, nicht.

8. Der Eingang eines Genehmigungsantrags ist dem für den jüdischen Veräußerer zuständigen Finanzamt und der zuständigen Devisenstelle jeweils unverzüglich formularmäßig kurz mitzuteilen, damit diese Stellen gegebenenfalls geeignete Sicherungsmaßnahmen treffen können. Ebenso ist beiden Stellen Abschrift des Genehmigungsbescheids zuzusenden.

III. Entjudung des Grundbesitzes.

1. (1) Hinsichtlich der Entjudung des Grundbesitzes bringt die VO. v. 3.12.1938 zwei wesentliche Neuerungen: in § 7 das allgemeine Verbot des Erwerbs von Grundstücken, grundstücksgleichen Rechten (Erbbaurechten, Bergwerkseigentum usw.) und Rechten an Grundstücken (Hypotheken, Grundschulden usw.) durch Juden und in § 8 den Genehmigungszwang für Verfügungen über Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte durch Juden.

(2) Nach § 7 ist die Neubestellung jedes dinglichen Rechtes an einem Grundstück zugunsten eines Juden untersagt. Unter das gesetzliche Verbot fällt daher auch u. a. die Eintragung einer Restkaufgeldhypothek oder eines Wohnrechtes zugunsten des jüdischen Veräußeres. Auch der Rückerwerb zur Sicherung übertragener dinglicher Rechte durch einen Juden nach Erlöschen des der Sicherungsübereignung zugrunde liegenden Kreditvertrages wird durch § 7 untersagt.

(3) § 8 macht genehmigungspflichtig alle Verfügungen über Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte, im Gegensatz zu § 7 jedoch nicht Verfügungen über Rechte an Grundstücken (Hypotheken, Grundschulden usw.). Genehmigungspflichtig ist daher nach § 8 die Eintragung einer Hypothek, Grundschuld usw. auf einem Grundstück als Verfügung über das Grundstück. Nicht genehmigungspflichtig ist die Abtretung von Grundpfandrechten, die Ergänzung oder Änderung von Hypothekenbedingungen (Umwandlung von Fälligkeits- in Tilgungshypotheken usw.) oder die Löschung von Hypotheken nach erfolgter Zahlung.

2. Genehmigungspflichtig nach § 8 der VO. v. 3.12.1938 ist jede Verfügung über Grundstücke und grundstücksgleiche Rechte durch Juden, die bei Inkrafttreten der VO. (5.12.1938) noch nicht endgültig abgeschlossen war. Dies hat in jedem Fall zu gelten, in dem die betreffende Rechtsänderung am Tage des Inkrafttretens der VO. (5.12.1938) noch nicht im Grundbuch eingetragen war.

3. Soweit es sich um landwirtschaftlich oder forstwirtschaftlich genutzte Grundstücke handelt, entfällt eine Zuständigkeit der höheren Verw.-Behörden zugunsten der oberen Siedlungsbehörden und der höheren Forstbehörden (§ 17 Abs. 3 der VO.).

4. Soweit bei der Überführung eines jüdischen Gewerbebetriebes auch dem Gewerbebetrieb dienende Grundstücke oder grundstücksgleiche Rechte übergehen, umfaßt die Genehmigung der Entjudung des Gewerbebetriebes regelmäßig auch die Genehmigung der Grundstücksveräußerung. In der Verfügung der höheren Verw.-Behörde ist jedoch

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auf § 8 der VO. v. 5.12.1938 auch in diesen Fällen besonders Bezug zu nehmen.

5. (1) Die Genehmigung von Verfügungen nach § 8 ist von den höheren Verw.-Behörden im Einvernehmen mit den für die Preisüberwachung zuständigen Stellen (in Berlin gemäß § 1 der Durchf.-VO. v. 16.1.1939, RGBl. I S. 37, von dem Stadtpräs.[?] der Reichshauptstadt Berlin im Einvernehmen mit der Preisbildungsstelle) zu erteilen. Ebenso sind sie nach dem Wohnsiedlungsgesetz¹) und der Ersten Durchf.-VO. über die Sicherung der Reichsgrenzen und über Verwaltungsmaßnahmen v. 17.8.1937 (RGBl. I S. 905) zuständigen Dienststellen oder Sachbearbeiter bei den höheren Verw.-Behörden gegebenenfalls am Verfahren zu beteiligen.

(2) Im allgemeinen wird es notwendig sein, über die Bewertung des veräußerten Grundstücks zunächst die mit der Durchführung der Preisüberwachung und Preisbildung betraute untere Verw.-Behörde (Landrat, Oberbürgermeister) gutachtlich zu hören.

6. Es wird zweckmäßig sein, die Zuständigkeit der höheren Verw.-Behörde nach § 8 der VO. in den Fällen auf nachgeordnete Dienststellen zu übertragen (vgl. § 2 der Durchf.-VO. v. 16.1 1939, RGBl. I S. 37), in denen größere Unterbehörden mit besonders geeigneten Sachbearbeitern vorhanden sind, die bisher auf dem Gebiet der Preisbildung bei Grundstücken erfolgreich tätig waren. Die Übertragung bedarf in jedem Fall meiner Genehmigung. Eine allgemeine Übertragung der Zuständigkeiten der höheren Verw.-Behörde auf nachgeordnete Dienststellen des Bezirks kommt jedoch nicht in Betracht.

7. Bei der Genehmigung von Grundstücksgeschäften ist davon auszugehen, daß bei der Entjudung des Grundbesitzes ebenso wie bei der Entjudung der gewerblichen Wirtschaft keine ungerechtfertigte Bereicherung einzelner Privatinteressenten und keine völlige Entwertung des jüdischen Vermögens eintreten soll. Es ist auch darauf zu achten, daß dem Juden zur späteren Finanzierung seiner Auswanderung gewisse Barmittel verbleiben. Daneben wird der jüdische Veräußerer den Verkaufserlös in weitem Umfang zur Abdeckung von öffentlichen und privaten Lasten und zur Bestreitung seines Lebensunterhalts verwenden müssen, für den sonst letzten Endes die öffentliche Fürsorge aufkommen müßte. Veräußerungsverträge sind daher grundsätzlich nur zu genehmigen, wenn der Kaufpreis sich einigermaßen im Rahmen des Verkehrswertes hält. Dieser wird bei Grundstücken regelmäßig nicht unter dem Einheitswert liegen. Ausnahmen können sich bei sogenanntem Bauland ergeben. Andererseits kann er, je nach Lage des Einzelfalles, auch erheblich über dem Einheitswert liegen. Werden Verträge vorgelegt, bei denen der Preis erheblich aus dem Rahmen des Verkehrswertes herausfällt, so ist die Genehmigung nur unter der Auflage zu erteilen, daß der Unterschied zwischen dem Kaufpreis und einem mäßigen Verkehrswert als Ausgleichszahlung an das Reich gezahlt wird (Abschn. IV).

8. (1) Bezüglich der Persönlichkeit des Erwerbers ist bei der Genehmigung jedes Grundstückgeschäfts darauf zu achten, daß nicht einer volkswirtschaftlich unerwünschten Spekulation mit Grundstückswerten Vorschub geleistet wird. Auf etwa vorliegende allgemeine Bedürfnisse (Raumbedarf für Behörden und Parteidienststellen u. ä.) ist Rücksicht zu nehmen. Ist von dem Erwerber beabsichtigt, bisherige Wohnräume in Geschäfts- oder Büroräume umzuwandeln, so ist er auf die etwa bestehende besondere Genehmigungspflicht der Gemeindebehörde hinzuweisen.

 

 

(2) Den Wünschen der Realgläubiger auf Erwerb des Grundstücks zur Rettung dinglich gesicherter Forderungen ist weitgehend Rechnung zu tragen. Dies gilt insbesondere auch bei Anträgen auf Genehmigung eines Gebots in der Zwangsversteigerung, die im übrigen nicht ohne besonderen Grund zugunsten eines bestimmten Erwerbers abgelehnt werden dürfen.

(3) Bei der Genehmigung zur Abgabe eines Gebots in der Zwangsversteigerung ist hinsichtlich des Erwerbspreises zweckmäßigerweise eine angemessene Preisspanne, innerhalb deren das Gebot erfolgen kann, festzusetzen. Die Genehmigung nach § 8 Abs. 4 der VO. ist bei Geboten von Pfandbriefanstalten, Sparkassen und ähnlichen unter Reichs- oder Staatsaufsicht stehenden Kreditinstituten ohne weiteres Verfahren zu erteilen, sofern die Gebote dem Zwecke dienen, innerhalb der vorgeschriebenen Beleihungsgrenzen ausgegebene Hypotheken auszubieten. Entsprechendes gilt, wenn in den Fällen des § 81 Abs. 2 und 3 des Zwangsversteigerungsgesetzes²) der Zuschlag an einen anderen als das meistbietende Institut erteilt wird.

9. Dem RFM. gegenüber habe ich mich allgemein damit einverstanden erklärt, daß jüdische Grundstücke, die an Zahlungs Statt für die Judenvermögensabgabe angenommen werden, in das Eigentum des Reichs übergehen. In diesen Fällen sowie bei der Eintragung von Sicherheitshypotheken zugunsten des Reichs für die Vermögensabgabe ist den zuständigen Finanzämtern die nach § 8 der VO. erforderliche Genehmigung ohne weiteres Verfahren zu erteilen.

10. Wegen der Benachrichtigung der Finanzämter und Devisenstellen gelten die Anordnungen in Abs. II Ziff. 8 entsprechend.

11. (1) Kommt ein Vorkaufsrecht nach § 10 in Frage und weist der Antragsteller nicht bereits nach, daß die vorkaufsberechtigte Stelle eine Entscheidung getroffen hat, so ist ihr der eingereichte Antrag mit genauer Bezeichnung des Grundstücks unverzüglich mitzuteilen.

(2) Das Vorkaufsrecht nach § 10 gilt nur bei rechtsgeschäftlichen Verfügungen, nicht bei Veräußerungen im Wege der Zwangsversteigerung.

IV. Erfassung ungerechtfertigter Entjudungsgewinne.

Nach § 15 Abs. 1 der VO. kann die Genehmigung zur Veräußerung jüdischer Gewerbebetriebe und jüdischen Grundbesitzes unter Auflagen erteilt werden, die auch in Geldleistungen des Erwerbers zugunsten des Reichs bestehen können.

1. (1) Bei gewerblichen Betrieben haben die Maßnahmen zur Zurückdrängung des Judentums in der deutschen Wirtschaft vielfach den Wert solcher Betriebe, die sich in jüdischer Hand befinden, wesentlich vermindert. Es besteht kein Anlaß, dem jüdischen Veräußerer einen Preis zu zahlen, der über diesem augenblicklichen Wert des Betriebes liegt. Andererseits steht in vielen Fällen fest, daß dieser Betrieb nach seiner Überführung in nichtjüdische Hand regelmäßig eine erhebliche Umsatzsteigerung erfahren und damit sein Wert bedeutend höher wird. Zwar soll für den Erwerber aus gesamtwirtschaftlichen Gründen ein gewisser Anreiz zum Ankauf jüdischer Unternehmen erhalten bleiben. Auch ist bei der Bewertung in vielen Fällen zu berücksichtigen, daß der Erwerber eines jüdischen Gewerbebetriebes anfangs mit gewissen Übergangsschwierigkeiten in geschäftlicher Hinsicht zu rechnen hat. Darüber hinaus

 

 

soll jedoch ein sich ergebender Gewinn aus der Entjudung der Wirtschaft grundsätzlich dem Reiche zufließen. Besteht daher zwischen dem an den jüdischen Vorbesitzer entsprechend dem augenblicklichen Wert des Betriebes gezahlten Kaufpreis und dem Verkaufswert des gleichen Betriebes in der Hand eines geeigneten nichtjüdischen Unternehmers ein erheblicher Unterschied, so ist die Genehmigung gemäß § 16 ABs. 1 der VO. nur unter der Auflage zu erteilen, daß der Erwerber eine Ausgleichszahlung zugunsten des Reiches entrichtet. Diese Ausgleichsabgabe soll bei gewerblichen Betrieben im allgemeinen 70 v. H. des Mehrwertes (Unterschied zwischen Kaufpreis und dem Verkaufswert nach der Überführung) betragen.

(2) Die Festsetzung erfolgt seitens der höheren Verw.-Behörde in dem Genehmigungsbescheid. Muß aus besonderen Gründen die Genehmigung sofort erteilt werden, ohne daß eine endgültige Entscheidung über die Ausgleichsabgabe gleichzeitig möglich ist, so kann die endgültige Festsetzung ausnahmsweise vorbehalten werden. Dabei ist jedoch dem Antragsteller mitzuteilen, bis zu welchem Höchstbetrag eine Erhebung in Frage kommt oder nach welchen Grundsätzen sie berechnet werden wird.

(3) Zu der Frage der Bewertung sowie der Erhebung und Höhe der Ausgleichszahlung hat sich insbesondere die Industrie- und Handelskammer bei einer Stellungnahme zu dem Genehmigungsantrag eingehnd gutachtlich zu äußern. Handelt es sich um größere Betriebe, [..] mit einem Reinvermögen von mehr als 30 000 RM oder mit einem Jahresumsatz von mehr als 300 000 RM, so hat die Industrie- und Handelskammer ihrer Stellungnahme das Gutachten eines Wirtschaftsprüfers zugrunde zu legen. In Fällen einfacher Art und geringerer wirtschaftlicher Bedeutung kann auch das Gutachten eines öffentlich vereidigten Bücherrevisors angefordert werden. Die Kosten trägt der Erwerber.

(4) Die Erhebung und Bemessung der Ausgleichszahlungen hat lediglich nach sachlicher Gesichtspunkten, ohne Rücksicht auf die Person des Erwerbers, zu erfolgen.

2. In ähnlicher Weise ist bei der Genehmigung von Handwerksgeschäften von der Möglichkeit einer Auferlegung einer Ausgleichszahlung Gebrauch zu machen, wenn zwischen dem Kaufpreis und einem mäßigen Verkehrswert ein erheblicher Unterschied besteht. Es bestehen keine Bedenken, den Unterschiedsbetrag bis zur vollen Höhe zu erfassen.

3. Für die Entrichtung der Ausgleichsabgaben kann in geeigneten Fällen ratenweise Zahlung innerhalb einer Gesamtdauer von längstens 6 Monaten, in besonderen Fällen von längstens 1 Jahr bewilligt werden.

 

 

4. (1) Die zugunsten des Reichs erhobenen Augleichszahlungen sind unverzüglich an die Reichshauptkasse in Berlin zur Gutschrift auf ein besonderes Verwahrkonto „Ausgleichszahlungen” unter Angabe des Erwerbers und des Sachbetreffs anzuführen. Dies gilt auch für alle von den staatlichen Behörden bisher erhobenen und in Verwahrung genommenen Beträge.

(2) Ausgleichszahlungen ähnlicher Art an andere als die staatlichen Genehmigungsbehörden sind unzulässig.

V. Beteiligung der Parteistellen an dem Entjudungsverfahren.

(1) Die Beteiligung der Parteistellen an dem Genehmigungsverfahren nach § 1 der Anordn. des Beauftragten für den Vierjahresplan v. 26.4.1938 richtet sich unverändert nach dem RdErl. v. 5.7.1938 - III J d 2818 38³). Danach sind die Gauleiter der NSDAP. vor der Erteilung der Genehmigung zu hören. In gleicher Weise ist künftig vor der Erteilung einer Genehmigung nach § 8 der VO. über den Einsatz des jüdischen Vermögens und vor einer Zwangsanordnung zur Veräußerung eines jüdischen Gewerbebetriebes, jüdischen Grundstückes oder sonstiger jüdischer Vermögensteile der Gauleiter der NSDAP., in dessen Bezirk sich das fragliche Grundstück, der Gewerbebetrieb oder der in Frage kommende Vermögensteil befindet, zu hören.

(2) Wird ein Treuhänder gemäß § 2 oder in Satz 3 der VO. lediglich zur vorläufigen Weiterführung eines Gewerbebetriebes oder zur vorläufigen Verwaltung eines Grundstückes oder sonstiger Vermögensstücke eingesetzt, kann in den Fällen, in denen aus dringenden Gründen, insbesondere wegen Gefährdung des Betriebes, die Bestellung umgehend erfolgen muß, von einer vorherigen Anhörung des Gauleiters abgesehen werden. Alsdann ist jedoch nachträglich das Benehmen herzustellen.

(3) Die Anhörung des Gauleiters erübrigt sich bei der Genehmigung von Grundstücksgeschäften, in denen das Reich, ein Land oder die NSDAP. als Erwerber beteiligt sind.

(4) Zur Beschleunigung des Verfahrens wird im Einvernehmen mit dem StdF. angeordnet, daß die Anhörung des Gauleiters allgemein mit dem Hinweis zu erfolgen hat, daß, falls binnen 2 Wochen eine Äußerung nicht eingeht, das Einverständnis angenommen werden kann. Den beteiligten Stellen bleibt es überlassen, nach Möglichkeit kürzere Fristen zu vereinbaren.

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¹) Vgl. RGBl. 1933 I S. 659; 1938 I S. 1246.
²) Vgl. RGBl. 1898 S. 369, 713.
³) Nicht veröffentlicht.

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