Erinnerungen an das Pogrom in Köln
F.S., geboren 1927, berichtete 1988:
„Diese sogenannte Reichskristallnacht - ja, da ist mir also noch folgendes in Erinnerung: Ich war gerade elf Jahre und ich war in der Schule. Mit elf Jahren holt man normalerweise kein Kind mehr von der Schule ab, deshalb war ich erstaunt, als ich mittags aus der Schule kam und meine Mutter stand vor der Tür. In heller Aufregung zog sie mich sofort weg - die Schule war nicht sehr weit von unserer Wohnung. Ich sag: „Warum holst Du mich denn eigentlich ab?" Da sagt sie: „Ja - also, es ist allerhand los, die SA, die stecken Geschäfte in Brand und die Synagoge in der Körnerstraße brennt auch; und ich habe zuviel Angst, daß Dir was passieren könnte." Nun war mir da schon vieles klar, ich hatte schon einiges erlebt und war also ein bißchen aufgeklärt über die Zusammenhänge, wußte also, daß eine Aktion gegen Juden lief. Und daß meine Mutter Halbjüdin war, das hatte ich auch schon begriffen, daß sie also auch irgendwie damit in Zusammenhang gebracht werden konnte, das war mir also auch klar. Obwohl ich die Gefahr in dieser Form, damals mit elf, noch nicht so eingeschätzt habe. Das muß ich ehrlich sagen. Es war alles aufregend. Da bin ich dann von zu Hause aus weg - wollte mir das mit der kindlichen Neugier unbedingt ansehen - und bin dann durch Ehrenfeld gegangen. Da waren natürlich auf der Venloer Straße auch einige jüdische Geschäfte. Ich erinnere mich an eins noch, das war, glaube ich, ein Bekleidungshaus - Spiegel. Ich erinnere mich so dran, weil es dort früher, wenn man etwas kaufte, für die Kinder immer kleine Geschenke gab - Pappsoldaten in Holzständerchen, z.B., auf denen die Reklame von dem Geschäft stand. Da habe ich als Kind mit gespielt. Das Geschäft war total zerstört, Scheiben kaputt und der Laden total ausgeräumt, das war so zwischen Pielstr. und - der Name der anderen Straße ist mir im Moment entfallen. Dann bin ich an die Körnerstraße gegangen. Das war eine enge Straße und da brannte also die Synagoge immer noch. Da waren Unmengen von Menschen, und es war auch Feuerwehr da, wahrscheinlich um das Übergreifen auf Nachbarhäuser zu verhindern. Denn die Synagoge stand nicht frei, sondern die stand zwischen Häusern, soweit ich mich erinnern kann. Später hat man da einen Luftschutzbunker hingebaut, also noch im Krieg. Dann hörte ich dann, wie meine Mutter und ihr Bruder darüber sprachen und auch einige Namen sagten, wo was passiert war, wo man was mit wem gemacht hatte - einen hatte man sogar erschlagen. Ich weiß es nicht mehr so genau, ich kann mich an diesen Namen nicht erinnern. Mit elf Jahren war ich erstens noch ein bißchen jung und zum zweiten - heute mit 61 ist es ja auch eine ganz schöne Zeitspanne, wo man solche Dinge schon mal vergessen kann. Das waren eigentlich meine Erlebnisse mit der Reichskristallnacht.“