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Chronik und Quellen
1935
November 1935

Schreiben der Fachgruppe Private Krankenversicherung

Die Fachgruppe Private Krankenversicherung bittet die zuständige Wirtschaftsgruppe am 1. November 1935, ihr den Ausschluss der jüdischen Versicherten zu genehmigen:

Betrifft: Versicherung von Juden.

Nachdem die Reichsregierung durch die sogenannten Nürnberger Gesetze ihre Einstellung zur Judenfrage nunmehr eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, halten wir es für unsere Pflicht, auch unsererseits zu versuchen, diese Frage für unser Gebiet zu lösen. In Betracht kommen zwei Gesichtspunkte, und zwar:

1. die Ausschaltung jüdischer Ärzteversorgung,
2. Sperre der Aufnahme von Juden.

Mit unserem Schreiben vom 18. Oktober 1935 haben wir uns bereits gestattet, Sie zu bitten, dafür besorgt zu sein, daß die Ausführungsbestimmungen zu den Nürnberger Gesetzen den Ausschluß nichtarischer Ärzteversorgung bringen.

Heute bitten wir Sie ferner, für uns beim Herrn Reichswirtschaftsminister die Ermächtigung zu erwirken, eine Aufnahmesperre für alle jüdischen Versicherungsinteressenten, verbindlich für alle Mitglieder der Fachgruppe, anordnen zu dürfen.

Wir glauben hierfür einer besonderen Ermächtigung zu bedürfen, da Sie uns mit Schreiben vom 21. Oktober 1935 von einem Rundschreiben der Reichswirtschaffskammer in Kenntnis setzen, das Wirtschaftsorganisationen verbietet, Änderungen der Stellung der Juden im Wirtschaftsleben eintreten zu lassen, ehe nicht eine allgemeine gesetzliche Regelung erfolgt ist.

Die Versorgung der in Deutschland lebenden Juden mit Versicherungsschutz ist durch die von uns vorgesehene Maßnahme in keiner Weise gefährdet, denn Mitglieder der Fachgruppe sind bereits 2 rein jüdische Unternehmen und allein beim Reichsaufsichtsamt für Privatversicherung sind noch weitere 8 Gesellschaften gemeldet.

Soweit uns bis jetzt bekannt, arbeiten somit im deutschen Reich 10 rein jüdische Krankenversicherungsanstalten, und zwar:

1. Israelitische Frauenkrankenkasse, Frankfurt/Main,
2.       “               Männerkrankenkasse, .       “    
3. Israelitischer Frauenverein zur Unterstützung kranker Frauen und Wöchnerinnen, Bühl i. B.,
4. Israelitischer Männerkrankenverein in Karlsruhe,
5. .       “     .             .       “     .       “             Breisach,
6. Israelitischer Frauenkrankenverein in Breisach,
7. .       “             Krankenpflegeverein der Älteren, Mainz,
8. .       “               Krankenverein der Frauen und Mädchen, Mainz,
9. Israelitische Männerkrankenkasse, Offenbach/Main,
10. .       “         Frauenkrankenkasse.

Darüber hinaus ist anzunehmen, daß im ganzen Reichsgebiet noch eine ganze Reihe weiterer jüdischer Unternehmen besteht. Die in Deutschland lebenden Juden, die eine Krankenversicherung abschließen wollen, haben hier also Gelegenheit genug, ihr Versicherungsbedürfnis zu befriedigen.

Außerdem bitten wir Sie, uns auch noch mitzuteilen, ob Sie damit einverstanden sind, daß wir versuchen, die noch bei unseren Mitgliedern versicherten Personen jüdischer Rasse auf diese vorstehend angegebenen jüdischen Unternehmungen überzuführen, damit der Krankenversicherungsbestand der deutschen Unternehmungen judenfrei wird. Die Möglichkeit hierzu ist gleichfalls durchaus zu bejahen, denn wenn sich auch nur 2 der maßgebendsten jüdischen Unternehmungen auf das ganze Reich ausdehnen würden, müßten allein schon diese in der Lage sein, die zurzeit bei deutschen Unternehmungen versicherten Juden zu übernehmen. Wenn Sie uns zu dieser Aktion die Ermächtigung geben, dann würden wir in diesem Sinne mit den jüdischen Mitgliedern der Fachgruppe in Verbindung treten.

Die Durchführung dieser Maßnahmen würde nur einen Zustand legalisieren, der durch das Vorgehen einer großen Anzahl unserer Mitglieder bereits geschaffen ist. Eine ganze Reihe deutscher Unternehmungen hat nämlich schon offiziell in ihren Versicherungsbedingungen bezw. Satzungen verankert, daß Juden nicht aufgenommen werden können.

Viele andere Gesellschaften haben interne Weisungen an ihre Werber erlassen, die diesen verbieten, Anträge jüdischer Personen einzureichen. Nur ein ganz geringer Teil vertritt heute noch den Standpunkt, alle nicht versicherungspflichtigen Personen versichern zu müssen, gleichgültig welcher Rasse sie angehören. Unsere geplante Aktion dürfte also zweifellos von der überwiegenden Mehrzahl unserer Mitglieder begrüßt werden und für den Rest würde sie von erzieherischer Wirkung sein, die, von der Partei aus gesehen, durchaus im Rahmen des Aufgabengebietes der Fachgruppenführung liegt. Zudem hat ja die Reichsregierung bereits von sich aus eine ähnlich gelagerte Entscheidung getroffen, als sie vom nächsten Jahr ab den jüdischen Kindern den Besuch deutscher Schulen versagt und für diese eigene Bildungsstätten schafft. Wir glauben also, daß die vorstehend wiedergegebenen Anträge auch dem Willen des Gesetzgebers entsprechen. Für baldigen Bescheid wären wir dankbar.

Heil Hitler!

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