Lagebericht des Gestapa
Bericht des Geheimen Staatspolizeiamts Berlin zur Situation der Juden in Deutschland im Dezember 1934 und Januar 1935:
Die Arbeit der Juden in den Organisationen, die während der Weihnachtszeit durch ihre Geschäftstätigkeit unterbrochen war, hat erneut in verstärktem Maße eingesetzt.
Der Ausgang der Saarabstimmung ist nicht ohne Einfluß auf die verschiedenen Richtungen innerhalb der Judenheit geblieben.
So sieht der zionistisch eingestellte Teil der Juden in dem überraschenden Ergebnis der Abstimmung einen Ansporn, seine auf Abwanderung nach Palästina gerichtete Propaganda zu verstärken.
Die bei den Deutschjuden durch das Abstimmungsverhalten hervorgerufene Bestürzung ist bald wieder einem starken Optimismus gewichen. Neben dem Centralverein deutscher Staatsbürger jüd. Glaubens ist es besonders der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten, der für das Festhalten am Deutschtum und das Verbleiben in Deutschland wirbt. Er bedient sich dabei immer wieder der Behauptung, daß ein Anrecht darauf durch das Opfer von 12.000 jüd. Soldaten im Weltkriege erworben sei und versucht, die Jugend aus der zionistischen Richtung für sich zu gewinnen. In dem Bestreben, ihren Anhang zu behalten, gingen die Deutschjuden in letzter Zeit so weit, Pläne für die praktische Zukunftsgestaltung in Deutschland zu erörtern. Um diese Organisation in ihrer Betätigung so weit wie möglich zu behindern und in die zionistische Richtung zu drängen, habe ich durch Erlaß an alle Staatspolizeistellen angeordnet, daß alle jüd. Versammlungen, in denen für das Festhalten am Deutschtum und das Verbleiben in Deutschland gesprochen werden soll, bis auf weiteres zu verbieten sind.
Neugründungen jüd. Organisationen sind in der Berichtszeit nicht erfolgt. Eine jüd. Jugendgruppe „Schwarzes Fähnlein“, die nach dem Muster der HJ gebildet war und eine unpolitische Jugendorganisation darstellen sollte, hat sich auf Anregung des Reichsjugendführers selbst aufgelöst.
Die Abwanderung von Juden nach Palästina ist trotz der beschränkten Zahl von Zertifikaten nicht zum Stillstand gekommen. Nach dem vorläufigen Ergebnis der Zählung sind 1934 rund 10.000 Juden aus Deutschland nach Palästina eingewandert, davon im Dezember 1934 allein aus Berlin 436. Im Januar 1935 sind aus Berlin 200 und aus dem Reich 150 Juden ausgewandert.
Die auf Berlin entfallend hohe Zahl erklärt sich daraus, daß die Auswanderertransporte meist hier zusammengestellt werden. Eingegangene Klagen lassen erkennen, daß die Juden die bisher gezeigte Zurückhaltung aufzugeben scheinen. Das überraschend gute Weihnachtsgeschäft hat zur Hebung ihres Selbstbewußtseins wesentlich beigetragen. In vielen Fällen ist auch das unverantwortliche Verhalten von Parteigenossen, die ihre nat.soz. Ehre und ihren deutschen Namen als Aushängeschild für jüd. Unternehmen hergeben, Schuld daran.
Das herausfordernde Auftreten der Juden gibt der arischen Bevölkerung vermehrt Veranlassung zur Selbsthilfe. Die zur Abwehr aus der Bevölkerung entstandenen Boykottmaßnahmen sind meist wirkungslos und dazu angetan, die Behörden, die die Anweisungen des Reichswirtschaftsministeriums durchzuführen haben, in ihrem Ansehen zu schädigen und Gegensätze zwischen Staat und Bewegung zu erzeugen.
Ich habe den Stellvertreter des Führers gebeten, in einem Erlaß an die Parteiorganisationen den Verkehr mit Juden erneut zu untersagen und den Einkauf in jüd. Geschäften und Warenhäusern durch Angehörige der Organisationen zu unterbinden. In vielen Teilen Deutschlands liegt der Viehhandel noch fast ausschließlich in den Händen jüd. Viehhändler, die wieder mit großer Dreistigkeit und Aufdringlichkeit auftreten. Der arische Viehhandel kann mit ihnen nicht konkurrieren, weil er nicht kapitalkräftig ist.
Die Erlaubnis zur Einfuhr von Pferden aus Belgien ist behördlicherseits fast ausschließlich an Juden erteilt, was sogar in den ausländischen Nachbarbezirken erhebliches Aufsehen erregt haben soll.
Die von dem Herrn Reichssportführer zugestandene uneingeschränkte sportliche Betätigung hat der jüd. Sportbewegung besonderen Auftrieb gegeben. Die dafür maßgebend gewesenen Gründe werden von der Bevölkerung nicht erkannt und geben zu Mißdeutungen Anlaß, zumal die jüd. Sportverbände auch gemeindliche Einrichtungen (Sportplätze, Turnhallen, Schwimmbäder) benutzen dürfen.
Unter Hinweis auf die erfolgreiche Tätigkeit jüdischer Flieger im Weltkriege versuchen die Juden neuerdings, ihre Jugend für die Segelfliegerei zu interessieren und Segelfliegergruppen zu bilden. Ich habe den Herrn Reichssportführer gebeten, die Bildung jüd. Segelfliegergruppen zu verhindern.
Aus Anlaß der Feier des Saarsieges hatten viele jüd. Geschäfte und Wohnungen von Juden die Hakenkreuzflagge gehißt und dadurch Unruhe in die Bevölkerung getragen. Da nach den nat.soz. Grundsätzen Juden nicht zur deutschen Volksgemeinschaft zählen, halte ich das Zeigen der Hakenkreuzflagge durch sie für unangebracht. Auch kann ihnen die Beflaggung mit der schwarz-weiß-roten Flagge nicht zugestanden werden. Die mir unterstellten Staatspolizeistellen habe ich angewiesen, diese Grundsätze in geeigneter Form durchzusetzen.
Unter den im Saargebiet wohnhaft gewesenen Juden hat das Ergebnis der Saarabstimmung große Bestürzung hervorgerufen. Etwa V3 von ihnen, darunter 50 % der zahlungskräftigsten, sollen bereits ins Ausland abgereist sein und auch die Zurückgebliebenen fühlen sich dort nicht besonders sicher. Die Unruhe ist deshalb besonders groß, weil die beiden Großorganisationen, die die Zugehörigkeit zum deutschen Vaterlande als die Grundlage ihrer Tätigkeit bezeichnen, der „Centralverein deutscher Staatsbürger jüd. Glaubens“ und der „Reichsbund jüd. Frontsoldaten“, sich im Abstimmungskampf unverhüllt für den Status quo eingesetzt hatten. Die Führer dieser Organisationen sind deshalb unmittelbar nach der Abstimmung unter Vorzeigung französischer Pässe nach Frankreich oder Luxemburg gezogen.
Nach einem aus Luxemburg vorliegenden Bericht setzen sich die in Luxemburg seßhaft gewordenen Emigranten zu 80 % aus sehr gut bemittelten jüd. Familien zusammen. Neben ihrer hetzerischen Tätigkeit beschäftigen sie sich dort mit der Weiterführung ihrer noch aus der Zeit der Marxistenregierung stammenden Organisationen, wie der Liga für Menschenrechte. In der Öffentlichkeit hat [durch] das herausfordernde Auftreten der Emigranten eine recht ablehnende Haltung gegenüber den Juden Platz gegriffen, einmal, weil es augenfällig wird, daß der Jude es verstanden hat, den Handel im Gastlande in überwiegendem Maße an sich zu reißen, zum anderen muß die Befürchtung gehegt werden, daß in Zukunft die jüd. Familien, die zwar augenblicklich noch über genügend Kapital verfügen, bei einer Kapitalsteilung unter dem Nachwuchs versuchen müssen, ihren Lebensunterhalt selbst zu verdienen und sich dann auch in den Wirtschaftsbetrieb des Gastlandes einzudrängen versuchen werden.
In letzter Zeit ist die Beobachtung gemacht worden, daß jüd. Künstler beim Auftreten vor der Öffentlichkeit versuchen, sich in verstärkter Form mit Maßnahmen der Regierung und mit der politischen und wirtschaftlichen Lage Deutschlands zu beschäftigen und vor dem meist aus Nichtariern bestehenden Publikum durch Mimik und Tonfall absichtlich zersetzende Kritik zu üben. Auch sind Provokationen der staatlichen Behörden dadurch hervorgerufen worden, daß das Einschreiten der Polizei beim unerwünschten Zusammenwirken von arischen und nichtarischen Künstlern zum Gegenstand von Ovationen für die nichtarischen Künstler gemacht wurde.
Ich habe die Staatspolizeistellen angewiesen, darüber zu wachen, daß nichtarische Künstler sich bei ihrem Auftreten jeglicher Anspielung auf innerdeutsche Angelegenheiten enthalten und in Fällen der Zuwiderhandlung aus dem Gesichtspunkt heraus, daß die Einmischung von Nichtariern in deutsche Angelegenheiten keineswegs geduldet wird, die Schutzhaft anzuordnen. Wobei gemeinsamem Auftreten arischer und nichtarischer Künstler Provokationen zu befürchten sind, ist das Auftreten der Nichtarier sofort zu untersagen. Wie mir vertraulich mitgeteilt wurde, sollen nach einem neuen jüd. Plan Nachkömmlinge von Juden aus Deutschland für einige Zeit nach Amerika gebracht werden, von wo sie nach sprachlicher Ausbildung und Adoption durch amerikanische Juden als amerikanische Staatsbürger nach Deutschland zurückkehren sollen. Der Zweck dieser Reise ist diese Judenstämmlinge bei der Rückkehr vor dem Zugriff durch deutsche Behörden zu schützen. Es sind in letzter Zeit auch zwei Transporte von Judenkindern im Alter von 10 bis 14 Jahren nach New York abgegangen. Die Ermittlungen nach der Richtigkeit der Behauptung bezüglich der Adoption sind noch im Gange.