Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung
Am 1. November 1937 trafen sich 66 für die „Judenfrage“ zuständigen Abteilungsleiter, Referenten und Hilfskräfte des Sicherheitsdienstes der SS aus dessen Berliner Zentrale und den SD-Oberabschnitten waren, zu einer Tagung, in deren Verlauf ihnen zwölf thematisch einschlägige Kurzreferate zur Gehör gebracht wurden, an die sich anschließend noch eine dreistündige „Allgemeine Aussprache“ anschloss.
In einem dieser Referate erklärte Theodor Dannecker, einer der engsten Mitarbeiter von Adolf Eichmann, die „Methodik“, mit der die SD-Männer das Leben für die jüdische Bevölkerung möglichst unerträglich machen sollten: „Keine Minute Ruhe geben, stets die führenden Juden durch Vermahnungen in Atem halten, auf jede unseren Grundsätzen zuwiderlaufende Regung, auch die kleinste, sofort reagieren, kurz: völliges Eindringen in das jüdische und insbesondere das jüdisch-politische Eigenleben. Dadurch wird zwangsläufig der Auswanderungsgedanke genährt und die Idee von einem vielleicht doch noch möglichen Weiterverbleiben in Deutschland immer mehr untergraben.“
Am 5. November wurde die jüdische Bevölkerung durch das „Gesetz über erbrechtliche Beschränkungen wegen gemeinschaftswidrigen Verhaltens“ mit Blick auf „arische“ Erblasser sozusagen kollektiv enterbt. Da sie durch die „Nürnberger Gesetze“ unter anderem ihre Staatsangehörigkeit verloren hatten, durften sie künftig das Erbe eines deutschen Staatsangehörigen nicht mehr antreten. Auch Schenkungen waren an sie nunmehr verboten. Jenen Erben, die nach dem 16. September 1935 eine „Mischehe“ eingegangen waren, wurde zudem der ihnen zuvor zustehende Pflichtanteil ihres Erbes entzogen.
Am 8. November eröffnete Propagandaminister Joseph Goebbels in München die antisemitische Ausstellung „Der Ewige Jude“. Die groß und aufwändig aufgezogene Präsentation soll der deutschen Bevölkerung - wie ab 1940 dann auch der gleichnamige Film - die seitens des NS-Regimes betriebene Politik gegen die jüdische Bevölkerung plausibel und akzeptabel gemacht werden.
Am 16. November wurde auf Anweisung des Reichsinnenministeriums die Reisefreiheit der jüdischen Bevölkerung massiv eingeschränkt. Von diesem Tag an wurde ihnen - bis auf die Fälle einer endgültigen Auswanderung - keine im Ausland gültigen Reisepässe mehr ausgestellt.
Das Regime bleibt mit allen sich bietenden Mitteln bestrebt, die Distanz zwischen nichtjüdischer und jüdischer Bevölkerung kontinuierlich zu vergrößern. So wurde am 22. November seitens des Reichsjustizministeriums in einer vertraulichen Anweisung mitgeteilt, dass es erwünscht sei, wenn Kinder von Beamten, die ihre Berufsausbildung in jüdischen Geschäften oder Unternehmungen durchlaufen, diese dort umgehend unterbrechen würden. Eine gesetzliche Grundlage zur Durchsetzung dieser Forderung gab es zunächst nicht.
Am 30. November fasste Joseph Goebbels das Gespräch, das er während eines gemeinsamen Mittagessens mit Adolf Hitler geführt hatte, in seinem Tagebuch zusammen. „Lange über Judenfrage diskutiert. Mein neues Gesetz ist bald fertig. Aber das ist nicht das Ziel. Die Juden müssen aus Deutschland, ja aus ganz Europa heraus. Das dauert noch eine Weile, aber geschehen wird und muß das. Der Führer ist fest entschlossen dazu.“