Menü
Chronik und Quellen
1937
April 1937

Vermerk des SD-Mitarbeiters Wisliceny zur „Judenfrage“

Am 7. April 1937 hält SD-Mitarbeiters Wisliceny in einem Vermerk zur „Judenfrage“ fest:

1. Die Judenfrage in Deutschland ist eine Rassenfrage. Sie ist damit eindeutig als weltanschauliches Problem gekennzeichnet.

2. Die Lösung der Judenfrage in Deutschland kann nur zentral und durch Gesetzgebung geregelt werden. Es bestehen zunächst zwei Möglichkeiten der Lösung,

a) Die Ausschaltung des Judentums aus dem kulturellen und völkischen Leben Deutschlands. Das Judentum führt damit ein kulturelles und völkisches Eigendasein mit den Rech ten und Pflichten einer Minderheit. Diese Form der Lösung ist bis heute durch die Gesetzgebung des NS-Staates weitgehend durchgeführt. Die Durchführung der Ausschaltung des Judentums aus der deutschen Kultur hat jedoch gezeigt, daß damit die Judenfrage nur zum Teil gelöst werden kann. Die Ausschaltung des Judentums aus dem deutschen Wirtschaftsleben gelang damit nicht.

b) Die zweite und einzig mögliche Lösung der Judenfrage ist die Förderung der zionistischen Abwanderung der Juden aus Deutschland mit allen Mitteln. Auch hier ist der Weg der Gesetzgebung der einzig gangbare.

Die Erfahrung hat gezeigt, daß die Juden, die Deutschland nach 1933 verließen, in erster Linie junge Juden waren, die selbst nur über geringes Kapital verfügten und ihre Auswanderung nur mit Hilfe der jüdischen Hilfsorganisationen durchführen konnten. In zweiter Linie wanderten die jüdischen Träger jener Berufe ab, die von der antijüdischen Kulturgesetzgebung betroffen wurden. Dagegen konnte die einwandfreie Beobachtung gemacht werden, daß die Juden im Wirtschaftsleben nach wie vor in einzelnen Wirtschaftszeigen geradezu führend sind. Die Umsätze jüdischer Firmen haben sich zum Teil gegen 1933 verdoppelt und verdreifacht. Unter diesen Umständen denkt natürlich kein Jude daran, freiwillig Deutschland zu verlassen. Die Gefährlichkeit dieser Situation für Deutschland bedarf keines weiteren Beweises. Außerdem kann schon jetzt die gleichmäßige Beobachtung gemacht werden, daß der Zionismus mit seiner Propaganda an Wirkung verliert, da es den Juden in Deutschland wirtschaftlich gut geht und sie sich mit ihrem kulturellen Eigenleben abzufinden beginnen. Das Ghetto in diesem Falle das geistige, ist die Lebensform der Juden seit 800 Jahren.

3. Die Aufgabe des Sicherheitsdienstes ist nicht damit erschöpft, daß er diese, aus Einzelfällen erkenntliche Situation, registriert und berichtet. Er hat vielmehr die Aufgabe, Staat und Partei das absolut stichhaltige Material zu geben, aufgrund dessen gesetzgeberische und polizeiliche Maßnahmen erfolgen können. In Anbetracht der augenblicklichen Lage des Judentums sind die zu treffenden Maßnahmen klar.

a) Systematische Erfassung des Judentums im deutschen Wirtschaftsleben. Da die Judenfrage als weltanschauliche Frage nur einheitlich geregelt werden kann, ergibt sich die Notwendigkeit, von seiten II 112 Ermittlungen auf dem Gebiete der Wirtschaft in eigener Zuständigkeit anzustellen. Es interessiert II 112 nicht, ob der Jude als Wirtschaftsführer sozial oder unsozial handelt, ob er mit anständigen oder unanständigen Mitteln sein Geld verdient, es interessiert lediglich die Tatsache, wie und wo er sein Geld verdient. Damit ist eine gewisse Abgrenzung der Aufgaben von II 2 und II 112 gegeben. Die Möglichkeiten der Erfassung der Juden in der deutschen Wirtschaft brauchen hier nicht näher gekennzeichnet werden.

b) Da die Entfernung der Juden aus Deutschland nur in Form der zionistischen Auswanderung erfolgreich zu lösen ist, ergibt sich die Notwendigkeit, daß II 112 alle Fragen der Auswanderung und des Transfers bearbeitet, die geeignet sind, die zionistische Auswanderung zu fördern. II112 muß daher selbständig mit dem Reichswirtschaftsministerium und den sonst in Frage kommenden Stellen verhandeln und Vorschläge unterbreiten können. Die Frage der allgemeinen Devisen- und Transferbestimmungen ist dagegen Aufgabe von II 2.

c) Das jüdische Kulturleben muß dagegen ausschließlich von II 112 bearbeitet werden, da es sich um ein rein jüdisches Problem handelt. Bei Berührungspuntken zwischen jüdischem und deutschem Kulturleben ist die engste Zusammenarbeit mit II 2 selbstverständlich.

In der internen Arbeit der Abteilung II 112 wird das Referat Assimilation alle Fragen der Juden in der Wirtschaft bearbeiten. Das Referat Zionisten bearbeitet alle Fragen der Auswanderung und des Transfers. Der Sachbearbeiter für orthodoxe und caritative Verbände des Judentums ist zuständig für alle Fragen des jüdischen Kulturlebens. Damit wird eine Änderung des augenblicklichen Schemas vermieden.

Baum wird geladen...