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Chronik und Quellen
1936
Juni 1936

Juni 1936

Die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit war das zentrale Thema des am 8. Juni eröffneten Internationalen Gemeindekongresses der in Berlin. Am gleichen Tag teilte die Deutsche Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung mit, dass die Zahl der Arbeitslosen im Deutschen Reich erstmals seit 1933 unter 1.500.000 gefallen war. Das war in erster Linie natürlich auf die Aufrüstungsanstrengungen des Deutschen Reiches zurückzuführen. So wies auch Finanzminister Graf Schwerin von Krosigk am 12. Juni darauf hin, dass die deutsche Finanz- und Wirtschaftspolitik die Aufgabe habe, grundlegend zur „Wehrhaftmachung“ Deutschlands beizutragen, weshalb er zugleich größte Sparsamkeit aller „Volksgenossen“ einforderte.

Daneben stand für das Regime als zentrale Aufgabe aber weiterhin die vollständige Durchdringung der Bevölkerung mit der NS-Ideologie, was unter anderem aus einer Rede hervorging, die Reichsleiter Alfred Rosenberg als deren Vorsitzender auf einer vom 14. bis 17. Juni dauernden Tagung der NS-Kulturgemeinde hielt. In ihr äußerte er sich deren zu den kulturellen Aufgaben des Nationalsozialismus und die damit eng verknüpfte Schaffung eines „neuen deutschen Lebensstils“. Es müsse nach der NS-„Revolution“ nunmehr die Gestaltung einer neuen Geschichtsepoche eingeleitet werden, die sich durch eine besondere innere Haltung auszuzeichnen habe. Dazu seien die alten Vorgaben zu überwinden und durch vier NS-„Grundwerte“ zu ersetzen: „Nationale Ehre“, „soziale Gerechtigkeit“, „Schutz des gesunden Blutes“ und Kameradschaft“.

Unter ähnlichen Grundgedanken fand am 6. und 7. Juni in Köln auch die Tagung des Deutschen Reichsbunds der Kinderreichen statt. Hitler-Stellvertreter Heß würdigte vor den 50.000 Teilnehmern die „Opferbereitschaft der kinderreichen Ehepaare für den Erhalt des deutschen Volkes“, obwohl die Geburtenzahl nach großen Zuwächsen von 23,4 (1934) und 5,5 Prozent (1935) im Jahr 1936 mit 1,2 Prozent nur sehr mäßig gestiegen war. Vor diesem Hintergrund kündigte Finanzstaatssekretär Fritz Reinhardt am 16. Juni eine Kinderbeihilfe für kinderreiche Familien an. Ab dem 1. Juli sollten für das fünfte und jedes weitere Kind danach monatlich 10 RM an staatlicher Unterstützung gezahlt werden.

Auch sonst hatte sich künftig alles sehr deutsch und möglichst zugleich nationalsozialistisch geben. Auf Anordnung der Reichsmusikkammer war ab 1. Juni beispielsweise das Führen eines ausländisch klingenden Künstlernamens verboten. Das Annehmen eines Pseudonyms musste künftig von der Reichsmusikkammer genehmigt werden. Zuwiderhandlungen sollten mit Ordnungsstrafen, bei schwereren Fällen mit Berufsverbot geahndet werden. Und seit dem 19. Juni durfte im Reichsgebiet auf Anordnung des Innenministers Juni ausschließlich die Hakenkreuzflagge gehisst werden.

Das alles galt es möglichst genau zu überwachen und etwaige „störende“ Einflüsse auszuschalten. Auch hierzu wurde im Juni 1936 ein wichtiger Schritt getan, als Reichsführer der SS, Heinrich Himmler, am 17. zum Chef der Deutschen Polizei ernannt und die Polizei damit dem staatlichen Einfluss weitgehend entzogen wurde. Insbesondere in der Person Himmlers – nunmehr „Reichsführer der SS und Chef der Deutschen Polizei“ – wurden Partei- und Staatsamt untrennbar miteinander verbunden. Weil sich Himmler seinerseits als SS-Führer ausschließlich gegenüber Hitler zu verantworten hatte, wurde die Polizei zugleich Teil der unmittelbaren Führergewalt. Himmler gestaltete den Polizeiapparat entscheidend um und richtete zwei neue – im Polizeiwesen bis dahin völlig unbekannte – „Hauptämter“ ein: eins für die uniformierte Ordnungspolizei (unter Kurt Daluege) und eins für die Sicherheitspolizei einschließlich der Gestapo (unter Reinhard Heydrich).

Sie konnte auch umgehend aktiv werden, denn als „Vorbeugemaßnahme“ nahm die Gestapo am 22. Juni in Berlin über 800 Antifaschisten in Haft, um zu verhindern, dass die Olympischen Spiele durch Widerstandsaktionen „gestört“ werden könnten.

Auf einem anderen Gebiet der Verfolgung wurden weiterhin unter überaus fragwürdigen Bedingungen Fakten geschaffen: Während des großangelegten Prozesses in Koblenz gegen 276 Franziskanermönche wurde am 24. Juni der „Hauptangeklagte“, Bruder Hermann-Josef, wegen „fortgesetzter widernatürlicher Unzucht“ mit Ordensbrüdern zu einem Jahr und acht Monaten Gefängnis verurteilt.

Für weite Teile der deutschen Bevölkerung dürfte im Juni hingegen ein ganz anderes Ereignis im Mittelpunkt des Interesses gestanden haben: Am 19. Juni besiegte der frühere Boxweltmeister im Schwergewicht Max Schmeling in New York den hochfavorisierten US-Amerikaner Joe Louis. Damit wurde Schmeling, der am 26. Juni aus den USA zurückkehrte, in Deutschland zu einem frenetisch bejubelten Idol. Einen Tag nach seiner Rückkehr wurde er von Hitler persönlich empfangen und danach von der NS-Propaganda als Held aufgebaut, der die Überlegenheit der weißen Rasse versinnbildlichen sollte.

 

Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung

Mit dem „Gesetz zur Änderung des Wehrgesetzes“ erhielt am 26. Juni das Wehrgesetz vom Mai des Vorjahres folgende Fassung: „Ein Jude kann nicht aktiven Wehrdienst leisten, Jüdische Mischlinge können nicht Vorgesetzte in der Wehrmacht werden. Die Dienstleistung der Juden im Kriege bleibt besonderer Regelung vorbehalten.“

Ab dem 29. Juni durften auf Verfügung des Düsseldorfer Oberbürgermeisters Jüdinnen und Juden in städtischen Krankenhäusern nicht mehr auf genommen werden, sondern erhielten dort lediglich eine ambulante Behandlung.

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