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Chronik und Quellen
1938
November 1938

Bericht über Pogrom in Süddeutschland

Am 22. November 1938 verfasste Hans Goslar, früher Ministerialdirektor in Berlin, einen Bericht über den Pogrom in Frankfurt am Main, Berlin, Aschaffenburg, Bayern und Wien, vor allem über Schwierigkeiten bei der Lebensmittelversorgung und den Auswanderungsvorbereitungen:

In Berlin sind nach zuverlässigen Nachrichten die drei jungen Rabbiner Dr. Jospe, Dr. van der Zyl und Swarsensky verhaftet.

In Frankfurt am Main hatte man den Rabbiner der Israelitischen Religionsgemeinschaft Horovitz in die brennende Synagoge an der Friedberger Anlage geschleppt. Lediglich dem Umstande, dass er tschechischer Staatsangehöriger ist und dass sich die tschechische Vertretung sehr energisch für ihn in letzter Minute einsetzte, verdankt er seine Lebensrettung. Aus Aschaffenburg wird zuverlässig von Familienmitgliedern berichtet, dass mindestens ein 65-jähriger Mann totgeschlagen worden ist. Dieser Fall soll keineswegs der einzige in Aschaffenburg gewesen sein.

In Frankfurt am Main besteht immer noch der grauenhafte Zustand, dass selbst für stillende Mütter, werdende Mütter und kleine Kinder keine Milch und keine Lebensmittel zur Verfügung stehen. Die Familien hätten auch keine Mittel, um sie zu beschaffen, da durchschnittlich in jeder Familie die männlichen Mitglieder in die Konzentrationslager verschleppt sind und nicht die geringsten Geldmittel vorhanden sind.

Auf dem flachen Lande in Bayern, insbesondere in Oberfranken, sind überall, selbst in den kleinsten Gemeinden, die männlichen Juden in die Konzentrationslager gebracht worden.

Bisher ist leider in keinem einzigen Falle festzustellen, dass Verhaftete auf Grund beigebrachter Beweise, dass die Auswanderung erfolgen könne, freigelassen worden seien. Es werden vielmehr die unglaublichsten Schikanen und Schwierigkeiten gemacht. In vielen Städten, auch in Frankfurt am Main, ist es unmöglich, sich Passfotos herstellen zu lassen. In anderen Städten wird die Ausstellung der Unbedenklichkeitserklärungen als Grundlage für die Passausfertigung verzögert. Überall scheint die Tendenz zu sein, auch bei feststehendem Ausreisedatum die Menschen nicht freizulassen, sondern als Geiseln zurückzubehalten.

Aus Wien sind Fälle bekannt, wo bereits seit vier Wochen das von der Palästina-Behörde verlangte Einreise-Zertifikat vorliegt, ohne dass Freilassung erfolgt ist. Die Gründe zu dieser Zurückhaltung der Menschen als Geiseln können nur auf politischem Gebiet liegen. Die öfter gehörte Begründung, dass erst die Milliarde bezahlt sein müsse, ist vollkommen hinfällig, weil ja alle Bankguthaben der deutschen Juden längst gesperrt sind und die Behörde deshalb völlig in der Hand hat, im Giralwege einfach die Überschreibungen auf die Reichsbank zu vollziehen. Kein Jude hat mehr die Verfügungsgewalt über irgendwelche Summen.

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