August 1938
Am 5. August eröffnete Propagandaminister Joseph Goebbels in Berlin unter dem Motto „Wir wollen das stärkste Rundfunkland der Welt werden“, die 15. Große Deutsche Rundfunkausstellung. Neben der Entwicklung von Autoradios kündigte Goebbels bei dieser Gelegenheit die Einführung eines Kleinempfängers für 35 Reichsmark an, von dem künftig jährlich 700.000 Stück produziert werde sollten. Um dessen Attraktivität in der Bevölkerung zu erhöhen, war er bei einer Anzahlung von 5 RM in 13 Monatsraten von jeweils 2,30 RM zu erwerben. Vier Tage später äußerte sich Reichsintendant Glasmeier im Rahmen der Funkausstellung zur Programmgestaltung des Rundfunks. Es komme dabei, so die Hauptaussage, darauf an, dass dessen „Grundhaltung“ eine nationalsozialistische sei.
Politisch dominierte weiterhin die Sudetenfrage. Am 10. August bekräftigte Hitler gegenüber der deutschen Generalität im internen Kreis erneut seine Entschlossenheit zur Zerschlagung der Tschechoslowakei, während sich die Lage im Sudetenland weiterhin zuspitzte. Am 15. August begannen – sicherlich nicht zur allgemeinen Beruhigung – in sämtlichen Wehrbezirken des Reichsgebiets Herbstmanöver, deren Ausmaß im Ausland als deutliche Demonstration deutscher militärischer Stärke verstanden wurde. Immerhin war die Wehrmacht bis Ende 1937 bereits auf 590.000 Mann angewachsen. Außerdem wurden die deutschen KdF-Schiffe, unter ihnen auch die „Wilhelm Gustloff“, am 26. August in die Herbstmanöver der Kriegsmarine in der Nordsee einbezogen. Am 26. August schließlich verkündete die Sudetendeutsche Partei Konrad Henleins wegen angeblicher fortdauernder „Überfälle auf unsere Kameraden und Angehörige der Volksgruppe“ dann das „sudetendeutsche Notwehrrecht“.
Innenpolitisch setzte das NS-Regime weiterhin auf imposante Demonstrationen seiner Stabilität und Leistungsfähigkeit, um zugleich seine Stellung weiterhin abzusichern. So wurde am 2. August mit einer Kundgebung vor fast 5.000 Arbeitern in der Berliner Deutschlandhalle das Richtfest für den vom Architekten Albert Speer entworfenen gigantischen Neubau der Reichskanzlei begangen. Der Monumentalbau, der Deutschlands Größe und Hitlers Macht symbolisieren soll, hat eine Länge von 420 Metern. Am 17. August unterzeichnete Hitler dann einen Befehl über die künftige Stellung der bewaffneten SS-Verbände, die dadurch zu einer stehenden bewaffneten, ihm ständig verfügbaren Truppe erklärt wurden. Die SS-Einheiten waren dabei vorrangig für „Sonderaufgaben politischer Natur“ innerhalb des Reichsgebiets vorgesehen. In diesen Kontext passte es auch, dass am 8. August im oberösterreichischen Mauthausen mit dem Bau eines weiteren Konzentrationslagers begonnen wurde.
Zum Monatsbeginn startete im Reichsgebiet die Sparaktion für den KdF-Wagen. Die wöchentliche Mindestrate für das 990 RM teure Auto betrug 5 RM. Für die von DAF-Leiter Robert Ley garantierte Lieferung des „Volkswagens“ sollte eine Ansparhöhe von 750 RM gelten.
In einem Hirtenbrief protestierte die Fuldaer Bischofskonferenz am 19. August gegen die gegenüber Kirche und Christentum betriebene Hetze im Reichsgebiet. Dabei wurden Beleidigungen des Papstes ebenso beklagt wie Behinderungen der Kirchenarbeit und die Verdrängung des Katholizismus aus Schule und Familie. Der Protest fand großen Widerhall – auch im Ausland. So schrieb die „Baseler Nationalzeitung“, es handele sich um die bisher „schärfste Verurteilung der nationalsozialistischen Ideologie“ aus Kirchenkreisen.
Weniger lautstark wurde offensichtlich auf weitere antisemitische Maßnahmen reagiert. Das Kammergericht Berlin entschied am 8. August, dass deutsche Kinder keine jüdischen Vornamen mehr erhalten durften. Eine gesetzliche Regelung stand zwar noch aus, aber Namen wie Abraham, Samuel oder Judith und Esther waren künftig für „arische“ deutsche Kinder tabu. Im Gegenzug bestimmte eine Verordnung von Innenminister Wilhelm Frick vom 17. August, dass Juden, die keinen als jüdisch erkennbaren Namen wie Isaak, Isidor oder Mosche trugen, ab Jahresbeginn 1939 zusätzlich den Namen Israel (für männliche) und Sara (für weibliche Personen) annehmen mussten.
Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung
Auch im August setzte sich das Bestreben der NS-Rassenideologen fort, alles, was an die jüdische Bevölkerung und ihre Kultur erinnern könnte, aus dem öffentlichen Leben zu entfernen. Am 10. August setzte man in dieser Hinsicht in Nürnberg, der „Stadt der Reichsparteitage“, ein besonders markantes Zeichen. Auf Initiative des extrem antisemitischen Gauleiters Julius Streicher begann an diesem Tag nach Bewilligung des Stadtrats und im Rahmen einer öffentlichen Massenkundgebung der Abriss der Hauptsynagoge und des angrenzenden Gemeindehauses. Dieser Akt, zu dessen Anlass Streicher auf den Hans-Sachs-Platz vor großem Publikum sprach, stellte eine Art symbolischen und staatlich sanktionierten Auftakt zu einer neuen Phase in der Radikalisierung der Judenpolitik dar.
Diesem Zeichen der Ausgrenzung folgte genau eine Woche später ein zweites, nicht minder schmerzhaftes und die Betroffenen extrem verletzendes: Am 17. August wurde die „Zweite Durchführungsverordnung zum Gesetz über die Änderung von Familiennamen und Vornamen“ in Kraft gesetzt, wonach alle Jüdinnen und Juden in Deutschland verpflichtet wurden, ab dem 1. Januar 1939 ihren Namen die Zwangsvornamen „Sara“ und „Israel“ hinzuzufügen. Diese erzwungenen Namensergänzungen waren beim Standesamt und im Telefonbuch einzutragen und auch im offiziellen Schriftverkehr stets anzugeben.
Wiederum eine Woche später wurden insbesondere für Angehörige der jüngeren jüdischen Generation auch letzte verbliebene Möglichkeiten der Freizeitgestaltung dauerhaft versperrt. Am 24. August erließ die Gestapo – wie es hieß, im Einvernehmen mit dem Reichssportamt – Richtlinien für die künftige Betätigung jüdischer Sportvereine, die deren Entrechtung in eine neue Dimension führte. Sie wurden nicht nur endgültig und nunmehr vollständig entmündigt und unter die Kontrolle der Gestapo gestellt, sondern ihnen wurde auch die Möglichkeit zur sportlichen Betätigung genommen. „Jede Berührung zwischen jüdischen und deutschen Sportlern oder deutschem Publikum ist zu verhindern“, hieß es, wobei zugleich angeregt wurde, dass eine Errichtung besonderer jüdischer Sportplätze der Vermietung öffentlicher Sportplätze vorzuziehen sei – wohlwissend, wie illusorisch das war.