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Chronik und Quellen
1934
März 1934

Schreiben des Reichsbunds jüdischer Frontsoldaten an Reichspräsident Hindenburg

Der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten protestiert bei Reichspräsident Hindenburg am 23. März 1934 gegen den Ausschluss jüdischer Soldaten aus der Wehrmacht:

Hochverehrter Herr Reichspräsident und Generalfeldmarschall!

Euer Exzellenz bitte ich gehorsamst anlässlich der Verfügung, die das Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 in der Reichswehr zur Durchführung bringt und damit unsere junge jüdische Generation vom Waffendienste ausschliesst, namens der alten jüdischen Soldaten folgendes vortragen zu dürfen:

Der von mir geführte Reichsbund jüdischer Frontsoldaten vertritt den Standpunkt, dass die seit Generationen mit ihrer deutschen Heimat verwurzelten deutschen Juden immer ihrer Pflicht und ihres Rechtes an dieser uns angestammten deutschen Heimat eingedenk zu sein haben. Das bedeutet auch für uns eine ehrenhafte Eingliederung in den nationalsozialistischen deutschen Staat. Eine solche halten wir für möglich, auch im Rahmen der nationalsozialistischen Gesetzgebung. Wir halten diese ehrenhafte Befriedung und Eingliederung nicht nur für uns für lebenswichtig, sondern auch für Deutschland und seine Stärkung im Innern und nach aussen.

Wir sind aber auch der Ansicht, dass keine Gemeinschaft auf die Dauer verträgt, losgelöst zu werden von der höchsten Pflicht und dem höchsten Recht an der angestammten Heimat, nämlich der Erziehung zur Wehrhaftigkeit und der Bereitschaft, alles für sie einzusetzen. Das gilt für uns deutsche Juden genau so wie für jedes andere Glied der deutschen Nation. Ohne diese wehrhafte Erziehung würde unsere junge Generation verkümmern müssen. Deutschland muss aber wünschen, dass jede Gemeinschaft auf seinem Boden nicht verkümmert, sondern dass ihre sittlichen Kräfte zu grösstmöglicher Leistung für unsere deutsche Heimat entwickelt werden.

Wir deutschen Juden sind zur Erfüllung dieser Ehrenpflicht des Waffendienstes berufen worden, seitdem es in Deutschland eine allgemeine Dienstpflicht, ein allgemeines Volksheer gab, seit den Befreiungskriegen. Wir haben uns in der Erfüllung dieser Ehrenpflicht immer bewährt, und ich greife aus alledem, was diese Behauptung bezeugt, nur ein einziges Zeugnis hier heraus:

In einer ausführlichen Denkschrift des preussischen Ministers des Innern vom Jahre 1847 über die Militärpflicht der Juden, die damals dem vereinigten Landtage vorgelegt wurde, heisst es in Zusammenfassung der Berichte der einzelnen Generalkommandos der Preussischen Armee über die Juden in den Befreiungskriegen:

„Fasst man den Inhalt dieser Ermittlungen zusammen, so darf man es als erfahrungsmässiges Resultat annehmen, dass die Juden des Preussischen Heeres von den Soldaten der christlichen Bevölkerung im allgemeinen nicht erkennbar unterschieden sind, dass sie im Kriege gleich den übrigen Preussen sich bewährt, im Frieden den übrigen Truppen nicht nachgestanden haben; dass ferner insbesondere die jüdischen Religionsverhältnisse nirgends als ein Hindernis beim Kriegsdienste hervorgetreten sind.“

Auch im Weltkriege haben die deutschen Juden 100 000 Mann zum Heeresdienst gestellt. Es sind mindestens 12.000 gefallen, von denen wir in unserem Gedenkbuch 10.275 Namen noch ein Jahrzehnt nach Kriegsschluss so reproduzieren konnten, dass sie jederzeit im Zentralnachweiseamt in Spandau in den von uns angegebenen Verlustlisten nachgeprüft werden können. Man kann sagen, dass die deutschen Juden im Weltkriege dieselbe Gefallenenziffer aufwiesen wie die soziale, wirtschaftliche u.s.w. Umgebung, der sie angehörten. Es muss hier auch verwiesen werden auf die kriegstechnischen und sonstigen Leistungen der deutschen Juden für die Kriegsführung, bei denen sie auch auf eine recht erhebliche Leistung sich berufen dürften. Es ist daher wohl auch die Behauptung gerechtfertigt, dass auch vom rein militärischen Standpunkt aus eine Ausschaltung der deutschen Juden aus der allgemeinen Pflicht an der Wehrmacht die militärische Kraft Deutschlands schwächen würde.

Wir alten jüdischen Soldaten erheben daher Einspruch gegen den Ausschluss unserer jungen jüdischen Generation vom Dienst in der deutschen Wehrmacht, der höchsten Ehrenpflicht und des höchsten Ehrenrechtes für unsere angestammte deutsche Heimat, gegen den Ausschluss, der die Diffamierung unserer Jugend und damit auch unserer Waffenehre bedeutet.

Indem ich Euer Exzellenz bitte, die Versicherung meiner und meiner Kameraden unbegrenzten Verehrung und Dankbarkeit sowie das Euer Exzellenz wiederholt mündlich und schriftlich geleistete Gelöbnis unbeirrbarer Treue zu Reich und Heimat auch heute geneigtest entgegennehmen zu wollen, verbleibe ich Euer Exzellenz gehorsamster

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