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Chronik und Quellen
1933
April 1933

Schreiben von Kardinal Faulhaber (München) an Alois Wurm (München)

Kardinal Faulhaber schreibt am 8. April 1933 an Alois Wurm über dessen Protest gegen die Judenverfolgung:

Verehrter Herr Doktor!

Ihre Epistel über das Presse-Elend der Gegenwart hätten Sie an eine andere Adresse richten müssen. Der beiliegende Zeitungsartikel, den ich anbei wieder zurückgebe, wäre wohl aufgenommen worden, wenn Sie ihn mit Ihrem Namen gezeichnet, also ganz auf Ihre Verantwortung genommen hätten.[1] Ich nehme an, daß in der nächsten Nummer der „Seele“ ein flammender Protest gegen die Judenverfolgung unter Ihrem Namen erscheint, und noch mehr würde der Presse der Mut wachsen, wenn es einen einzigen gäbe, der den Mut besäße, einen solchen Protest als Flugblatt mit seinem Namen drucken zu lassen und auf der Straße zu verteilen.

Dieses Vorgehen gegen die Juden ist derart unchristlich, daß jeder Christ, nicht bloß jeder Priester, dagegen auftreten müßte. Für die kirchlichen Oberbehörden bestehen weit wichtigere Gegenwartsfragen; denn Schule, der Weiterbestand der katholischen Vereine, Sterilisierung sind für das Christentum in unserer Heimat noch wichtiger, zumal man annehmen darf, und zum Teil schon erlebte, daß die Juden sich selber helfen können, daß wir also keinen Grund haben, der Regierung einen Grund zu geben, um die Judenhetze in eine Jesuitenhetze umzubiegen. Ich bekomme von verschiedenen Seiten die Anfrage, warum die Kirche nichts gegen die Judenverfolgung tue. Ich bin darüber befremdet; denn bei einer Hetze gegen Katholiken oder gegen den Bischof hat kein Mensch gefragt, was man gegen diese Hetze tun könne. Das ist und bleibt das Geheimnis der Passion.

Mit ergebenem Gruß

Fußnoten

[1] Wurm hatte vergeblich versucht, in einer (nicht ermittelten) großen katholischen Zeitung einen kritischen Artikel zum antijüdischen Boykott zu veröffentlichen. In einem Brief an Faulhaber hatte er am 5.4.1933 beklagt, dass keine katholische Zeitung bisher gegen die Judenverfolgung Stellung bezogen habe. Das „katholische Volk“ bleibe somit „ohne katholische Orientierung“ in dieser Frage, was „sehr vielen als katholisches Versagen“ erscheine.

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