Die Gestapo Aachen berichtet
Die Gestapo Aachen berichtete über den Monat November 1934:
„Auf dem Gebiete der Kulturpolitik stehen z. Zt. die Auseinandersetzungen über Rosenbergs "Mythos" im Mittelpunkt des Interesses der hier überwiegend katholischen Bevölkerung. Ich verweise auf das bereits unter Kirchenpolitik Gesagte. Während die Gegner der Bewegung mit allen Mitteln versuchen, dem Volk ihre Gedankengänge einzuimpfen, unterlässt es die parteiamtliche Presse leider allzu oft, die Ideen der Bewegung in sachgemässen Ausführungen hervorzuheben. Ich bin der Überzeugung, dass weiteste Kreise der Bevölkerung über die Grundideen des Nationalsozialismus völlig im Unklaren sind und es oft nicht verstehen, dass z. B. die Judenfrage in Deutschland geregelt werden muss. Während die parteiamtlichen Zeitungen oft schlagzeilenartig Propaganda gegen das Judentum und irgendwelche Auswüchse des Judentums auf wirtschaftlichem Gebiet enthalten, ist selten eine gute Abhandlung über die Notwendigkeit der Reinhaltung des deutschen Menschen in rassischer Hinsicht zu finden. Eine volkstümliche kulturpolitische Schulung durch Vorträge oder Presse durch Fachleute würde unbedingt dazu beitragen, für die Weltanschauungsfragen des Nationalsozialismus mehr Verständnis zu erwecken. Es besteht allerdings im hiesigen Bezirk leicht die Gefahr, dass alles, was mit deutschem Volkstum und Germanentum zusammenhängt, ohne weiteres mit religiösen Fragen verquickt und als getarntes Neuheidentum in weniger gebildeten Kreisen abgelehnt wird.“
„Die jüdische Vereinstätigkeit ist nach wie vor überaus rege. Auffällig ist, dass sich in den jüdischen Gemeinden des Bezirks die Gegensätze zwischen Zionisten, deutsch-jüdischen Mitgliedern und dem Nationalverband deutscher Juden nach der Machtübernahme erheblich verstärkt haben. Daher kommt es auch, dass jede dieser Richtungen ihre eigenen Vereine hat, die nunmehr nebeneinander sehr häufig tagen. In einigen Kreisen des Bezirks wird immer wieder der Versuch gemacht, durch Anbringung von Transparenten zum Boykott gegen das Judentum aufzufordern. Abgesehen von den Anweisungen der Zentralstellen, dass dieser Boykott zu unterbleiben hat, wirkt er sich im hiesigen Grenzgebiet insofern besonders nachteilig aus, als er der Hetze im benachbarten Auslande immer wieder frische Nahrung zuführt. Weitere Klagen gehen z. B. dahin, dass die Metzger-Innung in Düren ihren Mitgliedern bei Strafe des Ausschlusses den Einkauf bei jüdischen Händlern aufs strengste untersagt habe. Endlich sollen an verschiedene Stellen dahingehende Warnungen ergangen sein, dass derjenige, der noch bei Juden kaufe, vom Winterhilfswerk ausgeschlossen würde. Die zum Teil alteingesessene jüdische Bevölkerung des Bezirks wehrt sich hiergegen um so nachdrücklicher, als sie sich am Winterhilfswerk mit namhaften Beträgen beteiligt haben will. In einem Falle, in welchem sich ein früheres Mitglied des Jungdeutschen Ordens insbesondere aus aussenpolitischen Erwägungen gegen die Anbringung von Juden-Boykott-Transparenten in einem Brief an seinen Bürgermeister wandte, ist dieser Brief zur Kenntnis der Kreisleitung gekommen und in der massgeblichen Tageszeitung der Bewegung veröffentlicht und kommentiert worden. Aus dieser hat ihn auszugsweise dann "Der Stürmer" übernommen. Auf ihn dürfte es auch zurückzuführen sein, wenn das Haus des Briefschreibers mit David-Stern und Worten wie "Juden-Knecht" in Ölfarbe bemalt worden ist.“