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Chronik und Quellen
1934
Februar 1934

Die Gestapo Aachen berichtet

Die Gestapo Aachen berichtete über den Monat Februar 1934:

„Jüdische Vereine.

Bemerkenswerte Erscheinungen innerhalb des Judentums sind im Bereich der Staatspolizeistelle nicht beobachtet worden.

Zu den wichtigsten jüdischen Organisationen und Vereinen im hiesigen Bezirk gehören:

1. Zentralverein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens,
2. Reichsbund jüdischer Frontsoldaten,
3. Zionistische Bewegung.

Außer den angeführten Vereinigungen bestehen noch einige religiöse, caritative und Jugendverbände sowie die jüdische Westmark-Loge, die sich bisher jedoch in irgend einer besonderen Weise nicht betätigt haben.

Der Reichsbund jüdischer Frontsoldaten entwickelte in verschiedenen Gegenden des Bezirks eine rege Versammlungstätigkeit, die den Landrat in Jülich veranlasste, seine Versammlungen einzuschränken.

In der Stadt Aachen hat im Gegensatz zu den zahlreichen Veranstaltungen der jüdischen Vereine im Monat Januar im Monat Februar nur eine Versammlung des Reichbundes jüdischer Frontsoldaten stattgefunden, an der etwa 250 Personen teilnahmen. Als Redner trat ein Dr. Fränkel aus Berlin auf, der folgende Ausführungen machte:

Etwa 12.000 Juden seien als Frontsoldaten vor dem Feinde gefallen. Diese Opfer seien von den deutschen Juden gerne gebracht worden, weil sie sich mit dem deutschen Volke eng verbunden fühlten. Sie seien aber zwecklos gewesen, wenn die deutschen Juden jetzt von ihrer deutschen Gesinnung abgehen würden. Das gegenwärtige Schicksal der deutschen Juden sei schwer, aber man wolle zusammenhalten und unter Beachtung der bestehenden Gesetze für die Rechte des jüdischen Volkes in Deutschland eintreten. Vor allem wolle man gegen das ankämpfen, was ausserhalb der bestehenden Gesetze gegen die deutschen Juden unternommen werde. Der Redner wies darauf hin, dass es in der freien Wirtschaft keine Rasseunterschiede gebe. Obwohl Reichsminister Seldte und Ministerpräsident Göring wiederholt darauf hingewiesen hätten, dass der Arierparagraph in der freien Wirtschaft keine Anwendung finden solle, gebe es immer noch Stellen, die diese Bestimmung umgingen, und keinen Juden in Arbeit nähmen. Sodann wies der Redner darauf hin, dass das Judentum in Deutschland hervorragende Wirtschaftsführer und Wissenschaftler, wie Albert Ballin, Weinberg und Rathenau hervorgebracht habe. Weiter wandte er sich gegen den in den nationalsozialistischen Zeitungen zitierten "jüdischen Geist". In der deutschen Wirtschaft gebe es keinen "jüdischen Geist". Begrüssenswert sei, dass die Regierung den Schiebergeist bekämpft. Dieser Kampf dürfe aber nicht so ausgelegt werden, dass von einigen Stellen systematisch das in jüdischen Händen befindliche Kapital zerschlagen werde. Auch das jüdische Kapital sei ein Bestandteil des deutschen Volksvermögens. Wenn es vernichtet werde, so führe dies genau so zu Arbeitslosigkeit und Steuerausfällen, als wenn anderes deutsche Kapital ausfalle.

In seinen weiteren Ausführungen befasst sich der Redner hauptsächlich mit dem Schicksal der jüdischen Jugend in Deutschland. Die höheren Berufe seien der jüdischen Jugend verschlossen. Sie müsse daher wieder zurück zum kleinen Handwerker und Geschäftsmann. Mit dieser Umstellung müsse auch die geistige und seelische Umstellung der jüdischen Jugend Hand in Hand gehen.

Die in Aachen bestehenden jüdischen Jugendverbände sind an die Ortspolizeibehörde mit der Bitte herangetreten, ihnen das Auftreten in einheitlicher Kluft zu genehmigen. Zur Begründung ihres Antrages berufen sie sich darauf, dass der Jugendführer des deutschen Reiches den jüdischen Jugendverbänden und Vereinen, soweit diese dem Reichsausschuss der jüdischen Jugendverbände e.V. angehören, das Tragen einheitlicher Tracht gestattet habe. Auf meinen einschlägigen Bericht vom 1.3.34 nehme ich Bezug.

Sonst verhalten sich die Juden durchweg sehr zurückhaltend. Soweit sie noch Geselligkeit pflegen, ziehen sie sich fast ganz aus der Öffentlichkeit zurück. Insbesondere meiden sie bei geselligen Zusammenkünften öffentliche Lokale, wo sie unter Umständen Belästigungen befürchten, kommen vielmehr privat zusammen. An manchen Stellen ist ein Rückgang der Käufer in jüdischen Kaufhäusern, besonders in der Konfektionsbranche, aber auch in Einzelgeschäften zu verzeichnen.“

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