Menü
Chronik und Quellen
1943
September 1943

September 1943

Am 3. September landeten britische Truppen in Italien, denen sechs Tage später amerikanische Verbände folgten. Mit diesem Ereignis begann die Invasion der Alliierten auf dem europäischen Festland. Ebenfalls am 3. unterzeichnete Italien einen Waffenstillstandsvertrag, der fünf Tage später veröffentlicht wurde. Als Reaktion auf die italienische Kapitulation besetzten Wehrmachtstruppen am 10. September Rom und sämtliche Alpenpässe an den Grenzen zu Frankreich und zum Reichsgebiet. Auch sonst entfaltete die deutsche Seite in Italien erhebliche Aktivitäten: Am 12. September befreite eine deutsche Fallschirmjägereinheit den im Gran Sasso-Massiv gefangengehaltenen Benito Mussolini, der drei Tage später in Saló am Gardasee eine republikanisch-faschistische italienische Gegenregierung etablierte. Bereits am 13. September waren deutsche Panzerverbände zu einer – allerdings erfolglosen - Offensive gegen den alliierten Brückenkopf bei Salerno angetreten. Außerdem musste die deutsche Seite am 17. des Monats damit beginnen, auch Sardinien zu räumen. Bei all diesen Niederlagen und Rückzügen erwiesen sich die deutschen Verbände als rücksichtlose und brutale Verlierer. So ermordeten sie am 21. September auf der griechischen Insel Kefallinia 4.000 italienische Kriegsgefangene, die mit der Waffe in der Hand gefangengenommen worden waren. In Neapel erfolgten von deutscher Seite sadistische Massenerschießungen vor.

Der Sicherheitsdienst der SS meldete am 16. September mit Blick auf die Ereignisse in Italien, die deutsche Bevölkerung sei „aus ihrer Lethargie herausgerissen“ worden und zeige nun „eine schon lange nicht mehr gesehene Zuversicht“. Grund dafür sei „die Art und Weise, wie die zunächst als kritisch angesehene Situation von der deutschen Führung gemeistert“ worden sei, weil man darin ein „Zeichen für die deutsche Wendigkeit und Stärke“ erblicke, wodurch wiederum auf eine „ungeschwächte Schlagkraft“ der Wehrmacht geschlossen würde. Andererseits realisierte die Bevölkerung nur zu deutlich, „dass Deutschland in Europa praktisch allein dastehe“, und es nunmehr zwei Fronten gebe, wobei die eskalierende Bedrohung aus der Luft „sogar als dritte Front angesehen werden“ könne. Zur angesichts der realen Lage überraschend anmutenden Siegeszuversicht der Deutschen hatte nach den Erkenntnissen des Sicherheitsdienstes auch der Coup der Befreiung Mussolinis beigetragen.

An der Ostfront begann am 7. September die drei Tage zuvor von Hitler angeordnete Räumung des lange umkämpften Kuban-Brückenkopfes. Bereits einen Tag später mussten mit Stalino (Donezk) und dem Donezbecken weitere wichtige Stellungen aufgegeben werden. Am 21. des Monats konnte die Rote Armee beiderseits der Pripjet-Mündung in 80 km Breite den Übergang über den Dnjepr und damit einen tiefen Einbruch in die noch kaum ausgebaute deutsche „Panther-Stellung“ erzwingen. Wiederum drei Tage später musste die deutsche Heeresgruppe Mitte Smolensk aufgeben. Am 26. September schließlich trat die Rote Armee zu einer Großoffensive gegen die 6. deutsche Armee an.

An der „Heimatfront“ wurde die Bevölkerung auch im September durch ständige Alarme und zahlreiche, immer schwerer werdende Luftangriffe weiter in Atem und Aufregung gehalten. In der Nacht zum 4. September wurde Berlin angegriffen, zwei Tage später Mannheim und Ludwigshafen, wobei mehr als 2.000 Menschen den Tod fanden. Wiederum einen Tag später folgte München, in der Nacht zum 11. September Düsseldorf. Danach gab es zumindest hinsichtlich der schweren Bombardements eine kurze Phase relativer Ruhe, bis am 23. September Hannover angegriffen wurde, tags darauf erneut Mannheim und Ludwigshafen, während Hannover – und außerdem Braunschweig - am 28. September vom zweiten Angriff des Monats getroffen wurden. In der Nacht zum 30. September bombardierten britische Flugzeuge dann schließlich noch Bochum.

Auf Anordnung Hitlers wurde am 2. September die Kompetenzen von Albert Speer als Reichsminister für Bewaffnung und Munition erheblich erweitert und damit der Konzentrationsprozess der deutschen Kriegswirtschaft fortgesetzt. Künftig konnten nun auch Kleinbetriebe in den Rüstungsprozess eingebunden werden, weil jegliche für den zivilen Bereich „nicht unumgänglich notwendige Produktion“ gedrosselt werden sollte.

Das NS-Regime setzte weiterhin und immer stärker auf Abschreckung. So wurden am 4. September in Hamburg zwei Personen wegen Plünderns in bombengeschädigten Häusern zum Tode verurteilt. Zugleich wurden von der Bevölkerung immer neue Abgaben erwartet. So soll der erste „Opfersonntag“ des deutschen Kriegswinterhilfswerks 1943 am 12. September nach offiziellen Angaben mehr als 55 Millionen Reichsmark eingebracht haben.

Allerdings registrierten die Verantwortlichen genau, dass zur Ablenkung Unterhaltung immer wichtiger wurde. Am 13. September etwa hob Heinz Drewes, Leiter der Abteilung Musik im Reichspropagandaministerium, die große Bedeutung der Aufrechterhaltung des Musiklebens gerade in bombengeschädigten Gebieten hervor.

Auch die Parteiführung sorgte sich zunehmend um die Stimmung an der Basis. Am 16. September forderte sie daher die NSDAP-Mitglieder zu mehr Linientreue auf und drohte ihnen für die etwaige Duldung gegnerischer Äußerungen, das Nichttragen des Parteiabzeichens und das Unterlassen des Hitlergrußes den Parteiausschluss an.

Dennoch gab es weiterhin auch – wenige – kritische Stimmen. Am 26. September verurteilten die katholischen Bischöfe in einem Hirtenbrief die vom NS-Regime unter dem Deckmantel des Krieges weiterhin betriebene „Euthanasie“, indem sie „das Recht des Menschen auf Leib und Leben“ betonten. Es hieß deutlich und unverblümt: „Tötung ist in sich schlecht, auch wenn sie angeblich im Interesse des Gemeinwohls verübt wurde.“

 

Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung

Die letzte große Razzia der deutschen Polizei in den Niederlanden konzentrierte sich im September 1943 auf die sich noch in Amsterdam lebenden Jüdinnen und Juden. Mit dem allerletzten Transport nach Auschwitz musste dann auch Anne Frank mit ihrer Familie Anfang des Monats die Niederlande verlassen. Bis Kriegsende wurden 107.000 Juden aus den Niederlanden deportiert, von denen lediglich etwas mehr als 5.000 überlebten.

Baum wird geladen...