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Chronik und Quellen
1941
Oktober 1941

Generalkonsul von Weiss berichtet aus Köln

„Was die Verschickung der Juden nach dem Osten betrifft, möchte ich nicht verfehlen, Ihnen noch folgendes zu berichten: Die Juden, welche für den Transport von letztem Mittwoch, den 22. Oktober, aufgeboten worden waren, konnten nicht alle mitgenommen werden. Nur diejenigen bis zum Buchstaben S wurden nach Litzmannstadt abtransportiert. Die anderen wurden wieder nach Hause zurückgeschickt mit dem Befehl, sich für den nächsten Transport bereit zu halten. Der Bahnhof von Köln-Deutz, von wo aus die Abfahrt stattfand, war in weitem Umkreise von der Gestapo abgesperrt worden. Hier spielten sich an diesem Morgen die traurigsten Szenen ab. Nur ein Bruchteil der abfahrenden Juden konnte ihr auf 50 kg begrenztes Gepäck mitnehmen, viele unter ihnen mussten ihre Habe zurücklassen. Vor der Abfahrt wurden die Züge noch von SS- und Gestapo-Leuten mit entsicherten Revolvern durchsucht. Zwei Frauen, die Veronal eingenommen hatten, starben, bevor die Züge wegfuhren. Wie ich von zuverlässiger Seite höre, haben sich in den Tagen, die diesem 22. Oktober vorangingen, 37 Juden das Leben genommen. So sollen u. a. in einem einzigen Hause sieben Selbstmorde stattgefunden haben. Die Witwe eines früheren hochangesehenen Chefarztes des Israelitischen Asyls, eines der bekanntesten Krankenhäuser der hiesigen Gegend, nahm sich das Leben, indem sie sich aus ihrer im dritten Stock befindlichen Wohnung stürzte. Eine weitere Frau übte mit zwei Kindern auf gleiche Weise Selbstmord aus. Am Bahnhofe sangen die SS- und SA-Leute verschiedene Lieder mit Anspielungen darauf, dass die Juden über das Rote Meer getrieben werden. Arier, die diesem Schauspiel beigewohnt hatten, betrachteten dies als große Geschmacklosigkeit.

Alle abfahrenden Juden mussten vor ihrer Abreise eine Erklärung unterschreiben, wonach sie Zugaben, staatsfeindlich gesinnt zu sein, und womit sie auf ihr Gesamtvermögen verzichteten. Vor der Machtübernahme durch die NSDAP lebten in Köln etwas über 16.500 Juden. Heute befinden sich nur noch ca. 5000 Juden in dieser Stadt. Im Auftrage der Staatspolizei erhielten diese Juden vorgestern durch die Synagogen-Gemeinde ein Zirkular des Inhalts, dass in Zukunft nicht mehr 50 kg, sondern nur noch 25 kg Gepäck mitgenommen werden dürften. Der von ihnen mitgeführte kleine Rucksack habe nur Reiseproviant zu enthalten. Wie mir ein hoher städtischer Beamter soeben mitteilte, sind heute wiederum 500 Juden nach Litzmannstadt abtransportiert worden und weitere Transporte werden nachfolgen. Die Stadt Köln soll bis Ende dieses Jahres als judenfrei erklärt werden können. Dass den Juden vor ihrer Abreise unter Androhung schwerster Strafen verboten worden ist, irgendetwas aus ihrem Besitz, wie Möbel, Schmucksachen, usw., zu verkaufen, ist selbstverständlich.

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