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Chronik und Quellen
1936
Februar 1936

Februar 1936: Die Gestapo Köln berichtet für den Regierungsbezirk Köln

"Die Ermordung des Landesleiters der NSDAP Gustloff durch den Juden Frankfurter hatte unter den Juden eine recht erhebliche Bestürzung hervorgerufen. Tagelang waren kaum noch Juden in der Öffentlichkeit zu sehen. Sie hielten sich vorwiegend in ihren Wohnung[en] auf. Mit dem Verbot aller Veranstaltungen des jüd. Kulturbundes trat eine weitere Zurückhaltung und Deprimierung ein. Um evtl. Ruhestörungen und Ausschreitungen gegen Juden durch Andersdenkende, bei denen sich wegen des feigen Mordes an Gustloff Erbitterung hatte breit machen können, zu verhüten, wurden Anträge nichtzionistischer Organisationen in geeigneter Weise ablehnend beschieden. Zu Ausschreitungen gegen Juden ist es nicht gekommen. Lediglich am 15.2.1936 erschienen 7-8 Personen in der jüdischen Gaststätte „Gemeindehaus“, die stark mit Juden besetzt war, und brannten Feuerwerkskörper ab. Die hierdurch verursachten Detonationen riefen unter den Gästen Bestürzung und Schrecken hervor. Es ist bisher nicht gelungen, die Täter zu ermitteln, da diese sofort die Flucht ergriffen. Die durch diese Umstände aufgetretene Nervosität der Juden scheint sich jedoch in den letzten Tagen wieder gelegt zu haben. Vereinzelt stellen die verschiedenen Organisationen wieder Anträge zur Abhaltung von Monatsversammlungen, die in begrenzter Zahl ihre Genehmigung finden.

Die Versammlungen und Vortragsabende der „Zionistischen Vereinigung“ wiesen in der Zeit von Oktober 1935 bis Januar 1936 einen merklichen Rückgang der Besucherzahl auf.

Seit Abschluß des 25. Delegiertentages der „Zionistischen Vereinigung für Deutschland“ vom 2. bis 4.2.1936 in Berlin, ruft die „Kölner Vereinigung“ zu neuen Werbevorträgen auf.

Anläßlich eines Vortrages des Zionisten Kaleko-Berlin über „Jüdisches Denken“ und den „Sinn des Hebräischen in Palästina“, wurden etwa 600-700 Zuhörer gezählt. Mehr Personen faßte dieser Saal nicht. Ein großer Teil der erschienenen Personen mußte den Rückweg antreten, da der Saal bereits überfüllt war. Da die jüdische Bevölkerungsziffer auf etwa 1700 bis 1800 geschätzt werden kann, zeigt dieser Besuch, daß sich auch jetzt Juden für den Zionismus interessieren, die früher dieser Richtung ferngestanden haben.

Am 9. März 1936 spricht hier der bekannte zionistische Redner Rabbiner Dr. Prinz-Berlin. Für diesen Vortrag ist die Synagogengemeinde in der Roonstraße vorgesehen. Es ist mit einer Besucherzahl von über 2000 Personen zu rechnen. Hieran nehmen auch Juden aus Bonn und Umgebung teil.

Die Umschulung jugendlicher Juden im jüdischen Umschulungslager in Urfeld wird rege fortgesetzt. Als unliebsame Härte werden von Juden die Einwanderungseinschränkungsmaßnahmen seitens der Reichsregierung besprochen. Jungen Zionisten, die von hier aus vorübergehend in Umschulungslagern in Holland untergebracht und bis zur Zuweisung eines Zertifikats das Reichsgebiet wieder aufgesucht haben, seien Aufenthaltsbeschränkungen auferlegt worden. Hierdurch meiden Jugendliche die Umschulungsstätten außerhalb der Landesgrenze. Nach Ansicht der Juden zionistischer Kreise sei die Auswanderung Jugendlicher hierdurch erschwert. Andere lassen die von ihnen gehegte Auswanderungsabsicht jedoch wieder fallen, weil sie nach ihrer Ansicht nicht mehr in der Lage sind, ihre Eltern im Reich aufzusuchen, sobald sie einmal das Reichsgebiet verlassen haben. Das gleiche bezieht sich auf den zionistischen Delegierten Dr. Georg Landauer, der ein unermüdlicher Verfechter des Zionismus sei. Dieser sei zur Teilnahme an der Tagung vom 2. bis 4.2.1936 von Palästina nach Berlin gekommen. Man habe ihm lediglich 7 Tage für den Aufenthalt im Reich bewilligt. Die Juden äußern sich dahin, daß man Dr. L. in Anbetracht der weiten Reise sicher drei Wochen Aufenthaltsgenehmigung hätte erteilen können, zumal er früher in Deutschland ansässig gewesen sei. Ein Antrag auf Aufenthaltsverlängerung sei zwar von Dr. L. gestellt worden. Das Ergebnis war aber unter den hier ansässigen Juden nicht bekannt.

Im Berichtsmonat haben 39 Juden die Ausreise nach Palästina angetreten. Zwei jüdische Ehepaare wanderten nach Amerika aus.

Jüdische Organisationen, die bis zur Veröffentlichung der Nürnbergergesetze (Gesetz zum Schutz des deutschen Blutes und der deutschen Ehre vom 15.9.1936) noch assimilatorische Ziele verfolgt haben, sind kaum noch in Erscheinung getreten und schwenken, wenn auch widerwillig, in die Reihen der Zionisten über.

Reger als in den vergangenen Monaten sind Juden im Februar kriminell hervorgetreten. 31 Rechtsbrecher gelangten wegen Sittlichkeitsverbrechens, Handtaschendiebstahls, Landstreicherei, Steuerhinterziehung, Paßvergehens und in der Mehrzahl wegen Betrugs zur Anzeige. Ein Jude wurde verdächtigt, die im Justizgebäude Reichensperger Platz ausgehängte Zeitschrift „Der Stürmer“ abgerissen und beseitigt zu haben. Das gegen ihn eingeleitete Ermittelungsverfahren ist noch nicht zum Abschluß gelangt."

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