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Chronik und Quellen
1935
Juni 1935

Juni 1935: Die Gestapo Köln berichtet für den Regierungsbezirk Köln

"Die erneute antijüdische Propagandawelle, die im hiesigen Bezirk weitgehend die Form des Einzelboykotts angenommen hatte, ist inzwischen wieder abgeklungen. Letztlich hat die Gauleitung auch die Entfernung der zahlreich über die Strassen gespannten Transparente angeordnet. Die Vorgänge der letzten beiden Monate haben gezeigt, dass in Zukunft unbedingt klare Anweisungen der zentralen behördlichen Stellen über das, was im Rahmen der antijüdischen Propagandawelle erlaubt und was nicht erlaubt ist, notwendig sind, da sonst der polizeiliche Exekutivbeamte, auf dem letzten Endes die ganze Last der Verantwortung liegt, bei einem Eingreifen nicht den erforderlichen Rückhalt hat oder sich in der Nähe kritischer Situationen nicht mehr sehen lässt. In beiden Fällen leidet aber letzten Endes die Staats-Autorität. Dasselbe gilt, wenn im Lande der Eindruck erweckt wird, dass bei den verschiedenen Zentralinstanzen hinsichtlich antijüdischer Propaganda keine einheitliche Auffassung herrscht und z.B. das Wirtschaftsministerium vielfach eine andere Haltung einnimmt als andere massgebliche Stellen.

Nachteilige Auswirkungen des verschärften Judenboykotts zeigten sich auch immer wieder auf dem Gebiete des Fremdenverkehrs, zumal interessierte Stellen des Auslands die ihnen hier gegebenen Möglichkeiten weidlich ausnutzen. Beispielsweise sei erinnert an die vom Luxemburger Sender tagelang durchgegebene Warnung, die Rheinorte Honnef und Rhöndorf wegen der in ihnen aufgehängten antijüdischen Plakate zu meiden. Aber auch ganz allgemein hörte man vom Ausländer immer wieder, dass die Bekämpfung des Judentums in Deutschland eine eigene Angelegenheit des Deutschen Volkes sei, der er vielleicht sogar Verständnis entgegenbringe, dass aber die Formen, die dieser Kampf stellenweise angenommen habe, eines Kulturvolkes unwürdig sei.

Der Erfolg der letzten Boykottwelle ist nach den gemachten Beobachtungen sehr unterschiedlich gewesen. Während stellenweise der Einkauf in jüdischen Geschäften bemerkenswert zurückgegangen ist, haben sie an anderer Stelle nach wie vor starken Zulauf, wofür in erster Linie scharfe Kalkulation und dadurch billigere Verkaufsmöglichkeit ausschlaggebend sein dürften. Einige jüdische Metzgereien des Bezirks sind bereits in andere, nichtjüdische Hände übergegangen.

Auffällig ist, dass einige in die Berichtszeit fallende Beerdigungen jüdischer Mitbürger in kleineren Städten eine überaus grosse Beteiligung auch der nichtjüdischen Bevölkerung aufwiesen, sodass schon von einem Wachsen des Philo-Semitismus gesprochen

Die jüdische Vereinstätigkeit war auch im vergangenen Monat durchaus rege.

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