Juni 1935
Am 18. Juni unterzeichneten der britische Außenminister Samuel Hoare und der deutsche Sonderbeauftragte Joachim von Ribbentrop in London das deutsch-britische Flottenabkommen. Dieser Vertrag, mit dem die britische Regierung das Deutsche Reich durch Einbeziehung in internationale Abkommen „zähmen“ möchte, stellte für Hitler einen großen Erfolg dar, wurden doch all seine Forderungen angenommen: Er durfte nun entgegen der Versailler Bestimmungen die Flotte aufrüsten und durchbrach zugleich die zunehmende außenpolitische Isolation des Deutschen Reiches.
Innenpolitisch setzte das NS-Regime nach wie vor auf ende und unnachsichtige Überwachung. Auf Veranlassung von Propagandaministers Joseph Goebbels wurde die am 2. Juni erscheinende Ausgabe des satirischen Wochenblattes „Kladderadatsch“ am Tag zuvor beschlagnahmt, weil es auf seinem Titelblatt eine ganzseitige Karikatur des italienischen Duce und Ministerpräsidenten Benito Mussolini abgedruckt hatte. Diese Abbildung, so hieß es zur Begründung, sei geeignet, die deutsch-italienischen Beziehungen zu belasten.- Auch dies wieder ein Beleg für die Unterdrückung jeglicher Kritik in den deutschen Medien.
Für den Monat Juli ordnete Goebbels am 20. Juni zudem eine absolute Versammlungsruhe an und untersagte für die Monate Juli bis September jegliche Sammlungen. Dadurch sollte einer immer deutlicher werdenden Ermüdung der Bevölkerung durch ständige Propagandaaktionen entgegengewirkt werden.
Ein zentraler Konfliktherd blieb das Verhältnis zwischen Staat und Kirche. In einer Rede vor 20.000 NSDAP-Funktionären in Erfurt charakterisierte Reichsinnenminister Wilhelm Frick es am 1. Juni als die „unangenehmste und schwerwiegendste innenpolitische Frage überhaupt“. Einen Tag später beschlagnahmte die Gestapo die Sammelbeträge, die während der Gottesdienste der Bekennenden Kirchen in Hessen gespendet wurden. Wiederum einen Tag darauf protestierte der 17.000 Mitglieder zählende Reichsbund deutscher evangelischer Pfarrer in einem auf den 3. Juni datierten Schreiben an Innenminister Wilhelm Frick gegen die fortdauernde Verhaftung von Pfarrern und deren Behandlung in den Konzentrationslagern Dachau und Sachsenhausen.
Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung
Am 21 Juni begann man seitens des NS-Regimes sich schrittweise auf die 1936 in Garmisch-Partenkirchen und Berlin stattfindenden Olympischen Spiele vorzubereiten, in deren Verlauf man sich weltoffen, tolerant und friedliebend zu präsentieren gedachte. Daher ordnete das Reichsinnenministerium am 21. Juni an, Tafeln mit Aufschriften wie „Juden unerwünscht“ oder ähnlichen Inhalts von „amtlichen Wegweisern und Richtungsschildern der Fernverkehrsstraßen“ unauffällig zu entfernen.
Das hieß aber keinesfalls, dass der Antisemitismus weitgehend aus dem Alltag verschwand. Im Gegenteil: Die badische NSDAP ordnete am 20. Juni an, unter den Beamten der Regierung und der öffentlichen Körperschaften die Propaganda gegen Käufe in jüdischen Geschäften ebenso zu verstärken wie jene gegen die Inanspruchnahme jüdischer Ärzte und Rechtsanwälte. Beamte, die dem nicht Folge leisten würden, so lautete die Drohung, seien aus der deutschen Beamtenorganisation auszuschließen.
Am 25. Juni ordnete der Reichsminister des Innern an, dass die Änderung jüdischer Familiennamen nur noch ausnahmsweise zulässig sei und „lediglich anstößige jüdische Namen betreffen“ dürfe. Außerdem sei bei solchen Änderungen unbedingt darauf zu achten, dass die neu ausgewählten Namen nur durch andere deutlich jüdisch klingende Namens wie Cohn, Levy oder Isaaksohn ersetzt werden dürften.
Mit dem 26. Juni wurde der bis dahin freiwillige Arbeitsdienst in eine Arbeitsdienstpflicht für alle jungen Deutschen beiderlei Geschlechts umgewandelt. Im entsprechenden Gesetz hieß es jedoch deutlich, dass zum Arbeitsdienst nicht zugelassen werden konnte, „wer nichtarischer Abstammung (im Sinne des Beamtengesetzes) ist oder mit einer Person nichtarischer Abstammung verheiratet ist“.