Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung
Nachdem bereits im Februar Versammlungen, in denen für einen Verbleib im Reichsgebiet geworben wurde, verboten worden waren, ließ Heinrich Himmler Anfang April einen Erlass folgenden Inhalts folgen: „Die Versuche deutsch-jüdischer Organisationen, Juden zu überreden, in Deutschland zu bleiben, stehen in direktem Widerspruch zu nationalsozialistischen Grundsätzen und müssen deshalb in jeder Form verhindert werden.“ Dabei seien insbesondere jüdischen Zeitungen „genau überwacht werden, um dafür zu sorgen, daß diese Propaganda nicht verbreitet wird“.
In einer Rede in Danzig fasste Propagandaminister Goebbels am 6. April einige der Entwicklungen im Kulturbereich gewohnt reißerisch zusammen: „Wir haben nicht nur die gefahrlosen, wir haben auch die gefährlichen Probleme angefaßt. Wir haben nicht aus Angst vor dem Weltjudentum den Griff ins jüdische Wespennest in Deutschland unterlassen - wir haben die Juden aus dem öffentlichen Leben herausgefegt! Sie können nicht mehr auf den Bühnen oder im Film oder in den Zeitungen im Namen des deutschen Volkes reden, sie haben kein Recht mehr, die deutsche Nation zu repräsentieren. Erst nach dieser inneren Reinigung hatten wir die Möglichkeit, Außenpolitik im großen zu betreiben.“
Dieser Prozess fand am 24. April mit einer Anordnung des Präsidenten der Reichspressekammer Amann seine Fortsetzung, in der festgelegt wurde, dass sämtliche an Zeitungsverlagen Beteiligte (Eigentümer, Gesellschafter, Pächter u.a.) und deren Ehegatten sowie die Mitglieder des jeweiligen Aufsichtsrates den Nachweis ihrer „arischen Abstammung“ bis zum Jahre 1800 zu erbringen hätten. Die Verordnung galt allerdings nicht für Zeitschriften und für die kirchlich-konfessionelle Presse.
Das hatten offenbar noch nicht alle NS-Anhänger verinnerlicht, so dass sich Rudolf Heß als Stellvertreter des Führers am 11. April zum wiederholten Male zu der Anordnung an die Mitgliedschaft der NSDAP veranlasst sah, ihr den persönlichen Verkehr mit Jüdinnen und Juden zu verbieten. Zugleich warnte er aber auch davor, der „verständlichen Empörung“ gegen die jüdische Bevölkerung durch tätliche Übergriffe Luft zu machen, da diese die Polizei auf den Plan rufen und zu Maßnahmen gegen Parteimitglieder zwingen würde.
Auch hinsichtlich der öffentlichen Kennzeichnung jüdischer Unternehmen erlegte man sich zu diesem Zeitpunkt Zurückhaltung auf. So teilte der Werberat der deutschen Wirtschaft am 25. April auf Anfragen betreffs einer besonderen Kennzeichnung deutscher - also nichtjüdischer - Geschäfte mit, dass eine derartige Kennzeichnung durch Schilder oder durch Bezeichnungen bis zu einer allgemeingültigen Regelung dieser Angelegenheit unerwünscht sei. Zur etwa gleichen Zeit beschloss die Reichsfachschaft Deutscher Werbefachleute, dass „Nichtarier“ ihr nicht mehr angehören durften. Das bedeutet für Jüdinnen und Juden, dass sie in dieser Branche, die unter anderem für die Dekoration von Schaufenstern zuständig zeichnete, nicht mehr arbeiten durften.
Am 27./28. April schlossen sich die bislang nach dem Muster des Berliner Kulturbundes in vielen jüdischen Gemeinden selbstständig tätigen 46 Kulturbünde zum „Reichsverband der jüdischen Kulturbünde“ zusammen. Am 6. August 1935 erging dann seitens der Reichskulturkammer die Anordnung, dass sich alle jüdischen Kulturbünde bis zum Monatsende im Reichsverband zusammenzuschließen hatten.