März 1935
Am 1. März wurde in Saarbrücken mit einem feierlichen Akt die Übergabe des Saargebiets an das Deutsche Reich vollzogen und gefeiert. Gut zwei Wochen später wandte sich Adolf Hitler am 16. März in einer Rundfunkansprache „an das deutsche Volk“, um ihm – von vielen sicherlich sehnlichst erwartet – die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht bekanntzugeben. Das hierzu verabschiedete Gesetz sah, im völligen Gegensatz zum Versailler Vertrag, der ein 100.000 Mann-Heer festgeschrieben hatte, bis zum Jahr 1939 den Aufbau von 36 Divisionen mit rund 580.000 Soldaten vor. Das Ausland – etwa der Völkerbund, Frankreich, Großbritannien oder Italien – protestierte zwar heftig und verlieh seiner Empörung in offiziellen Noten Ausdruck, tatsächlich wirksame Maßnahmen blieben hingegen völlig aus.
Als unmittelbare Folge dieser Entscheidung flossen der deutschen Rüstungswirtschaft nunmehr Mittel in ungeheurer Größenordnung zu, während die Bevölkerung zur vielzitierten „Wiederherstellung seiner Ehre“ die hieraus resultierenden erheblichen Lasten zu tragen hatte.
Am 23. März wurde in Berlin die größte deutsche Ausstellung des Jahres 1935 durch Reichsinnenminister Frick eröffnet. Unter dem Titel „Das Wunder des Lebens“ wurden der Öffentlichkeit bis zum 5. Mai zentrale Elemente der NS-Rassenideologie präsentiert. Laut Frick soll die Ausstellung das „frische, kerngesunde, pulsierende Leben“ spiegeln und dazu beitragen, dass sich jeder als Teil der großen „Volksgemeinschaft“ betrachte, die ihn dazu verpflichte, „das gesunde Erbgut der Vorfahren zu erhalten“, um es so „in der ununterbrochenen Kette rein weiterzugeben“. Dementsprechend war ein Großteil der Schau den Themen „Rassenhygiene“ und „Erbgesundheit“ gewidmet. Hierbei wurden mit pseudowissenschaftlichen, aber publikumswirksamen Darstellungen die Folgen einer Vererbung „schlechter Eigenschaften“ wie Kriminalität oder Unmoral demonstriert und als Bedrohung der „Herrenrasse“ dargestellt.
Wie die aufzutreten hatte, wurde am 28. März in Berlin mit der Uraufführung des Films „Triumpf des Willens“ demonstriert. Hierin setzte Regisseurin Leni Riefenstahl den Reichsparteitag der NSDAP im September 1934 aufwändig und eindrucksvoll in Szene, wodurch das als Dokumentarfilm gezeigte Werk zu einem der beeindruckendsten Belege für den NS-Führerkult wurde. Auch sonst wurden die neuen Errungenschaften permanent propagiert. In einer öffentlichkeitswirksamen Aktion schickte die NS-Freizeitorganisation „Kraft durch Freude“ (KDF) am 10. März 3.000 Arbeiter auf eine dreiwöchige Seereise nach Madeira.
Aber es zählten längst nicht mehr alle Deutschen zur ständig beschworenen „Volksgemeinschaft“. Am 11. März veröffentlichte der Völkerbund einen Bericht über die rund 750 emigrierten deutschen Wissenschaftler, in dem deren Bedeutung für die Wissenschaft in den Exilländern und damit indirekt der Verlust für das Deutsche Reiche hervorgehoben wurden.
Als neuer Machtfaktor im NS-Staat präsentierte sich immer deutlicher die SS. Am 6. März erschien die erste Ausgabe von „Das schwarze Korps“, des neuen Wochenblatts der Organisation. Die Zeitschrift, in der eine äußerst aggressive Variante des Nationalsozialismus propagiert wurde, erreichte bereits bis November des Jahres eine Auflage von 200.000 Exemplaren. Eine besondere Rolle spielte die SS im NS-Unterdrückungsapparat: Ende März fand die im Sommer 1934 begonnene personelle Umstrukturierung in der Kontrolle der deutschen Konzentrationslager ihren Abschluss. In sämtlichen Lagern waren nunmehr SS-Wacheinheiten stationiert, die sich aus den berüchtigten „Totenkopfverbände“ rekrutierten. Damit hatte die SS die völlige Kontrolle über das KZ-System gewonnen.
Im Rahmen einer Kundgebung der NSDAP in Köln kündigte Gauleiter Josef Grohé am 4. März einen „aufrührenden Propagandafeldzug“ im Sinne einer weltanschaulichen Einigung des Deutschen Reiches an. Der Aufruf stellte zugleich eine Kampfansage an beide Konfessionen dar, deren Tätigkeit Grohé künftig auf seelsorgerische Belange beschränkt sehen wollte. Dagegen setzte die Bekennende Kirche mit neuen „Leitsätzen“ über das Verhältnis von Kirche und Staat am 5. März ihren Kampf gegen die „rassisch-ideologische Weltanschauung“ des NS-Regimes fort. Als dieses Dokument daraufhin von zahlreichen Kanzeln in evangelischen Kirchen verlesen wurde, kam es am 17. März wegen „Kanzelmissbrauchs“ zur Verhaftung von mehr als 700 Pfarrer der Bekennenden Kirche.