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Chronik und Quellen
1935
Januar 1935

Januar 1935: Die Gestapo Köln berichtet für den Regierungsbezirk Köln

"Die Boykottbewegung gegen jüdische Geschäfte nimmt ständig zu. Es werden nicht einzelne bestimmte Geschäfte boykottiert, sondern es wird allgemein dazu aufgefordert, jüdische Geschäfte zu meiden. Von jüdischer Seite aus wird versucht, dieser politischen Aufklärungsarbeit dadurch entgegen zu arbeiten, dass man die Behörden unter Berufung auf die bekannten Erlasse des Herrn Reichswirtschaftsministers zu einem Einschreiten bewegen will. Gerade im hiesigen Bezirk ist eine Propaganda der Bewegung für das Deutschtum und die deutschen Geschäfte dringend notwendig, wurde doch sehr häufig festgestellt, dass Nationalsozialisten, selbst in Uniform, nach wie vor jüdische Geschäfte besuchen.

Das Abstimmungsergebnis an der Saar und das [da]durch bewiesene Bekenntnis zum nat.soz. Staat wirkte auf die Juden wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Die Juden geben allmählich jede Hoffnung auf eine Besserung auf und betrachten ihre Lage als eine Fügung Gottes. Der überwiegende Teil der Juden findet sich damit ab, dass für Jahrzehnte ihr Schicksal nicht gebessert wird. Die Zionisten setzen daher ihre Werbetätigkeit in erhöhtem Masse fort und propagieren stark die Auswanderung nach Palästina. In Köln kann man durchschnittlich mit einer Auswanderung von 45-50 Juden im Monat rechnen. Der Zentralverein der deutschen Staatsbürger jüdischen Glaubens steht in starkem Kampf zu den Zionisten und lehnt grundsätzlich eine Auswanderung nach Palästina ab. Die jüdische Sportgemeinschaft, der seitens der Reichssportführung mehr Rechte als bisher eingeräumt worden sind, ist sehr rege. Die jüdischen Sportvereine können auch die Sporthallen der Stadt Köln wieder benutzen, um für die Olympischen Spiele im Jahre 1936 zu trainieren. Gerade die jüdische Sportgemeinde fühlt sich stärker als alle anderen jüdischen Organisationen, da sie durch ihre ausländischen Sportfreunde gestützt wird. Dass die Juden im allgemeinen, wenn auch weniger im Gesellschaftsleben, wieder sich hervorwagen, beweisen die jüdischen Zeitungen, die sehr oft Leitartikel enthalten, die zu beanstanden sind. Der Redakteur des Jüdischen Gemeindeblattes in Köln wurde in scharfer Form verwarnt und ermahnt, sich in Zukunft einer gemässigteren Sprache zu bedienen.

Der von der Bewegung getragene Boykott gegen die jüdischen Geschäfte hat auch in letzter Zeit keine allzu grosse Wirkung gehabt. Fragt man den Arbeiter, warum er nicht den kleinen christlichen Gewerbetreibenden unterstütze, so hört man, dass er dort hingehe, wo er am billigsten kaufen könne. Man müsse ihm ein besseres Einkommen geben, dann könne er auch in christlichen Geschäften kaufen."

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