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Chronik und Quellen
1935
Januar 1935

Januar 1935

Die langerwartete Abstimmung über die Wiedereingliederung des Saarlands in Deutsche Reich brachte dem NS-Regime den erhofften ersten außenpolitischen Erfolg: Bei einer Wahlbeteiligung von nahezu 98 Prozent stimmten am 13. Januar 90,5 Prozent für einen Wiederanschluss, woraufhin der Völkerbund den 1. März als Übergabetermin festlegte. Zu dem guten Ergebnis trugen auch beide Kirchen erheblich bei, indem deren hohe Repräsentanten im Vorfeld der Abstimmung die Gläubigen zur Stimmabgabe für die Option „Deutsches Reich“ aufgerufen hatten. Die katholische Amtskirche etwa kreierte das Motto: „Wer seinem Vaterland die Treue bricht, hält sie auch unserem Herrgott nicht.“ Auch die katholischen Jugendverbände traten begeistert für eine Rückgliederung des Saargebietes ein. Bemerkenswerter Weise wurde das Resultat selbst im Ausland als Schritt zur Friedenssicherung positiv beurteilt. Allerdings gab es auch Stimmen, die vor einem erstarkenden Deutschen Reich warnten.

Am 30. Januar wurde die am 1. April 1935 in Kraft tretende neue deutsche Gemeindeordnung veröffentlicht, durch die die NSDAP nun auch auf die kommunalen Verwaltungen unmittelbaren Zugriff erhielt. Jeder Gemeinde war nunmehr ein Beauftragter der Partei – in aller Regel der jeweilige Kreisleiter - zugeordnet, ohne den keine wichtigen Entscheidungen mehr getroffen werden konnten. So fiel künftig auch die Berufung der Bürgermeister in dessen Kompetenz. Durch diese weitgehende Auflösung kommunaler Selbstverwaltung fand die Praxis ihre Fortsetzung, Parteiämter mit Staats- und Verwaltungsfunktionen zu kombinieren, um so den NS-Einfluss zu stärken und zu stabilisieren.

In einer Predigt in Münster griff der dortige Bischof von Galen die aus dem „Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses“ vom 14. Juli 1933 resultierenden Zwangssterilisationen öffentlich an: „Es ist unerlaubt, sich selbst sterilisieren zu lassen oder den Antrag zur Sterilisation zu stellen.“ Obwohl die katholische Kirche ein solches Handeln generell ablehnte, war von Galen der erste, der so deutlich und öffentlich seine Opposition bekundete. Seine verbotenerweise vielfach privat reproduzierte und verbreitete Predigt stieß auf eine entsprechend große Aufmerksamkeit.

Am 18. Januar erließ Reichserziehungsminister Rust eine neue Ordnung für das Jurastudium. Demnach mussten Studenten in den ersten beiden Semestern künftig als Pflichtfach die Lehre der „völkischen Grundlagen der Wissenschaft“ belegen. Durch Vorlesungen über „Rasse und Sitte“ oder die politische Entwicklung in Deutschland sollte die „Heranbildung eines volksnahen und umfassend gebildeten Rechtswahrerstandes“ garantiert werden.

 

Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung

Jüdische Lehrer durften ab dem 4. Januar nur noch in jüdischen öffentlichen Schulen beschäftigt werden, neue „nichtarische“ Lehrer nicht mehr als Beamte angestellt werden.

Am 12. des Monats ordnete der Preußische Innenminister an, „Anträge von Nichtariern auf Zulassung zu Veranstaltungen von gelegentlichen Theateraufführungen“ stets abzulehnen, wobei der Nachweis jeweilige „der arischen Abstammung im Sinne des Gesetzes“ urkundlich zu belegen sei.

Am 15. Januar erließ das Reichserziehungsministerium im Einvernehmen mit dem Rassenpolitischen Amt der NSDAP Richtlinien zur „rassenpolitischen Schulung der Jugend“. „Zweck der Schulung“ sollte es laut dem „Archiv der Gegenwart“ sein, „die Jugend über alle mit Vererbung und Rasse in Verbindung stehenden Fragen zu unterrichten, das Verständnis zu wecken für die Bedeutung der Vererbungserscheinungen für das Schicksal des deutschen Volkes und das Verantwortungsgefühl der Jugend gegenüber der Gesamtheit des Volkes zu heben“. Ferner sei aus dem Rassegedanken eine Ablehnung der Demokratie oder anderer Gleichheitsbestrebungen abzuleiten und der „Sinn für den Führergedanken“ zu wecken.

Nach der Abstimmung am 13. Januar und des dadurch bevorstehenden Anschlusses des Saarlands an das Deutsche Reich flüchteten zahlreiche Jüdinnen und Juden sowie Mitglieder widerständiger Organisationen und Gruppen ins Ausland. Nach Angaben von französischer Seite reisten bereits bis zum 22. Januar 2.600 Personen aus dem Saargebiet nach Frankreich ein, wo sie zunächst in Flüchtlingslagern untergebracht wurden.

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