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Chronik und Quellen
1934
Dezember 1934

Dezember 1934

Am 8. Dezember, dem „Tag der nationalen Solidarität“, sammelten – propagandistisch wirkungsvoll in Szene gesetzt – zahlreiche Prominente für das Winterhilfswerk. So standen in Berlin Hermann Göring und Joseph Goebbels mit Sammelbüchsen auf der Straße. Das alles, so hieß es, sei Beweis dafür, dass der „Begriff der nationalen Solidarität kein leerer Begriff“, sondern ein „leuchtendes Beispiel unserer inneren Geschlossenheit“ sei.

Um die immer wieder propagierte angebliche „Geschlossenheit“ der „Volksgemeinschaft“ zu gewährleisten, musste man sich aber offenbar bedrohlicher Mittel bedienen. Per Gesetz wurden nämlich am 13. Dezember die bisherigen Bestimmungen über „heimtückische Angriffe auf Staat und Partei“ deutlich verschärft. Fortan wurde mit Geldstrafen oder Gefängnis bedroht, „wer vorsätzlich eine unwahre oder gröblich entstellte Behauptung tatsächlicher Art aufstellt oder verbreitet, die geeignet ist, das Wohl des Reiches oder das Ansehen der Reichsregierung oder das der NSDAP oder ihrer Gliederungen schwer zu schädigen“. Damit konnte je nach Beschuldigung, Auslegung und vermeintlichen oder echten Zeugen alles und nichts gemeint sein, was für erhebliche Verunsicherung und entsprechende Vorsicht in der Bevölkerung gesorgt haben dürfte. Das galt wohl umso mehr, als nach den neuen Bestimmungen „in besonders schweren Fällen“ sogar auf Todesstrafe erkannt werden konnte.

Am gleichen Tag wurde auch ein „Gesetz zur Änderung der Rechtsanwaltsordnung“ erlassen, das zum „Schutz gegen eine ungesunde Übersetzung und eine drohende wirtschaftliche Verkümmerung des Anwaltsstandes“ beitragen sollte. So konnten künftig jene Bewerber, die „nach ihrer Persönlichkeit oder ihren Verhältnissen nicht erwünscht“ waren, „wirksamer“ von einer Aufnahme in die Anwaltskammer abgehalten werden, als das bisher möglich gewesen war. Auch auf anderem Gebiete schuf man Neuerungen, um den ideologisch gewünschten neuen Typus von Menschen heranzuziehen: Am 12. Dezember führte Reichserziehungsminister Rust für sämtliche Studierenden eine Ausbildung in Leibesübungen im Laufe der ersten drei Semester ein. Nur diejenigen Studierenden, die diese „Ausbildung“ erfolgreich absolviert hatten, konnten anschließend ihr Studium fortsetzen. Wie weitreichend der Einfluss von NS-Gedankengut ging, demonstrierte ein ebenfalls am 13. Dezember erlassenes Gesetz, durch dessen Bestimmungen die NS-Rassenideologie Einzug in die deutsche Forstwirtschaft hielt. Es sollte zur „Sicherung der Erhaltung und Nachzucht hochwertigen Erbgutes des deutschen Waldes“ sowie zur „Ausmerzung artlich minderwertiger Baumrassen“ beitragen soll. Als Ziele der Forstpolitik wurden die Erhaltung des Waldes als „Kraftquell“ für das Volk und als „Grundlage seiner Kultur“, aber natürlich auch die Bedarfsdeckung mit Holz und Bau- und Heizzwecke postuliert.

Das Gros der Bevölkerung dürfte sich aber eher mit dem nahenden Weihnachtsfest beschäftigt haben. Einen Tag vor Heiligabend stand dann der sogenannte „Goldene Sonntag“, an dem die Geschäfte geöffnet waren, ganz im Zeichen von Konsum und Propaganda. Dass die Wirtschaftskrise zumindest für einige Teile der Bevölkerung in Ansätzen überwunden war, belegte die Tatsache, dass in einigen Großstädten Spielwarengeschäfte wegen Überfüllung geschlossen werden mussten. Ganz oben auf der Beliebtheitsliste standen elektrische Eisenbahnen, mechanische Baukästen und Militärspielzeug aller Art.

Abgesehen vom reinen Konsum inszenierte das NS-Regime zugleich auch eine Art Vorweihnachtsfest. In Berlin etwa erleuchteten die Lichter von Tausenden von Weihnachtsbäumen und SA- und Wehrmachtsangehörige bescherten allein hier 12.000 ortsansässige Kinder. Die Hauptfeier organisierte die SA-Standarte 16 in Berlin-Moabit, wo mitten auf der Fahrbahn der Wieleffstraße auf einer Länge von 711 Metern Tische aufgestellt worden waren, auf denen die Geschenktüten – jeweils gefüllt mit Lebensmitteln, Süßigkeiten und Spielzeug – für rund 3.000 Kinder aufgebaut wurden. Entsprechend laut fielen die „Heil“-Rufe aus, mit denen Propagandaminister Goebbels in Moabit begrüßt wurde. In seiner Rede wies er dann ausdrücklich auf den tiefreifenden Wandel hin, der seit dem 30. Januar 1933 im Arbeiterviertel Moabit, wo zuvor „Klassenhatz und Hetze“ geherrscht hätten, eingetreten sei. „Der Sozialismus der Tat ist Wirklichkeit geworden. Wir haben, ohne Unterschied, alle zu uns geladen, und im Zeichen des Weihnachtsfestes haben wir uns die Hände gereicht zum gemeinsamen Denken und Handeln.“ Und natürlich durfte der Friedensappell nicht fehlen, mit dem Goebbels – sich dem solchen Äußerungen innewohnenden Zynismus wohl sehr klar bewusst – seine Rede beendete: „Friede auf Erden den Menschen!“

In ihren Botschaften zum Jahresende betonten mehrere deutsche Spitzenpolitiker aber nicht nur den vorgeblichen Friedenswillen, sondern ließen durchaus auch die Absicht zur Machtausdehnung erkennen. Nachdem nicht nur Goebbels, sondern bereits am 8. Dezember auch Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß in einer Rede jegliche von Deutschland ausgehende Kriegsgefahr in Abrede gestellt hatte, fielen prominente Meinungsäußerungen zur Jahreswende spürbar forscher aus. Außenminister Konstantin Freiherr von Neurath etwa erklärte: „Die fortschreitende Einigung des deutschen Volkes und sein daraus resultierender einheitlicher Wille berechtigen uns zu der Hoffnung, dass in absehbarer Zeit auch unsere nationalen Ansprüche ihre Erfüllung finden.“ An erster Stelle nannte er das Saargebiet, über dessen Schicksal im Januar 1935 eine Abstimmung stattfinden wird. „Man kann hoffen, dass dann in der Außenpolitik eine Entwicklung einsetzt, die zur Verständigung der Völker und zum dauerhaften Frieden führt.“

Hermann Göring feierte hingegen die innenpolitische Entwicklung, die das deutsche Volk im Jahresverlauf zur „geschlossenen Einheit“ geformt habe: „ein festgeformter, gleichklingender Wille in der Faust des Mannes, der als Führer und Reichskanzler das Schicksal der Nation leitet“. Unter Hitlers Führung habe „der unbekannte deutsche Arbeiter Hand in Hand mit den Volksgenossen aller Berufsschichten seine Aufgabe erkannt und seinen Mann gestanden“. „Großes ist geleistet worden. Noch größere Aufgaben stehen bevor.“

Joseph Goebbels schließlich teilte mit: „1933 war für den nationalsozialistischen Staat das Jahr der Offensive, 1934 das Jahr der Verteidigung und Behauptung. Wir sind dem Ziel unserer Revolution, dem deutschen Volk wieder zur Freiheit und zur inneren und äußeren Ehre zu verhelfen, treu geblieben.“

 

Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung

Gemäß der neuen Prüfungsordnung für Apotheker vom 8. Dezember war eine „arische Abstammung“ künftig unerlässliche Voraussetzung für die Zulassung zur Prüfung.

Der Trend, jüdischen Jugendlichen den Zugang zu einer Berufsausbildung zu versperren, setzte sich ungemindert fort. Am 12. Dezember wurde aufgrund verschiedener „Anfragen betr. Abnahme der Prüfung von Juden“ zwar in einem Rundschreiben des Bundes Deutscher Friseure mitgeteilt, „daß nach den gesetzlichen Bestimmungen wohl keine Möglichkeit besteht, einen Juden offiziell von der Aufnahme als Lehrling und dann, wenn er im Beruf ist, ihn von der Teilnahme an der Prüfung auszuschließen“, zugleich aber betont, „daß es selbstverständlich keinem deutschbewußten Meister zugemutet werden kann, daß er die Prüfung einem Juden abnimmt“. „In solchen Fällen muß selbstverständlich ein die Prüfung ablehnender aufrichtiger deutscher Handwerksmeister durch einen sich dafür bereitfindenden „Ersatzmann“ ersetzt werden“, wobei offengelassen wurde, wer sich angesichts des damit aufgebauten Drucks noch zu einer solchen Tätigkeit bereitfinden würde.

Am 13. Dezember wurde ein Gesetz veröffentlicht, in dem es darum ging, wie die „bürgerlich-rechtlichen Ansprüche auf Entschädigungen für Schäden, die mit der ‚nationalsozialistischen Erhebung und Staatserneuerung‘ zusammenhängen und die in einem gerichtlichen Verfahren geltend gemacht werden“, geregelt werden sollten. Solche Fälle seien der zuständigen Verwaltungsbehörde zu melden, wobei der Innenminister der Weiterbehandlung des Anspruchs widersprechen könne, wodurch zugleich die Verfolgung des Rechtsweges und eine Zwangsvollstreckung unzulässig würden. Das Ministerium habe dann - stets auf der Grundlage des „gesunden Volksempfindens“ - über einen eventuellen Ausgleich zu entscheiden. Das Gesetz richtete sich natürlich hauptsächlich gegen die am stärksten von Übergriffen betroffene jüdische Bevölkerung, der somit jede Entschädigung für erlittene Schäden willkürlich abgesprochen werden konnte.

Am 26. Dezember forderte das Reichsinnenministerium Hermann Göring als Preußischer Ministerpräsident und Chef der Gestapo schriftlich auf, antijüdische Einzelaktionen, die sich „in der letzten Zeit im ganzen Reichsgebiet außerordentlich gehäuft“ hätten, zu unterbinden. Ausgangspunkt war ein entsprechendes Protestschreiben von Reichswirtschaftsminister Schacht vom 12. Dezember, in dem er mit Verweis auf den Erlass des Reichsministeriums des Innern vom 17. Januar 1934 die zum Teil gewalttätige Boykottwelle gegen jüdische Geschäfte und Warenhäuser im Rahmen des Weihnachtsgeschäfts beklagte.

5. Dezember 1934: Bericht aus Dresden

7. Dezember 1934: Artikel in der Juristischen Wochenschrift

10. Dezember 1934: Bevorzugung jüdischer Viehhändler?

12. Dezember 1934: Bericht aus Dresden

14. Dezember 1934: Bericht aus Braunschweig

15. Dezember 1934: Bericht aus Düsseldorf

16. Dezember 1934: Bericht aus Lüneburg

20. Dezember 1934: Vermerk über eine Besprechung am 20. Dezember 1934

20. Dezember 1934: Bericht aus Lippstadt

20. Dezember 1934: Bericht aus Altenrüthen

20. Dezember 1934: Bericht aus Eschwege

20. Dezember 1934: Bericht aus Hofgeismar

21. Dezember 1934: Bericht aus Badt Neutadt

22. Dezember 1934: Bericht aus Rotenburg

22. Dezember 1934: Bericht aus Schlüchtern

24. Dezember 1934: Der Regierungspräsident Wiesbaden berichtet

25. Dezember 1934: Bericht aus Frankfurt/M.

25. Dezember 1934: Bericht aus Hanau

27. Dezember 1934: Bericht aus Wiesbaden

27. Dezember 1934: Bericht aus Fulda

27. Dezember 1934: Bericht aus Wolfhagen

Der Regierungspräsident Wiesbaden berichtet

28. Dezember 1934: Bericht aus Witzenhausen

Dezember 1934: Die Gestapo Koblenz berichtet

Dezember 1934: Die Gestapo Köln berichtet

Dezember 1934: Die Gestapo Aachen berichtet

Ende 1934: Bericht des Hilfsausschusses

Ende 1934: Bericht von Martin Andermann

31. Dezember 1934: Bericht aus Augsburg

31. Dezember 1934: Bericht aus Berlin

31. Dezember 1934: Bericht aus Hannover

31. Dezember 1934: Bericht aus Kassel

31. Dezember 1934: Bericht aus Schwerin

31. Dezember 1934: Bericht aus Minden

31. Dezember 1934: Bericht aus München

31. Dezember 1934: Bericht aus Kassel

31. Dezember 1934: Bericht aus Minden

31. Dezember 1934: Bericht aus Regensburg

31. Dezember 1934: Bericht aus Stettin

31. Dezember 1934: Bericht aus Stettin

31. Dezember 1934: Bericht aus Herford

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