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Chronik und Quellen
1934
November 1934

November 1934

Angesichts des forcierenden Führerkults möchten sich offenbar auch zahlreiche nachgeordnete NS-Amtsträger gebührend feiern lassen. Jedenfalls sah sich Rudolf Heß als „Stellvertreter des Führers“ am 13. November veranlasst, per Erlass „jede Beweihräucherung“ führender NSDAP-Angehöriger zu verbieten. Er habe, so teilte er mit, immer wieder und mit großer Verwunderung in der Presse von Anordnungen zur Beflaggung bei Geburtstagen führender Parteigenossen lesen müssen, deren Ansehen in der Öffentlichkeit jedoch nicht auf solchen Wegen, sondern „nur durch Leistung gehoben werden“ könne.

In die gleiche Richtung, das heißt gegen den sich ausbreitenden Prunk der im Volksmund als „Goldfasane“ bezeichneten höhen NS-Funktionäre, zielte eine Forderung, die Propagandaminister Goebbels fünf Tage später auf der Reichstagung der Deutschen Presse erhob. Ihm war die „unwürdige Kriecherei gegenüber führenden Parteigenossen“ in Dorn im Auge, weshalb er eine „neue Sachlichkeit“ anmahnt, die von der „großen Revolutionsepoche zur grauen Romantik des Tages überleiten“ müsse.

Eine solche „neue Sachlichkeit“ sollte schon in frühen Jahren vermittelt werden, wie am 6. November anlässlich der feierlichen Immatrikulation der Studienanfänger in der Universität Köln verdeutlicht wurde. Zu diesem Anlass betonte der Rektor, die deutschen Universitäten bedürften eines „klaren Aufbaus, der einheitlichen Haltung und der vertikal durchgeführten Befehlsgewalt, die das preußische Heer vorbildlich gemacht haben und die im Dritten Reich allmählich sich auf allen Gebieten des Lebens unseres Volkes durchzusetzen“ beginne. Damit wurde aber nicht nur der „grauen Romantik des Tages gehuldigt, sondern zugleich aus der Wissenschaft selbst heraus nichts anderes gefordert, als eine weitgehende Militarisierung der Hochschulbildung.

Nachwuchs war allerdings in vielen Bereichen des wissenschaftlichen und kulturellen Lebens dringend vonnöten, denn am 3. November veröffentlichte das Deutsche Nachrichtenbüro eine neuerliche Liste prominenter – in aller Regel dem kommunistischen oder sozialistischen Bereich zuzuordnender - Persönlichkeiten, die aus dem Deutschen Reich ausgebürgert worden waren, „weil sie durch ihr Verhalten, das gegen die Pflicht zur Treue gegen Reich und Volk verstößt, die deutschen Belange aufs Schwerste geschädigt“ hätten.

Für NS-genehmes Verhalten sollte künftig auch die richtige Lektüre sorgen. Um das zu gewährleisten veröffentlichte die Reichsschrifttumsstelle auf Veranlassung der Reichsschrifttumskammer am 5. November eine Liste mit 200 Bücher, die innerhalb einer festgesetzten Frist von sämtlichen Leihbüchereien anzuschaffen waren, damit jede von ihnen „einen bestimmten Bestand guter Bücher“ besitze. Die sollten dann für das Gewähr bieten, was Joseph Goebbels am 1. November in einer über sämtliche Reichssender verbreiteten Rede an die deutsche Jugend als deren wesentlichen Charaktereigenschaften herausarbeitete: „die Aufgewecktheit ihres Geistes, die wache Spannkraft, die aus ihren Augen leuchtet, die Tatbereitschaft, die in ihrem Marschtritt mitklingt“.

Am 5. November übernahm der Leipziger Oberbürgermeister Carl Friedrich Goerdeler das Amt des Reichskommissars für Preisüberwachung und erklärte aus diesem Anlass: „Ich werde eine Preisüberwachung durchführen, die sich nach vernünftigen wirtschaftlichen Gesetzen richtet. Ich werde gegen alle die rücksichtlos vorgehen, die diese Gesetze missachten und durch ungerechtfertigte Preistreibereien der Gesamtheit Schaden zufügen.“ Das Reichsjustizministerium machte im Zusammenhang mit dem laufenden Winterhilfswerk zudem darauf aufmerksam, dass es „die schwerste Versündigung am Geiste der Volksgemeinschaft“ darstelle, wenn einzelne „durch künstlich herbeigeführte Warenknappheit, durch Preissteigerungen und ähnliche Machenschaften ihren eigenen Vorteil über das allgemeine Volkswohl stellen“ würden.

 

Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung

Jüdischen Jugendlichen wurden immer mehr Ausbildungsmöglichkeiten und damit Zukunftsaussichten genommen. So teilte die Handwerkskammer Halle am 1. November mit, sie betrachte es als selbstverständlich, dass das örtliche Handwerk Jüdinnen und Juden künftig nicht mehr als Lehrlinge einstellen würde und forderte die Betriebe unmissverständlich auf, „an Sie ergehende Anfragen in diesem Sinne zu beantworten“.

Gemäß der am Richtlinien des Preußischen Wissenschaftsministers für den Schulunterricht vom 9. November wurde definiert, welche Lehrmittel im Schulunterricht für Erbkunde, Rassenkunde und Bevölkerungspolitik vorrangig als Grundlage verwendet werden sollten. Es handelte sich um:

- Adolf Hitler: Mein Kampf
- Alfred Rosenberg: Der Mythos des 20. Jahrhunderts
- Hans F. K. Günther: Rassenkunde des jüdischen Volkes
- Alfred Rosenberg: Die Protokolle der Weisen von Zion
- Alfred Rosenberg: Die jüdische Weltpolitik
- Theodor Fritsch: Handbuch der Judenfrage.

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