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Chronik und Quellen
1938
November 1938

Verordnung zur Durchführung der Verordnung über die Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben, 23. November 1938

Die „Verordnung zur Durchführung der Verordnung über die Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben“ vom 23. November 1938 enthielt u.a. folgende Bestimmungen:

Alle jüdischen Einzelhandelsverkaufsstellen, Versandgeschäfte oder Bestellkontore sind aufzulösen und abzuwickeln, oder wenn zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung die Fortführung eines Unternehmens nötig ist, in nichtjüdisches Eigentum zu überführen. Der Verkauf oder die Versteigerung von Waren an letzte Verbraucher sind nicht zulässig; alle Waren sind zunächst der zuständigen Fachgruppe anzubieten. Die Übernahme der Waren erfolgt auf Grund einer Bewertung durch Sachverständige, die der Präsident der Handelskammer bestellt. Für die Abwicklung können Abwickler bestellt werden.

Der Text der Verordnung lautet:

Verordnung zur Durchführung der Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben vom 23. November 1938.

Auf Grund des § 4 der Verordnung zur Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben vom 12. November 1938 (Reichsgesetzbl. I, S. 1580) wird verordnet:

Artikel I Einzelhandel § 1

(1) Einzelhandelsverkaufsstellen, Versandgeschäffe oder Bestellkontore von Juden sind grundsätzlich aufzulösen und abzuwickeln.

(2) Soweit in besonderen Fällen zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung die Weiterführung eines bisher jüdischen Unternehmens der im Abs. 1 genannten Art erforderlich ist, kann es in nichtjüdisches Eigentum überführt werden. Die Überführung bedarf der Genehmigung der für die Entscheidung nach dem Gesetz zum Schutze des Einzelhandels vom 12. Mai 1933 (Reichsgesetzbl. I, S. 262) zuständigen Stellen. Diese Genehmigung ersetzt die nach der Anordnung auf Grund der Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden vom 26. April 1938 (Reichsgesetzbl. I, S. 415) erforderliche Genehmigung. Im übrigen gelten die Vorschriften dieser Anordnung und der dazu ergangenen oder ergehenden Durchführungsvorschriften.

§ 2

(1) Die Abwicklung hat nach folgenden Grundsätzen zu erfolgen:

1. Der Verkauf oder die Versteigerung von Waren an letzte Verbraucher sind nicht zulässig.

2. Alle Waren sind zunächst der zuständigen Fachgruppe oder Zweckvereinigung oder deren bezirklicher oder fachlicher Untergliederung anzubieten, die für die Unterbringung der Waren Sorge zu tragen hat. Die Übernahme der Waren erfolgt auf Grund einer Bewertung durch Sachverständige, die der Präsident der zuständigen Industrie- und Handelskammer bestellt.

3. Die Gläubiger sind in der in der Konkursordnung vorgesehenen Reihenfolge aus dem Erlös der Gesamtabwicklung zu befriedigen.

(2) Der Reichswirtschaftsminister erläßt erforderlichenfalls im Einvernehmen mit dem Reichsminister der Justiz weitere Richtlinien für die Abwicklung, die im Ministerialblatt für Wirtschaft veröffentlicht werden.

(3) Die Grundsätze und Richtlinien für die Abwicklung gelten auch im Falle des Konkurses für den Konkursverwalter.

§3

(1) Für die Abwicklung kann die nach § 1 Abs. 2 zur Entscheidung berufene Stelle Abwickler bestellen, sofern sonst eine ordnungsmäßige Abwicklung nicht gewährleistet ist. Der Abwickler hat die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns anzuwenden und steht unter der Aufsicht der berufenden Stelle. Diese Stelle setzt nach Beendigung der Abwicklung die Vergütung des Abwicklers und die Höhe der ihm zu erstattenden Auslagen fest.

(2) Die Kosten der Abwicklung trägt das abzuwickelnde Unternehmen.

§4

(1) Der Abwickler ist zu allen gerichtlichen und außergerichtlichen Rechtsgeschäften und Rechtshandlungen ermächtigt, die die Abwicklung des Unternehmens erforderlich machen. Seine Ermächtigung ersetzt in diesem Rahmen jede erforderliche Vollmacht.

(2) Der Abwickler ist insbesondere berechtigt, im Namen des Gemeinschuldners bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen den Antrag auf Eröffnung des Konkursverfahrens über das Unternehmen zu stellen. Der Abwickler kann zum Konkursverwalter bestellt werden.

Artikel II
Handwerk

§ 5

(1) Jüdische Inhaber von Handwerksbetrieben sind zum 31. Dezember 1938 in der Handwerksrolle zu löschen; die Handwerkskarte ist einzuziehen.

(2) Für die Überführung jüdischer Handwerksbetriebe in die Hand nichtjüdischer Erwerber gelten die bisherigen Vorschriften.

Berlin, den 23. November 1938.
Der Reichswirtschaftsminister
in Vertretung Brinkmann

Der Reichsminister der Justiz
Dr. Gürtner

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