Menü
Chronik und Quellen
1934
März 1934

März 1934

Der Kampf gegen die Arbeitslosigkeit und die Verbesserung der wirtschaftlichen Lage des einzelnen „Volksgenossen“ standen weiterhin ganz oben auf der Agenda der NS-Politik und der sie flankierenden Propaganda. Hierzu zählte auch der Auftritt Adolf Hitler bei der Eröffnung der Internationalen Automobil- und Motorrad-Ausstellung in Berlin am 8. März, in dessen Rahmen er die Ziele des NS-Regimes hinsichtlich des Kraftfahrzeugwesens skizzierte. Es sei dessen Wille, so hieß es in seiner Rede, „durch die Förderung des Automobilwesens nicht nur die Wirtschaft anzukurbeln und Hunderttausenden von Menschen Arbeit und Brot zu geben, sondern auch immer größeren Massen unseres Volkes die Gelegenheit zu bieten, dieses modernste Verkehrsmittel zu erwerben“. In dieses Bild passte es ausgezeichnet, dass Hitler exakt zum Beginn des Frühlings am 21. März eine weitere Autobahnbaustelle bei München und damit zugleich die „zweite Arbeitsschlacht“ eröffnete. Dadurch sollte die Zahl der Arbeitslosen weiter gesenkt und zugleich die militärische Infrastruktur verbessert werden. Mit der Rede, die der Reichskanzler vor rund 10.000 Arbeitern hielt und die wirkungsmächtig im Rundfunk übertragen wurde, begann im gesamten Reichsgebiet der „Arbeitsfrühling“. Hitler zeichnete das Bild einer rosigen und friedfertigen Zukunft: „In immer schnellerer Folge aber wird nun eine Strecke nach der anderen in Bau genommen werden.“ Das deutsche Volk wolle nichts anderes, „als in Freiheit und Frieden mitzuhelfen am Aufbau einer besseren Welt“.

Am 22. März beschloss das Reichskabinett zur Ankurbelung der Wirtschaft das „Gesetz zur Hebung der nationalen Kaufkraft“. Dieses Ziel sollte unter anderem durch eine Ermäßigung der Abgabe in die Arbeitslosenversicherung erreicht werden. Zugleich wurde ein weiterer wichtiger Schritt zur Gleichschaltung des Wirtschaftssektors unternommen: Nachdem das Kabinett am 27. Februar das „Gesetz zur Vorbereitung des organischen Aufbaus der deutschen Wirtschaft“ beschlossen hatte, durch das sämtliche Unternehmen künftig zwingend in Fachgruppen zusammengeschlossen waren, verkündete Wirtschaftsminister Schmitt am 1. März die hieraus resultierende neue Organisationsform der gewerblichen Wirtschaft im Deutschen Reich und ernannte zugleich die Führer der einzelnen Wirtschaftsgruppen. Hatten bis zu diesem Zeitpunkt all jene Unternehmer, die das wollten, außerhalb jeglicher Organisation wirtschaften können, waren nunmehr alle unter Zugrundelegung des Führerprinzips zwanghaft in den Verbänden organisiert. Angesichts solch gravierender Änderungen dürfte eine Initiative von Staatsrat Willi Börger, der zugleich Treuhänder der Arbeit im Rheinland war, eher als Randnotiz wahrgenommen worden sein und zumindest in Teilen der Bevölkerung durchaus auch für ein Schmunzeln gesorgt haben. Am 3. März ließ Börger nämlich einen „Aufruf an die schaffende Bevölkerung Deutschlands“ veröffentlichen, in dem er zur Steigerung des Weinkonsums aufrief. Das erachtete er offenbar als notwendig, weil „marxistische Gleichmacherei“ das Weintrinken bis zur NS-Machtübernahme als kapitalistisch verpönt habe.

Auch in anderer Hinsicht wurde im März 1934 eine rosigere Zukunft versprochen. Am 10. und 11. März fand in Düsseldorf nämlich ein großes Olympia-Werbefest statt. Aus diesem Anlass stellte die Tagespresse fest, dass die Olympischen Spiele des Jahres 1936 „eine Angelegenheit der Nation“ seien. „Alle Völker der Erde werden im neuen Deutschland vertreten sein, und man darf es als einen guten Gedanken des Führers bezeichnen, wenn er die Olympischen Spiele zu einer Propaganda für das Dritte Reich gestalten will.“

Überhaupt wurde in diesem Monat wieder einiges dafür getan, eine positive Außendarstellung des NS-Regimes zu gewährleisten. Mit dem 28. März entfielen die bisherigen Namen der deutschen Rundfunkgesellschaften – etwa Berliner Funkstunde, Bayerischer oder Westdeutscher Rundfunk –und wurden durch den allgemeingültigen Begriff „Reichssender“ ersetzt, der um den jeweiligen Sendeort – etwa „Reichssender Berlin“ oder „Reichssender Köln“ – ergänzt wurde. Es handelte sich hierbei jedoch nicht lediglich um eine eher kosmetische Umbenennung, sondern mit ihr ging einher, dass die alten Sender von der Bildfläche verschwanden und endgültig in der vom Propagandaministerium beherrschten Reichsrundfunkgesellschaft aufgingen. Am 31. März verschwand mit der „Vossischen Zeitung“, die an diesem Tag ihr Erscheinen einstellte, nicht nur eines der traditionsreichsten deutschen Presseerzeugnisse, sondern eine weitere kritische Stimme aus der deutschen Medienlandschaft. Eine zentrale Ursache für diesen Schritt der linksliberal orientierten Berliner Tageszeitung war die Tatsache, dass vieler ihrer Redakteure zuvor mit Berufsverbot belegt worden waren.

Ohnehin steht den ständigen Versprechen eines unaufhaltsamen Aufschwungs ein wachsendes Klima der Angst gegenüber. Die staatlicherseits sanktionierten Verfolgungsmaßnahmen hatten einen derartigen Umfang angenommen, dass Hermann Göring als preußischer Ministerpräsident zur Beruhigung der Bevölkerung am 11. März per Verordnung die Bestimmungen über die Schutzhaft änderte. Künftig musste nun nach Festnahmen binnen 24 Stunden ein entsprechender richterlicher Beschluss vorgelegt werden. Göring erläuterte: „Der nationalsozialistische Staat hat sich als starker Staat eine starke Polizei und innerhalb dieser in der Geheimen Staatspolizei ein besonders schlagfertiges Instrument geschaffen. Allerdings sei der NS-Staat kein Polizeistaat mit der Notwendigkeit, „überall und zu jeder Zeit nach vermeintlichen Gegnern zu fahnden und sich damit vielleicht erst künstlich die Opfer für den polizeilichen Zugriff zu schaffen“. Aber trotz solcher Verlautbarungen, die die tatsächliche Tätigkeit der Gestapo eher kaschieren sollten, fand deren oft brutales Vorgehen seine ununterbrochene Fortsetzung. Hausdurchsuchungen, Verhaftungen und Verhöre unter Anwendung von Folter blieben an der Tagesordnung.

Für Furore sorgte in der breiten Bevölkerung wohl die März-Ausgabe der HJ-Zeitschrift „Die Fanfare“, in der der Text des „Lieds von der Lola“ abgedruckt wurde. Angesichts von dessen Inhalt sah sich sogar die NS-Presse veranlasst, von einem „Produkt geistigen Tiefstandes“ zu sprechen und es als Negativbeispiel für den grassierenden „nationalen Kitsch“ scharf zu kritisieren. Das Lied handelt von einem Jäger, der nach dem Kampf für sein Land nach Hause zurückkehrt und seine geliebte Lola tot vorfindet. Dann heißt es: „Nimm dir eine neue Lola, eine Lola frisch und drall. Lola ist ein deutsches Mädchen, nicht bemalt und rasserein. Auch die Großmama von unserer Lola müsste wirklich arisch sein. Und dann schenke dir die Lola stets ein Kind im Monat Mai, dass die deutsche Hitlerjugend blühe, wachse und gedeih‘.“ – Das war selbst den meisten NS-Anhängern eindeutig zu viel des Guten, zeigte aber, welches rassistisch gefärbte Gedankengut bis in die höchsten HJ-Kreise zu finden war.

Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung

Am 5. März untersagte die Reichsschrifttumskammer Jüdinnen und Juden den Vertrieb von NS-Literatur sowie deren Auslieferung an jüdische Firmen und Warenhäuser.

Eine Woche später ordnete Reichswehrminister Werner von Blomberg in Anlehnung an das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ am 12. März an, jüdische Soldaten aller Dienstgrade mit sofortiger Wirkung aus der Reichswehr auszuschließen.

Am 16. März wurde für Bayern in Ausdehnung des Gesetzes vom April 1933 festgelegt, dass der Prozentsatz „nichtarischer“ Schüler mit deutscher Staatsangehörigkeit künftig 1,5 Prozent der Gesamtzahl aller Schüler einer Schule nicht übersteigen dürfe.

Am 23. März 1934 legte das Gesetz über die „Reichsverweisung“ fest, dass Personen mit fremder Staatsangehörigkeit und Staatenlose aus dem Reichsgebiet ausgewiesen werden können, wenn sie sich „staatsfeindlich betätigen“ oder wenn ihr Verbleiben aus anderen Gründen geeignet sein könnte, „die innere oder äußere Sicherheit des Reiches zu gefährden“. Hierzu zählten auch Verurteilungen bei kleinsten Vergehen, wobei insbesondere die sogenannten „Ostjuden“ unter besonderer Beobachtung standen.

Baum wird geladen...