Februar 1940
Der Monat begann sportlich: Am 4. Februar endete in Garmisch-Partenkirchen die IV. Internationale Wintersportwoche, an der sich außer Deutschland allerdings nur noch Italien und Jugoslawien beteiligten. Das Sportereignis diente als eine Art – allerdings unzulänglicher - Ersatz für die abgesagten Olympischen Spiele.
Ansonsten drehte sich ein Großteil des öffentlichen und privaten Lebens um Fragen der Versorgung. Am 15. Februar versuchte Hermann Göring als Beauftragter für den Vierjahresplan in einer Rundfunkrede den Bauern die Notwendigkeit einer Produktionssteigerung in der deutschen Landwirtschaft ans Herz zu legen. Die Parole für die von ihm damit ausgerufene „Erzeugungsschlacht 1940“ lautete: „Jeder Hektar muss ausgenutzt werden.“ Am gleichen Tag wurden Großhandel und Gewerbe im Deutschen Reich in die Zwangsbewirtschaftung von Rohstoffen miteinbezogen. Dadurch war künftig auch der Kauf von Spinnstoffwaren nur noch mit Bezugsschein möglich. Der Mangel an Textilien führte auch zu ersten Erscheinungen von Improvisation, als mit dem Aufruf „Hilf mit im Deutschen Frauenwerk“ Frauen ab dem 20. Februar animiert werden sollten, für Näharbeiten von Soldatenkleidung in sogenannten Ausbesserungsgemeinschaften mitzuarbeiten.
Mit Blick auf Politik und Propaganda gestaltete sich der Februar wenig spektakulär. Zur 20. Wiederkehr der Verkündung des NSDAP-Parteiprogramms hielt Adolf Hitler am 24. Februar in München eine Rede, in der er auf die für beide Völker „segensreiche deutsch-sowjetische Verbindung“ einging, die durch ein neues Wirtschaftsabkommen am 11. Februar noch einmal gefestigt worden sei. Das von NS-Seite als großer Erfolg propagierte Abkommen mit einem Volumen von 600 bis 700 Millionen RM sollte der deutschen Kriegswirtschaft vor allem Öl, Phosphate oder Getreide zuführen, während Rüstungsartikel exportiert wurden.
Joseph Goebbels empfing am 2. Februar die Filmstellenleiter der einzelnen Reichsgaue, um ihnen die besondere Bedeutung des Mediums im Krieg nahezubringen. Dabei erteilte er „intellektualisierenden Experimenten“ eine deutliche Absage und erklärte, dass der Film die Grundregeln wirksamer Propaganda, nämlich Vereinfachung und ständige Wiederholung, nicht außer Acht lassen dürften. Es sei Aufgabe des Films, „den Widerstandswillen auch des letzten Volksgenossen so zu stärken, dass unsere Kriegsführung zum vollen Erfolg führt“. Am 28. Februar hob dann Reichspresseleiter Otto Dietrich im Rahmen einer Tagung in Berlin die Bedeutung der Presse für propagandistische Aufgaben während des Krieges hervor.
Der wurde weiterhin genutzt, um massiv gegen die jüdische Bevölkerung vorzugehen. In einer großen Aktion wurden vom 12. bis 15. Februar erstmals Juden aus dem Reichsgebiet ins „Generalgouvernement“ deportiert. Betroffen hiervon waren 6.000 Menschen aus Schneidemühl, Stettin, Stralsund, Mährisch-Ostrau und Wien, die in den zum „Judenreservat“ bestimmten Bezirk Lublin zwangsumgesiedelt wurden.
Im Reichsgebiet selbst versuchten die NS-Rassenideologen den weiblichen Teil der Bevölkerung zur Erhaltung der „Rasse“ vom Nikotin fernzuhalten. In diesem Sinne warnte das Reichsgesundheitsamt am 26. Februar Frauen vor dem Rauchen. Rauchende Frauen, so hieß es, würden „schwerwiegende Folgen für die Zukunft und Gesundheit des gesamten deutschen Volkes“ verursachen.
Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung
Im Februar sahen sich insbesondere jüdische Ärzte und Juristen mit neuen gravierenden Einschnitten in ihre Berufs- und Einkommensverhältnisse konfrontiert. Ab dem 9. des Monats konnten die „Krankenbehandler“ und „Konsulten“, wie sie im NS-Jargon hießen, seit sie nur noch Angehörige der jüdischen Bevölkerung behandeln bzw. vertreten durften, nicht mehr frei über ihre ohnehin stark geschrumpften Einnahmen verfügen. Alle vereinnahmten Mittel, die nach amtlicher Ansicht nicht unbedingt zur Ausübung der Praxis erforderlich waren, mussten künftig auf „Sicherungskonten“ eingezahlt werden, auf die die Betroffenen selbst nur sehr eingeschränkt zugreifen konnten.
Am 13. Februar fuhr der gesamten im Reichsgebiet lebenden jüdischen Bevölkerung ein heftiger und sicherlich nachhaltig wirkender Schreck in die Glieder. An diesem Tag wurden mehr als 1.100 Jüdinnen und Juden aus Stettin und Schneidemühl ins polnische Lublin verschickt, was zugleich die erste Massendeportation aus dem „Altreich“ darstellte. Offiziell sollte die Aktion dazu dienen, Wohnraum für Baltendeutsche „mit seegebundenen Berufen“ freizumachen, inoffiziell stellte sie - lange vor dem Einsetzen der systematischen Deportationen im Herbst 1941 - nicht anderes dar, als den Auftakt zur „Endlösung der Judenfrage“ im Reichsgebiet. Aufgrund heftiger Proteste und anschließender Verhandlungen der Reichsvereinigung mit dem Reichssicherheitshauptamt durften zumindest einige der ursprünglich zur Vertreibung vorgesehenen vor Ort bleiben - in erster Linie Kinder und Jugendliche, die sich früheren Hachschara -Zentren ohnehin auf ihre Emigration nach Palästina vorbereiteten. Mit dieser Aktion war und blieb die Stettiner Synagogengemeinde ausgelöscht. Zugleich war an nur einem Tag praktisch jede Existenzmöglichkeit von Juden in Vorpommern zunichtegemacht worden.
Im besetzten Polen nahmen die antijüdischen Maßnahmen bereits zu diesem Zeitpunkt ein weitaus größeres Ausmaß an. Im RSHA entstand am 2. Februar der Plan zur Einrichtung einer „Umwandererzentralstelle“, die die „Selektion“ von zunächst rund 100.000 Polen durchführen sollte, die Platz zur Ansiedlung wolhynien- und galiziendeutscher Bauern machen sollten. Dabei war diese neue Einrichtung zugleich als „Filter“ gedacht, um jüdische von nichtjüdischen Polen zu trennen und anschließend nur „den rassisch wertvollen Teil der Polen ins Altreich abzulenken“. , dort zu assimilieren und später gegebenenfalls einzubürgern.
Bereits sechs Tage später wurden erste konkrete Maßnahmen ergriffen und in Lodz mit der „Umsiedlung von Juden innerhalb der Stadt mit dem Zweck der Wohnraumbeschaffung für Balten“ begonnen. Damit war das Getto in der Stadt eingerichtet. Die noch mehr als 160.000 in der Stadt lebenden Juden mussten innerhalb weniger Tage unter Zurücklassung des größten Teils ihres Besitzes in das ihnen zugewiesene Gebiet umziehen. Jeder Versuch, sich dieser Zwangsumsiedlung zu entziehen, sollte durch den Einsatz von Schusswaffen unterbunden werden.
Am 14. Februar erklärte mit dem SS- und Polizeiführer des Distrikts Lublin, Odilo Globocnik, ein ranghoher NS-Führer, wie künftig mit auf solche Art Evakuierten zu verfahren sei: Die „Juden und Polen sollten sich selbst ernähren und von ihren Landsleuten unterstützen lassen, da diese Juden genug hätten. Falls dies nicht gelänge, sollte man sie verhungern lassen.“