Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung
Am 1. Juni wurde jenen schulischen Einrichtungen, die ausschließlich von jüdischen Schüler*innen besucht wurden, durch Erlass des Reichsinnenministers die staatliche Anerkennung entzogen und jegliche Steuerbefreiung abgesprochen.
Am 9. Juni wurden auch die deutschen Universitäten für Juden endgültig verschlossen, denn von nun ab war es ihnen per Erlass des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung verboten, diese Einrichtungen auch nur als Gasthörer zu besuchen.
Auch die Verdrängung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben und die damit einhergehende Isolierung findet im Juni unvermindert ihre Fortsetzung. Durch die „Dritte Verordnung zum Reichsbürgergesetz“ wurde hierzu am 14. Juni 1938 der Begriff „jüdische Gewerbebetriebe“ ins Leben gerufen und deren Registrierung angeordnet. Auch nach außen hin sollte der jeweilige Status solcher Unternehmen unübersehbar sein, weshalb der Reichswirtschaftsminister, der Reichsinnenminister sowie der Stellvertreter des Führers angewiesen wurden, für sie eine besondere Kennzeichnung zu entwickeln und einzuführen, was per Erlass am 14. Juli geschah. Diese Maßnahmen dienten der Vorbereitung der Zwangsliquidation bzw. der „Arisierung“ dieser Betriebe. Am gleichen Tag forderte der Reichswirtschaftsminister die Sparkassen außerdem dazu auf, Juden und jüdischen Firmen künftig keine Kredite mehr zu gewähren. Eine weitere knappe Woche später wurden sie dann durch Erlass des Reichswirtschaftsministers am 20. Juni auch von den Börsen und Großmärkten ausgeschlossen und alle bisherigen Zulassungen kurzerhand für ungültig erklärt. Als Übergangsmaßnahme wurde Firmen in jüdischem Besitz „bis auf weiteres“ die Möglichkeit eingeräumt, sich in diesen Angelegenheiten durch nichtjüdische Bevollmächtigte vertreten zu lassen.
Mitte Juni wurde in Deutschland die Aktion „Arbeitsscheu Reich“ durchgeführt, der neben anderen diskriminierenden Aspekten auch eine starke antisemitische Stoßrichtung verfolgte. Nachdem bereits im April des Jahres im Rahmen einer vergleichbaren Maßnahme 1.500 bis 2.000 als „arbeitsscheu“ klassifizierte Männer festgenommen und in KZ interniert worden waren, wurde eine weitere, weitaus größere und unter gleichem Titel firmierende Aktion zwischen dem 13. und 18. Juni durchgeführt. Die ursprüngliche im Fokus stehende Gruppe der sogenannten Asozialen war auf persönliche Anordnung Hitlers erweitert und der Großrazzia damit auch eine eindeutig antisemitische Ausrichtung gegeben worden. Ende Mai hatte er angeordnet, dass nun reichsweit auch „asoziale und kriminelle Juden“ festzunehmen seien, weshalb sich unter den rund 9.000 Festgenommenen bis zu 2.500 geringfügig vorbestrafte Juden befanden, die ebenfalls in KZs eingewiesen wurden.
Als Reaktion auf den wachsenden und zusehends sichtbarer werdenden Widerspruch zwischen dem erklärten Ziel der Vertreibung der jüdischen Bevölkerung und der durch deren wirtschaftliche Ausgrenzungen rasch ansteigenden Zahl erwerbsloser und von Fürsorge abhängiger Juden begann man im Juni damit, an verantwortlicher Stelle über umfassende Zwangsarbeitsmaßnahmen als Bestandteil künftiger antijüdischer Politik zu diskutieren.
Parallel dazu wurde Joseph Goebbels und sein Propagandaapparat nicht müde, das antisemitische Klima zu schüren. Am 21. Juni hielt er, der zugleich ja auch als NSDAP-Gauleiter von Berlin fungierte, im dortigen Olympiastadion im Rahmen der großaufgezogenen Sonnenwendfeier eine Rede, die auch von betont antijüdischen Tönen geprägt war. Man habe, so hetzte er, in Berlin nicht jahrelang gegen das „internationale Judentum“ gekämpft, damit es sich heute „breiter mache“ als je zuvor. Goebbels prangerte es als geradezu empörend an, dass in den letzten Monaten rund 3.000 Juden in dieStadt zugewandert seien. „Sie sollen dahin gehen, woher sie gekommen sind, und sie sollen uns nicht noch weiter lästig fallen“, führte er unter lauten Jubel aus. Zugleich wies er jedoch – recht scheinheilig – darauf hin, dass die notwendige Auseinandersetzung mit dem Judentum streng nach dem Gesetz von Partei und Staat geführt werden, „und nicht von der Straße“. Es werde durch gesetzliche Maßnahmen dafür gesorgt werden, dass jeglicher jüdischer Einfluss - auch der in der Wirtschaft - in absehbarer Zeit gebrochen werde.
Währenddessen setzte sich im jüdischen Alltag die herabwürdigende Diskriminierung in allen Bereichen fort. So ordnete ein Erlass des Reichsinnenministers am 22. Juni an, dass die Unterbringung von Juden in Krankenanstalten künftig so auszuführen sei, dass die „Gefahr von Rassenschande“ vermieden würde. „Juden sind in besonderen Zimmern unterzubringen.“