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Chronik und Quellen
1938
November 1938

Erinnerungen an das Pogrom in Köln

1988 erinnerte sich die1910 geborene Kölnerin Elisabeth Brecher in einem Interview an das Pogrom:

Ihre Familie wohnte damals in der Nähe des Waidmarktes, wo sie ein Uhren- und Schmuckgeschäft betrieb. In der Nachbarschaft wohnte die jüdische Familie Traube mit zwei kleinen Kindern. Der aus Polen stammende Herr Traube betrieb ein kleines Juweliergeschäft.

„Also, es war ein nettes - sagen wir mal - Hüben und Drüben. Wie geht‘s, was macht‘s Geschäft und so weiter. Und dann kam die Kristallnacht. Es war grauenhaft. Wir hatten insgesamt drei jüdische Geschäfte in der Umgebung und eine Metzgerei, eine Ochsenmetzgerei, Ecke Krummen Büchel - vor der Sternengasse - Am Kleinen Griechenmarkt. (..) Da war noch ein Metzger, da haben wir sehr viel gekauft. Es waren auch Juden und denen hat man natürlich alles kurz und klein geschlagen. (...)

Das fing schon abends an. Es ging über die halbe Nacht durch. Wir sind dann dahin, zum Herrn Traube, und dem war alles kurz und klein geschlagen, es war grausam. Und die kleinen Kinderchen und die Frau Traube, die wussten nicht aus noch ein. Meine Schwester, die ist sieben Jahre älter als ich, die sagte: ‚Hör mal, da müssen wir doch was tun.‘ Wir direkt wieder nach Hause, es waren ja nur fünf Häuser weiter. Dann haben wir ein paar Kannen Kaffee gekocht, guten heißen - es war ja im Herbst. Die Traubes konnten sich überhaupt nicht in ihrer Wohnung und ihrem Laden mehr bewegen. Die hätten sich praktisch auf den Bürgersteig setzen müssen. Und dann haben wir dann den Kaffee mit Butterbroten so am frühen Morgen, so gegen sieben, mit Körben - damals hatte man ja noch diese sogenannten Henkelkörbe - hingebracht. Der Herr Traube stand ganz entsetzt und fassungslos vor seinem vernichteten Hab und Gut. Meine Schwester, die ihn viel besser kannte als ich - ich war ja damals nur zeitweilig mit im elterlichen Geschäft - sagte: ‚Hier bitte schön, wir haben Ihnen was zurechtgemacht. Sie wollen doch sicher mal eine Tasse heißen Kaffee trinken.‘ Da nahm er den Korb: ‚Ja, ich nehme es dankend an, aber bitte - bitte tun Sie mir einen Gefallen - Sie kennen mich nicht!‘ Verstehen Sie, was er damit sagen wollte? Er sagte: ‚Sie kennen mich nicht, Fräulein F.‘ zu meiner Schwester, ‚denn wenn ich mich jetzt irgendwie noch länger mit Ihnen im Gespräch hier verbringe, dann passiert Ihnen das gleiche. Dann sind Sie Judenfreunde.‘ (…) Wir waren alle entsetzt. Und waren alle bereit zu helfen. Jedenfalls ist es so gewesen, dass selbst die jüdischen Leute abgewehrt haben, wenn man helfen wollte - abgewehrt haben, weil sie sagten: dann ziehe ich die anderen mit hinein.“

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