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Chronik und Quellen
1938
Oktober 1938

Erinnerungen an die "Polen-Aktion"

David Alster-Yardini wurde 1921 in Köln als David Alster geboren. Er wuchs mit vier Brüdern auf und besuchte das jüdische Realgymnasium Jawne. Sein Vater Hermann Alster betrieb ein Möbelgeschäft am Salierring 26, dass er jedoch 1937 deutlich verkleinern musste, indem er ein weitaus bescheideneres Geschäft Am Duffesbach eröffnete, das dann im Zuge des Pogroms im November 1938 völlig zertrümmert wurde. David konnte Ende 1938 nach Palästina emigrieren und dort an der hebräischen Universität ein Studium beginnen. Nach 1½ Jahren siedelte er in die USA über, wohin seine Familie hatte fliehen können.

Hermann Alster hatte drei weitere seiner Söhne (Josef, Walter und Joachim) Ende November 1938 per Zug in die Niederlande geschickt, wo sie in einem Kinderheim untergebracht wurden. Hierhin folgte er ihnen, nachdem er im April 1939 ein amerikanisches Visumerhalten hatte, mit seiner Frau und dem jüngsten Sohn Yitzchak (Isaac), um unmittelbar danach in die USA zu emigrieren. Im Juni 1940 war, nachdem auch David in den Vereinigten Staaten angekommen war, die Familie wieder vereint.

Davids Onkel, Nathan Manheim, ein Bruder seiner Mutter, war Inhaber eines großen Schuhgeschäftes in der Breite Straße 4 in Köln. Er wurde am 28. Oktober 1938 als polnischer Staatsbürger mit seiner Mutter und der ganzen Familie im Rahmen der „Polen-Aktion“ über die polnische Grenze abgeschoben. Sämtliche Familienmitglieder wurden 1942 in den Vernichtungslagern ermordet. Über die Abschiebung, die er noch in Köln miterlebte, berichte David Alster-Yardini in einem 1988 geführten Interview:

„Der 28. Oktober 1938. Ich wollte zu meinem Onkel. Er hatte ein großes Schuhgeschäft in der Breitestraße, es war ein großes Schuhgeschäft - der hatte 8 Angestellte. Das war der Bruder von meiner Mutter. Ich komme rein und ein entsetzliches Bild bot sich mir. Die standen alle in der Ecke und haben geweint. „Wo ist mein Onkel?“ Es hat keiner geantwortet, er war nicht da. Da hat sich herausgestellt - es waren so 9.30 Uhr, viertel vor 10 - dass um 9.00 Uhr die SS gekommen war und allen Juden polnischer Abstammung den Befehl gegeben hatte, das Geschäft zu liquidieren binnen 3 1/2 Stunden -eine Existenz, die mit Mühe und Fleiß aufgebaut war. Und dass sie sich dann um 12.30 Uhr stellen mussten, mit allem was sie mitnehmen konnten, im Polizeirevier in der Dasselstraße bzw. in der Gegend von der Dasselstraße war ein Polizeirevier. Als ich das gehört habe - also ich kann Ihnen gar nicht beschreiben, was da los war - es war unglaublich. Und dann natürlich habe ich an demselben Tag meine Verwandten - nicht die ganze Familie, sondern nur die zwei Eltern und 15 andere Verwandte, es waren also insgesamt 17 - im Polizeirevier zum letzten Mal in meinem Leben gesehen. Ich kann mich erinnern, wie Polizisten beiseite standen und geweint haben. Und ich weiß, dass meine Großmutter, die 72 Jahre alt war, dass der Polizist zu ihr hintrat und sagte: „Hören Sie, Sie brauchen nicht mitgehen, Sie sind eine ältere Dame, Sie brauchen nicht mitgehen." Und da sagte sie: „Wo mein Sohn hingeht, da gehe ich - ich trenne mich nicht von ihm." Das war der Inhaber des Schuhgeschäftes. Der Name war Mannheim. Und so war es das letzte Mal, dass ich sie gesehen habe. Von 1939 und Anfang 1940 habe ich noch Briefe, die mir nach Israel geschickt wurden, von Teilen der Familie. Aber das war schon das letzte, was ich gehört hatte, gesehen oder gehört.“

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