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Chronik und Quellen
1933
April 1933

April 1933

Am 1. April wurde der seitens der NSDAP am 28. März angeordnete Boykott gegen jüdische Geschäfte, Anwälte und Ärzte durchgeführt. Eine Woche nach dem Boykott verkündete die Regierung das „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“, das fortan die Entfernung oder Degradierung nicht arischer oder politisch missliebiger Beamter, Angestellter und Arbeiter in den Verwaltungen von Reich, Ländern und Kommunen ermöglicht und zugleich den Anpassungsdruck auf Beschäftigte im öffentlichen Dienst erheblich erhöht.

Am gleichen Tag wurde mit dem „Gesetz zur Gleichschaltung der Länder“ der im März begonnene Entmündigungsprozess der Länderregierungen fortgesetzt. Auf dessen Grundlage wurden – verstärkt ab Anfang Mai – „Reichsstatthalter“ eingesetzt, die die politische Entwicklung in den Ländern nicht nur beobachten sollten, sondern befugt waren, die Leiter der Landesregierungen und Minister zu ernennen und zu entlassen sowie Landesparlamente aufzulösen und Neuwahlen anzuordnen. Vier Tage später wurde am 11. April Hermann Göring von Hitler zum preußischen Ministerpräsidenten ernannt.

Die Umsetzung und der Erfolg all dieser Maßnahmen wurden durch einen zügigen Ausbau der politischen Polizei sichergestellt. So wurde am 1. April der Reichsführer-SS Heinrich Himmler zum kommissarischen Polizeipräsidenten von München und Nürnberg sowie zum Politischen Polizeikommandeur Bayerns ernannt, womit dessen steiler Aufstieg im deutschen Polizeiapparat begann. Schon im Januar 1934 wird Himmler bis auf Preußen und Schaumburg-Lippe die politische Polizei in allen deutschen Ländern kommandieren. Ein weiterer wichtiger Baustein des Überwachungssystems wurde am 26 April gelegt, als Göring als preußischer Ministerpräsident das Geheime Staatspolizeiamt (Gestapa) ins Leben rief. Es unterstand zunächst dem preußischen Innenminister und übernahm als Landespolizeibehörde die Aufgaben der neuen politischen Polizei. Um einen reibungslos funktionierenden Apparat zur Verfügung zu haben, wurden in den Regierungsbezirken Staatspolizeistellen eingerichtet, denen die Kreis- und Ortspolizeibehörden über alle wichtigen politischen Ereignisse Meldung zu machen hatten. Zu den zentralen Aufgaben des neuen Amtes zählten die Verhängung von „Schutzhaft“ und die Beobachtung eventueller oppositioneller Bestrebungen. Am 30. November wurde das Geheime Staatspolizeiamt dann dem preußischen Ministerpräsidenten unterstellt.

Andere wichtige Protagonisten des öffentlichen Lebens biederten sich dem neuen Regime ohne äußere Zwänge an. Die „Deutschen Christen“ etwa, eine Sammlungsbewegung rechtsgerichteter Protestanten, die statt der zahlreichen Landeskirchen eine evangelische Reichskirche anstrebten, bekundeten am 22. April in einem öffentlichen Aufruf: „Wir wollen eine Kirche der Deutschen. (..) Die Stunde ist da, dem herrlichen Reiche Adolf Hitlers die Kirche des Evangeliums zu geben.“ Angesichts solcher Äußerungen verwunderte es kaum, dass Hitler vier Tage später mit dem Königsberger Wehrkreispfarrer Ludwig Müller einen der zentralen Protagonisten der „Deutschen Christen“ zu seinem Beauftragten für die Angelegenheiten der evangelischen Kirche berief. Wiederum einen Tag später erklärte der Bundesführer des Stahlhelms, Franz Seldte, am 27. April seinen Eintritt in die NSDAP und die Unterstellung des Verbandes unter die Führung Hitlers.

Auch die Gewerkschaften versuchten sich mit der neuen Lage zu arrangieren. Am 28. April bildeten daher Vertreter des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes (ADGB), des Gesamtverbandes der christlichen Gewerkschaften und des Verbandes der Deutschen Gewerkvereine einen „Führerkreis“, der anschließend kundtat, die „nationale Revolution“ habe „einen neuen Staat“ geschaffen, der nunmehr eine „Umformung und Vereinheitlichung“ der Gewerkschaften ohne „klassenmäßige Trennung“ und „volksabgewandte Internationalität“ erfordere. Damit hatte ein wochenlanger Anpassungsprozess der Arbeitnehmervertreter seinen Höhepunkt erreicht.

Auch im kulturellen Leben dominierte die Anpassungsbereitschaft. Vor die Wahl gestellt, sich gleichschalten oder verbieten zu lassen, entschieden sich etwa die Verantwortlichen der in München erscheinende Satirezeitschrift „Simplicissimus“ am 16. April für den Weg des geringsten Widerstands im „zu sich selbst erwachten neuen Deutschland“. In deren Erklärung hieß es weiter: „Ihm und seinen großen Zielen im Innern wie nach außen auf seine Art zu dienen, sieht der ‚Simplicissimus‘, nach einer grundlegenden Umbesetzung der Redaktion, als seine vaterländische Pflicht an.“

Auch die Studenten orientierten sich in ihrer Mehrheit zum rechten politischen Spektrum. Am 13. April veröffentlichten zunächst in Berlin, danach auch an anderen Hochschulorten Angehörige der Deutschen Studentenschaft einen Aufruf „Wider den undeutschen Geist“, in dem der angebliche Einfluss „volksfremder“, in erster Linie jüdischer Ideen auf den deutschen Kultur- und Wissenschaftsbetrieb angeprangert und die Bereinigung von Bibliotheken und Büchereien gefordert wurde.

Dem gerade für Jugendliche und junge Erwachsene so attraktiven Sport widmete das an körperlicher Ertüchtigung stark interessierte NS-Regime seine besondere Aufmerksamkeit. Am 28. April ernannte Innenminister Frick den 45-jährigen ehemaligen Weltkriegsoffizier Hans von Tschammer und Osten, der bislang mit derartigen Dingen nicht in Berührung gekommen war, zum Reichssportkommissar. In dieser Funktion sollte der SA-Gruppenführer die Gleichschaltung des deutschen Sports organisieren und die öffentlichen Sportfördermittel an die Verbände verteilen. Nachdem bereits am 8. April die Deutsche Turnerschaft den Ausschluss von Juden und „Marxisten“ beschlossen hatte, wurde nunmehr der Arbeiter Turn- und Sportbund verboten.

Auch im schulischen Bereich veränderte sich einiges. Am 25. April etwa wurde das „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ verabschiedet, das den Anteil jüdischer Schüler und Studenten künftig auf 1,5 an der Gesamtzahl beschränkte. Fünf Tage zuvor war - pünktlich zum „Führergeburtstag“ – durch den preußischen Kultusministers Rust die Einrichtung Nationalpolitischer Erziehungsanstalten (NPEA) angeordnet worden. Die ersten dieser im Volksmund „Napola“ genannten Eliteschulen entstanden in den ehemaligen Kadettenanstalten Plön, Köslin und Potsdam. Trotz aller militärischen und politischen Orientierung handelte es sich bei den Napolas um staatliche Schulen, die zum Abitur führten und deren Lehrpläne sich an jenen der Realgymnasien orientierten.

Ohnehin kam dem 20. April in diesem Jahr eine besondere Bedeutung zu, wurde an diesem Tag doch erstmals „Führers Geburtstag“ – 1933 war es der 44. - reichsweit gefeiert. Amtsgebäude und Wohnhäuser wurden beflaggt und ein ganztägiges offizielles Feierprogramm durchgeführt. Der Führerkult begann seinen Siegeszug durch das Deutsche Reich.

 

Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung

Der Monat begann – wie zuvor ja offizielle angekündigt - dramatisch. Am 1. April wurde der seitens der NSDAP wegen angeblicher „antideutscher Greuelhetze“ von Juden im Ausland am 28. März angeordnete Boykott gegen jüdische Geschäfte, Anwälte und Ärzte im geplanten Ausmaß durchgeführt. Die Aktion stellte einen ersten reichsweiten Höhepunkt der antijüdischen Maßnahmen des NS-Regimes dar. Jüdische Geschäfte und Praxen wurden mit Plakaten und Schmierereien kenntlich gemacht und SA-Posten bezogen vor ihnen Stellung.

Die Aktionen richteten sich zugleich aber auch gegen jüdische Ärzte und Rechtsanwälte und protestierten gegen den Besuch von Schulen und Universitäten durch Juden. So wurden in Berlin die Bezirksämter vom Stadtschulrat angewiesen, alle jüdischen Lehrkräfte an den städtischen Schulen sofort zu beurlauben. Jüdische Staats- und Rechtsanwälte sowie Beamte im Strafvollzug mussten um ihre Beurlaubung nachsuchen, jüdische Notare wurden mit einem Betätigungsverbot belegt. Einige Juristen wurden – wie etwa in Köln – für einige Zeit in „Schutzhaft“ genommen. Ebenfalls in Köln ordnete der Oberbürgermeister am 1. April per Rundschreiben an, dass Juden in der Stadtverwaltung nicht weiter beschäftigt werden dürften, wobei sich das Verbot auch auf die Beschäftigung von getauften Juden und von Nichtjuden, die mit Juden verheiratet waren, erstreckte. - Obwohl Gewalttätigkeiten regimeseitig ausdrücklich untersagt worden waren, kam es in der Provinz dennoch zu einzelnen Ausschreitungen.

Die derart massiv angegangene jüdische Seite reagierte umgehend. So veröffentliche die Pressestelle des Centralvereins noch am 1. April eine Erklärung, in der sie betonte, dass auch von ihrer Seite die „Lügenmeldungen des Auslands“ über die Lage in Deutschland strikt zurückgewiesen worden wären. Zugleich erinnerte der Verband daran, dass 12.000 Juden im Ersten Weltkrieg für Deutschland ihr Leben gegeben hätten.

Es gab auf jüdischer Seite jedoch auch zahlreiche weniger „national“ gesinnte und anpassungsbereite Stimmen. So reagierte Robert Weltsch auf den antijüdischen Boykott noch am gleichen Tag mit dem Artikel „Tragt ihn mit Stolz, den gelben Fleck“ in der „Jüdischen Rundschau“. Dieser deutliche Ausdruck jüdischer Selbstbehauptung übte einen enormen Einfluss auf weite Kreise der jüdischen Bevölkerung aus und half ihr, ihre massiv erschütterte Identität zu stärken.

Unterstützung kam auch – jedoch nur in überschaubarem Maße – von außen. Ebenfalls bereits am 1. April richtete der Berliner Evangelischen Oberkirchenrat ein Telegramm an die Reichsvertretung der deutschen Juden, in dem er zum Ausdruck brachte, dass er die aktuellen Entwicklungen „mit größter Wachsamkeit“ verfolge und zugleich seine Hoffnung aussprach, dass die Boykottmaßnahmen „mit heutigem Tage ihr Ende finden“ würden. Am 6. April reagierte auch die Deutsche Bischofskonferenz mit einem von Kardinal Bertram an Reichspräsident Hindenburg gerichteten Protestschreiben gegen den antijüdischen Boykott vom 1. April.

Wie kaum anders zu erwarten, zog die Reichsregierung ein in allen Punkten positives Fazit der Aktion, das sie am 4. April in folgender offiziellen Erklärung als beendet erklärte: „Die Reichsregierung hat mit Befriedigung davon Kenntnis genommen, daß der Abwehrboykott gegen die deutschfeindliche Hetze seine Wirkung im Ausland nicht verfehlt hat. Abgesehen von kleineren Überbleibseln der Greuelhetze gegen Deutschland ist im übrigen die Hetze vollkommen abgestellt worden. Die Reichsregierung steht auf dem Standpunkt, daß es keinen Zweck hat, gegen diese Überbleibsel im Wege des Boykotts weiter vorzugehen, zumal es sich hier um eine Hetze handelt, die ihren Ausgang bei den Kommunisten hat. Der deutsche Abwehrboykott wird also am Mittwochvormittag (5. April 1933) nicht mehr aufgenommen, da er überflüssig geworden ist. Die Reichsregierung betont jedoch, daß die Abwehrorganisation der Nationalsozialistischen Partei noch aufrechterhalten bleibt, so daß für den Fall eines Wiederauflebens der Hetze der Abwehrkampf jederzeit wieder einsetzen könne.“

Was dann folgte, war in seinen Konsequenzen für die davon unmittelbar betroffenen Jüdinnen und Juden wohl weitaus tiefgreifender und in seiner Wirkung deutlich nachhaltiger als der Boykott selbst. Nachdem das Reichsfinanzministerium am 6. April die Zulassung aller jüdischen Steuerberater aufgehoben und bestimmt hatte, dass neue Zulassungen „bis auf weiteres“ nicht mehr ausgestellt werden dürften und am 7. April das „Gesetz über die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft“ die Neuzulassung „nichtarischer“ Anwälte ausgeschlossen hatte, wurden weite Teile der jüdischen Bevölkerung von den Auswirkungen des am gleichen Tages erlassenen „Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ (BBG) massiv getroffen. Es bestimmte u.a., dass „Beamte, die nicht arischer Abstammung“ seien, mit Ausnahme jener, „die bereits am 1. August 1914 Beamte gewesen sind oder die im Weltkrieg an der Front für das Deutsche Reich oder für seine Verbündeten gekämpft haben“, allesamt „in den Ruhestand zu versetzen“ seien.

Drei Tage später traf es den Ärztestand. Am 10. April erklärte der Kommissar der ärztlichen Spitzenverbände, dass in der deutschen Ärzteschaft seit langem ein zahlenmäßiges „Missverhältnis“ zwischen „Deutschstämmigen“ und Juden bestanden habe. Inzwischen seien daher zahlreiche jüdische Ärzte aus Krankenhäusern, Instituten, Universitäten und aus dem öffentlichen Gesundheitsdienst sowie aus den Berufsorganisationen der Ärzte entlassen worden. Nunmehr sollte die wirtschaftliche Existenz der Ärzte allerdings flächendeckend bedroht werden, indem man ihnen die Krankenkassenzulassung entzog und nur noch in Ausnahmefällen hierzu zuließ.

Diese Ankündigung wurde mit der am 22. April erlassenen „Verordnung über die Zulassung von Ärzten zur Tätigkeit bei den Krankenkassen“ umgehend in die Praxis umgesetzt. Durch sie wurde „die Tätigkeit von Kassenärzten nicht arischer Abstammung und von Kassenärzten, die sich im kommunistischen Sinne betätigt haben“, mit Wirkung vom 1. Juli 1933 beendet. „Neuzulassungen solcher Ärzte zur Tätigkeit bei den Krankenkassen finden nicht mehr statt.“ Vielmehr verloren sämtliche von der Verordnung betroffenen Ärzte ihre Zulassung. Nur, wenn zu befürchten sei, „dass dadurch die ärztliche Versorgung ernstlich gefährdet“ werde, könne die Frist des 1. Juli verschoben werden.

Auf lokaler Ebene waren verschiedene Städte und Länder dem schon aus eigener Initiative zuvorgekommen. In Bayern waren die jüdischen Schulärzte fristlos entlassen und n Berlin und vielen anderen Städten die Wohlfahrtsämter angewiesen worden, Kranke nicht mehr zur Behandlung an jüdische Ärzte zu verweisen. Der Duisburger Ärzteverband versah auf Anweisung des NSDAP-Kreisleiters Überweisungen an Fachärzte sogar mit dem Stempel „Nicht für jüdische Ärzte gültig“.

Auch andere Berufsgruppen waren massiv betroffen. Ebenfalls am 22. April wurden alle jüdischen Lehrer aus dem Lehrerverein ausgeschlossen und im Deutschen Apothekerverein ein „Arierparagraf“ eingeführt.

Der Ausschluss aus dem schulischen Bereich wurde dann am 25. April durch das „Gesetz gegen die Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ sanktioniert und ausgeweitet. Künftig war bei Neuaufnahmen in darauf zu achten, dass die Anzahl von „Nichtariern“ unter der Gesamtheit der Besucher jeder Schule und Hochschulfakultät „den Anteil der Nichtarier an der reichsdeutschen Bevölkerung nicht übersteigt“, wobei dieser Wert „einheitlich für das ganze Reichsgebiet festgesetzt“ wurde. Ausgenommen bleiben von dieser neuen Regelung sollten (zunächst) die im BBG vorgesehenen Ausnahmen für Kinder von Weltkriegsteilnehmern sowie „Halbjuden“, deren Eltern vor Inkrafttreten des Gesetzes geheiratet hatten. Die Durchführungsverordnung vom gleichen Tag legte den Höchstanteil von „nicht arischen“ Schülern und Studenten bei Neuaufnahmen auf 1,5, bei der Gesamtzahl der bereits Aufgenommenen auf 5 Prozent fest.

Die antijüdischen Maßnahmen betrafen auch immer stärker die Freizeitgestaltung und die Religionsausübung der davon Betroffenen. Besonders schnell und streng ging hierbei die Deutsche Turnerschaft vor, die ihren bisherigen jüdischen Mitgliedern die Ausübung des Sports unter dem Vereinsdach untersagte. Mit 1,6 Millionen Mitgliedern der größte Verband im Deutschen Reichsausschuss für Leibesübungen, beschloss dessen Hauptausschuss nur einen Tag nach dem Inkrafttreten des BBG am 8. April dessen Bestimmungen hinsichtlich der „Nichtarier“ für seine Satzung zu übernehmen. Dabei ließ man es jedoch nicht bewenden. Während die im BBG verankerten Ausnahmeregelungen für Frontkämpfer des Ersten Weltkriegs zunächst noch weitgehend Anwendung fanden, beschloss die Turnerschaft bereits am 17. Mai 1933 eine „Vollarisierung“ und damit auch deren Ausschluss. Aber nicht nur das. Bei ihr reichte nun schon ein jüdischer Großelternteil, um Mitglieder auszuschließen, womit der Verband über die NS-Rassengesetzgebung hinausging, die eine solche Maßnahme gegen sogenannte „Vierteljuden“ nie vorsah. Am 25. April führte der Reichssportkommissar dann die „Arierklausel“ des BBG in allen deutschen Sport- und Turnvereinigungen ein.

Die freie Ausübung ihrer Religion und der damit verbundenen Vorschriften wurden für Juden am 21. April 1933 durch das „Gesetz über das Schlachten von Tieren“ und die hierzu am nächsten Tag erlassene Verordnung erheblich eingeschränkt. Hierdurch wurde das rituelle Schlachten nach den Vorschriften des jüdischen Religionsgesetzes („Schächten“) untersagt, was für Sachsen (22. März) und Baden (6. April) schon zuvor geschehen war.

Während sich die jüdische Seite gegen die Flut von Angriffen, Diskriminierungen und Ausschlüssen durch die am 13. April erfolgte Gründung des „Zentralausschusses der deutschen Juden für Hilfe und Aufbau“ (ZAHA) sowie am 29. April durch eine Verbreiterung der repräsentativen Basis der (alten) Reichsvertretung der deutschen Juden durch den Eintritt wichtiger jüdischer Organisationen in deren Vorstand zu behaupten versuchte, blieb Unterstützung von anderer Seite weitgehend aus. So lehnten die Vertreter der katholischen Kirchenprovinzen im Rahmen einer Tagung in Berlin es am 25. April ab, eine Protesterklärung gegen die Anwendung des „Arierparagrafen“ im kirchlichen Bereich zu verabschieden. Der Kirchenausschuss der Altpreußischen Union tat es der katholischen Seite gleich, indem er während seiner am 25./26. April ebenfalls in Berlin stattfindenden Tagung die gleiche Haltung einnahm.

Dabei stellten die zuvor für viele unfassbaren Geschehnisse des April 1933 lediglich den Auftakt zu weitaus umfassenderen antijüdischen Maßnahmen dar. Das wurde spätestens am 6. April deutlich, als eine Arbeitsgruppe, die sich bereits wenige Wochen nach der NS-Machtübernahme zusammengefunden hatte, einen ersten „Entwurf zu einem Gesetz zur Regelung der Stellung der Juden“ vorlegte, der die Grundlage für die zukünftige NS-Judenpolitik darstellen sollte. Zu den Inhalten der 22 Paragrafen, die einige der später erlassenen Verordnungen vorwegnahmen, zählte auch der Verlust aller politischen Rechte für Jüdinnen und Juden. Zugleich regelte der Entwurf zahlreiche alltäglichen Dinge. Darin enthalten waren beispielsweise das Verbot sexueller Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden, Berufsverbote, die Ausweisung ausländischer Jüdinnen und Juden und dergleichen mehr. Dieser Entwurf wurde schließlich nicht realisiert, sondern einer schrittweisen Ausgrenzung der Vorrang gegeben. Er stand jedoch am Anfang einer systematisch „abzuarbeitenden“ langen Liste juristischer Fantasien, die dann in Form immer neuer antijüdischer Gesetze Realität wurden, deren Zahl schließlich auf mehr als 2.000 ansteigen und deren Inhalte immer größere Rechtsunsicherheit schaffen sollten.

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