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Chronik und Quellen
1942
April 1942

Flucht vor der Deportation

Am 4. Mai legte ein Beamter der Düsseldorfer Gestapo folgenden Aktenvermerk an:

„Düsseldorf, den 4.5.1942

Die Jüdische Gemeinde in Düsseldorf teilte fernmündlich mit, daß sich die Jüdin Selma Sara P[..], geb. W[..], dort gemeldet habe. Dem Vorsteher des Büros in Düsseldorf, Rudolf Israel B[ ] wurde aufgegeben, die P[..] zur hiesigen Dienststelle zu bringen und der hiesigen Kriminalpolizei die Rückkehr der P. zu melden.

Gegen 11.00 Uhr erschien die Jüdin P. und gab auf Befragen an, daß sie 2 Tage vor dem festgesetzten Transport nach dem Osten (also am 20.4.42) aus ihrer Wohnung gegangen sei mit der Absicht, sich durch Ertränken im Rhein das Leben zu nehmen. Sie sei dann einige Stunden in Düsseldorf umhergeirrt und habe plötzlich den Einfall bekommen, nach Köln zu fahren. In den Nachmittagsstunden des 20.4.42 sei sie dann mit der Eisenbahn nach Köln gefahren, nachdem sie sich vorher auf einer Toilette des Düsseldorfer Hauptbahnhofs den Judenstern von der Kleidung entfernt hatte. In Köln sei sie ebenfalls einige Zeit in der Stadt umhergeirrt und habe sich schließlich erschöpft auf eine Bank auf dem Kölner Hauptbahnhof gesetzt. Dort sei ein ihr fremder, älterer Herr auf sie zugekommen und habe sie gefragt, warum sie so weine und wo sie hin wolle. Hierauf will sie diesem Herrn erzählt haben, daß sie Jüdin sei und von Düsseldorf für einen Judentransport bestimmt sei. Diese Fahrt ins Ungewisse könne sie aber nicht mitmachen und deshalb sei sie von Hause weggegangen, um sich im Rhein zu ertränken. Dann habe sie jedoch die Nerven verloren und sei planlos umhergeirrt. Der Herr soll sie dann gefragt haben, ob sie Geld habe und ob sie mit ihm nach München fahren wolle. Das Fahrgeld für nach München zu fahren, will die P. dann dem Herrn gegeben haben und daraufhin mit ihm mit dem Abendzug von Köln nach München gefahren sein. Der unbekannte Herr habe in München eine 3-Zimmer-Wohnung gehabt und sie dort aufgenommen. Der Herr sei morgens aus der Wohnung gegangen und abends wiedergekommen. Nach einigen Tagen habe er ihr erklärt, daß er sie nicht halten könne, weil sie ja keine Lebensmittelkarten habe, sie müsse deshalb seine Wohnung wieder verlassen. Da sie nicht gewußt habe, wo sie nun hin solle und auch nicht mehr den Mut gehabt habe, Selbstmord zu begehen, sei sie wieder nach Düsseldorf zurückgekommen. Den Namen des Unbekannten, der sie mit nach München genommen habe, will sie nicht kennen. Auch will die P. nicht wissen, wo der Mann in München wohnt.

Die P. wurde in Schutzhaft genommen.“

Am 11. Juni 1942 reagierte das Reichssicherheitshauptamt mit folgendem Fernschreinen an die Staatspolizeileitstelle Düsseldorf:

„Für die Obengenannte ordne ich hiermit Schutzhaft bis auf weiteres an. - Schutzhaftbefehl ist wie folgt auszustellen. - -

Indem dadurch, daß sie sich ihrer Evakuierung durch unerlaubte Entfernung aus ihrem Wohnort entzieht, werden die bevölkerungspolitischen Maßnahmen der Reichsregierung sabotiert. Sie ist dem am 15.6.42 von dort abgehenden Evakuierungstransport anzuschließen, falls die Richtlinien auf sie zutreffen. Die Schutzhaft wird mit dem Reisetage, den ich zu berichten bitte, aufgehoben."

Am 15. Juni 1942 wurde P. nach Izbica deportiert.

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