April 1942
Im April gelang es der deutschen Marine zwar, im Rahmen der „Atlantikschlacht“ alliierte Schiffe in der Gesamtgrößenordnung von rund 395.000 Bruttoregistertonnen zu versenken. Allerdings war dieser Wert weit entfernt von den 900.000 BRT, die Admiral Karl Dönitz als Befehlshaber der deutschen U-Boote für das Minimum hielt, um die monatliche Neuproduktion von Schiffsraum allein durch die USA zu übertreffen. Unter solchen Voraussetzungen war der Seekrieg kaum zu gewinnen.
Am 4. April ordnete Adolf Hitler ohne Berücksichtigung der realen militärischen Lage für den Sommer an der südlichen Ostfront den Vorstoß zum Kaukasus an, um dann eine Woche später als erstes Ziel der beginnenden Frühjahrsoffensive die Einnahme von Woronesch im Mittelabschnitt der Ostfront zu befehlen. Tatsächlich gelang es der Wehrmacht am 15. des Monats noch, die seit Anfang Februar eingeschlossene sowjetische 33. Armee zu zerschlagen. Dann aber erfolgte am 18. April ein Wetterumschwung, mit dem die Frühjahrs-Schlammperiode begann. Schneeschmelze und Regen verwandelten Straßen in unpassierbare Schlammwüsten, die die Kampftätigkeit an allen Abschnitten der Ostfront innerhalb weniger Tage zum Erliegen brachten und einen zermürbenden Stellungskrieg einleiteten. Lähmung und zunehmende Erschöpfung bemächtigten sich der Wehrmachtsverbände, während der von Hitler zum Jahresbeginn angekündigte schnelle Sieg in weite Ferne rückte. Erschwerend kam hinzu, dass sowjetische Truppen am 28. April im Raum Murmansk im Norden der Halbinsel Kola ihrerseits eine Offensive starteten.
Auch im Reichsgebiet gestaltete sich die Lage zunehmend bedrohlich. Nachdem in den Nächten zum 6. bzw. zum 13. April bereits Köln und Essen zum Ziel schwerer britischer Luftangriffe geworden waren, griff die Royal Air Force vom 24. bis zum 27. April in vier aufeinanderfolgenden Nacht-Angriffen Rostock an und zerstörte dessen Altstadt weitgehend. Das NS-Regime versuchte im Gegenzug Stärke zu demonstrieren und griff am 24. April – offiziell als Vergeltung für den Angriff auf Lübeck am 28. März - die britische Stadt Exeter an. Zwei Tage später wurden die südenglischen Städte Bath, Norwich und Canterbury als Reaktion auf die Zerstörung von Rostock bombardiert. Die Briten zeigten sich jedoch wenig beeindruckt und flogen ihrerseits am 28. April einen erneuten schweren Angriff gegen Köln.
In zahlreichen Städten und Industriebezirken im Reichsgebiet häuften sich im April Sabotageakte gegen Industrieanlagen und Versorgungseinrichtungen. Außerdem berichtete die Gestapo am 17. April über eine Zunahme antinationalsozialistischer Parolen in Rüstungsbetrieben, auf Plakatwänden, in Bahnhöfen und auf Häuserwänden. Im Ruhrgebiet häuften sich demnach Aussagen wie „Nieder mit Hitler“ oder „Gegen Hitler für Freiheit und Frieden“.
Zur Stimmungseintrübung trug sicherlich bei, dass am 6. April die Lebensmittelrationen im Deutschen Reich spürbar gekürzt wurden. Der „Normalverbraucher“ - und damit rund 40 Prozent der Bevölkerung - erhielt in der neuen Zuteilungsperiode statt 2.250 Gramm Brot nur noch 2.000, die Fleischzuteilung wurde von wöchentlich 400 auf 300 Gramm reduziert, jene an Fett von 269 auf 206 Gramm. Gründe für die empfindlichen Kürzungen waren schlechte Ernten der Jahre 1940 und 1941, vor allem aber der hohe Bedarf der Wehrmacht, der Schwerstarbeiter in der Rüstungsindustrie und die rapide steigende Zahl an Zwangsarbeitern. Die Maßnahme traf auf wenig Verständnis. Während Hausfrauen beklagten, ihre Familien kaum mehr satt zu bekommen, heizte die verschärfte Rationierung allgemein Spekulationen über sich abzeichnende Leistungsgrenzen der deutschen Kriegswirtschaft an. Niederschlag fand das unter anderem in ungezählten „alternativen“ Ernährungstipps in Presse und Rundfunk. So wurde etwa ein „Brotaufstrich aus Schafgarbe, Sauerampfer, Petersilie, Schnittlauch, etwas Essig und Salz“ empfohlen, der „mit Milch verdünnt, auch als Soße verwendet werden“ könne.
Entsprechend hart fielen Reaktionen auf Verstöße gegen Verordnungen aus. Am 9. April verurteilte ein Berliner Sondergericht einen Schweinehändler wegen fortgesetzten Schwarzschlachtens zum Tode – nur ein Beispiel für zahlreiche, zur Abschreckung stets in der Presse veröffentlichten Todesurteile gegen „Volksschädlinge“. Auch vergleichsweise harmlos erscheinendes Verhalten – etwa Gespräche unter vier Augen – konnten aufgrund der weitreichenden Befugnisse der Sondergerichten als öffentlich definiert und, wenn ein politischer Inhalt unterstellt wurde, sanktioniert werden.
Neben dem Versorgungsproblem stand weiterhin das des Arbeitskräftemangels. Am 13. April schlug Hermann Göring als Generalbevollmächtigtem für den Vierjahresplan eine Verlängerung der wöchentlichen Mindestarbeitszeit in öffentlichen Verwaltungen auf 56 Stunden vor. Eine Woche später wurden dann Frauen per staatlicher Verordnung zum Arbeitseinsatz in Rüstungsbetrieben verpflichtet. Damit wurden erstmals auch verheiratete Frauen und Mütter zur Berufsarbeit herangezogen und damit ein zentraler Bestandteil von NS-Ideologie und -Propaganda, wonach die Berufung der deutschen Frau im Muttersein liege, revidiert. Nunmehr hatten auch Frauen schwere Arbeit in den Rüstungsbetrieben zu leisten, wobei ihr Lohn allerdings 20 Prozent unter dem der Männer lag. Die Maßnahme traf auf scharfe Kritik der Betroffenen, die sich nunmehr der Doppelbelastung durch Haushalt und Beruf ausgesetzt sahen.
Der Monat endete mit einer außerordentlichen Ausweitung der formalen Machtbefugnisse Adolf Hitlers: Am 26. April erteilten die Abgeordneten des deutschen Reichstages Hitler schließlich die Vollmacht, als Oberster Gerichtsherr künftig ohne Bindung an formale Rechtsgrundsätze nach Gutdünken Recht sprechen zu können. Damit wurden letztlich alle formalen Rechtsvorschriften außer Kraft gesetzt. Willkürlicher konnte eine Herrschaft kaum mehr definiert werden; der Wille des „Führers“ stand ohne jegliche begleitende Kontrolle über allem, konnte Hitler nunmehr doch im Wortsinn jeden „ohne Einleitung vorgeschriebener Verfahren aus seinem Amt, aus seinem Rang und aus seiner Stellung entfernen“.
Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung
Auch im April wurde die noch in Deutschland verbliebene jüdische Bevölkerung weiterhin in die völlige Isolation getrieben, indem ihr der Besuch von „Ariern“, aber auch von in Mischehe lebenden Personen in deren Wohnungen verboten wurde. Damit wurden auch zahlreiche bis dahin mögliche innerfamiliäre Kontakte dauerhaft unterbunden. Solchen und weiteren Zwecken dienten auch die am 24. März verfügten neuen und noch weiter einschränkenden Bestimmungen zur Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel durch Jüdinnen und Juden. Sie bedurften künftig auch in ihrer Wohngemeinde für den Ortsverkehr einer schriftlichen Erlaubnis der Polizei, die nur jene erhielten, die sich im „Arbeitseinsatz“ befanden oder eine Schule besuchten, wobei die Arbeitsstätte mehr als 7 km, die Schule mehr als 5 km entfernt liegen musste. Sonst waren diese Wege zu Fuß zurückzulegen. Gleiches galt auch für Krankenbehandler, Krankenschwestern, Hebammen und Rechtsberater. Am gleichen Tag wurde der jüdischen Bevölkerung Dresdens befohlen, alle Rasierapparate, neuen Kämme und Haarscheren an die zuständigen Stellen abzuliefern.
Trotz allem versuchten die Verantwortlichen weiterhin, einen allerletzten Schein zu wahren So wies das Reichssicherheitshauptamt am 5. April die Polizeipräsidenten, Landräte und Bürgermeister an, in den Melderegistern nicht etwa den Zielort der jeweiligen Deportationen, sondern lediglich den Vermerk „'unbekannt verzogen“ oder „ausgewandert“ einzutragen.
Währenddessen wurden im Distrikt Lublin weitere Gettos geräumt und bis Mitte April 14.000 weitere Jüdinnen und Juden nach Belzec gebracht.