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Chronik und Quellen
1934
April 1934

April 1934

Zum Monatsbeginn wurde seitens der NS-Propaganda das positive Wirken der „Volksgemeinschaft“ gefeiert. Nachdem am 1. April das seit Oktober 1933 laufende Winterhilfswerk 1933/34 offiziell beendet worden war, wurde offiziell mitgeteilt, dass mehr als 16 Millionen bedürftige Menschen durch das WHW unterstützt worden seien – allerdings nur dann, wenn sie Angehörige „rassisch wertvoller, erbgesunder Familien“ waren.

Am 9. April traten dann rund 1,5 Millionen berufstätige Jugendliche erstmals zum „Reichsberufswettkampf der deutschen Jugend“ an, um in diesem Rahmen „Zeugnis abzulegen von ihrem Können und ihrem Wert für die deutsche Zukunft“. Schon am 1. Mai, dem „Tag der nationalen Arbeit“, sollen die Sieger dieser „Schlacht des Friedens“, die künftig im Frühjahr jeden Jahres stattfinden wird, von Hitler persönlich empfangen und ausgezeichnet werden. Auch der Berufswettkampf beschwor den allgegenwärtigen Gedanken der „Volksgemeinschaft“, denn laut NS-Propaganda entschied er darüber, „ob das deutsche Volk in Zukunft ein Volk von fähigen und hochbegabten Arbeitern sein wird, eine durch gemeinsame Arbeit zusammengeschweißte Gemeinschaft der Schaffenden, oder ob eine dahinvegetierende Masse von unfähigen kraftlosen Drohnen einen Platz einnehmen“ werde.

Die gleiche „Volksgemeinschaft sah aber zugleich auch eine klare Rollenzuweisung vor. So führte das Beispiel der Stadt Düsseldorf am 23. April die Folgen vor Augen, die das Bestreben des NS-Regimes, Frauen aus dem Berufsleben zurückzudrängen, nach sich zogen. Im Stadtgebiet hatte sich die Zahl der Eheschließungen binnen Jahresfrist um 67 Prozent erhöht, wobei in aller Regel die Neuehefrauen aus dem Berufsleben ausgeschieden waren, um sich ausschließlich der Familie zu widmen. Diese Entwicklung lobte Propagandaminister Goebbels, indem er immer wieder auf die „Verschiedenheit der Geschlechter“ hinwies und betonte, „dass die Frau sich mehr für das Leben im Hause, weniger aber für das Leben in der Öffentlichkeit“ eigne. Ihr „ureigenstes Gebiet“ sei „die Fürsorge für das kommende Geschlecht“.

Zugleich wurde weiter am Aufbau eines möglichst effektiven Überwachungs- und Verfolgungsapparates gearbeitet. Hierbei gelang dem Reichsführer-SS Heinrich Himmler der nächste wichtige Karriereschritt, als er an „Führers Geburtstag“, also dem 20. April, von Hermann Göring in dessen Funktion als preußischer Ministerpräsident zum Leiter des Geheimen Staatspolizeiamtes (Gestapa) berufen wurde.

Vier Tage später wurde am 24. April per Gesetz der „Volksgerichtshof“ ins Leben gerufen, der künftig Hoch- und Landesverrat und andere politische Delikte aburteilen sollte. Dabei wurde auf eine Unterscheidung von Absicht und vollendeter Tat verzichtet und damit ein „Willensstrafrecht“ etabliert. Sobald künftig also mit Vorbereitungshandlungen die Ausführung einer Tat ihren Anfang genommen hatte, waren der oder die Täter voll strafbar, weil sie damit durch die Bestimmungen des neuen Gesetzes bereits zum „tätigen Feind des Volkes“ geworden waren. Gefällt wurden die Urteile dieser neuen Gerichtsinstanz, gegen die – wie bei den Sondergerichten - keine Berufung möglich war, von Gremien, denen auch sogenannte „Laienrichter“ angehörten, die von Hitler persönlich ernannt wurden. Am 1. August 1934 wird der Volksgerichtshof seine Arbeit aufnehmen.

Überwachung, Kontrolle und Bestrafung wurden zwar mehr und mehr zu einer wichtigen Grundlage des NS-Staates, doch sah sich das Regime schon bald gezwungen, den damit eröffneten Möglichkeiten für jeden einzelnen entgegenzusteuern. Am 28. April sah sich Innenminister Frick veranlasst, die Länderbehörden dazu aufzufordern, die ihnen unterstehenden Polizeidienststellen anzuweisen, strenger gegen das ausufernde Denunziantentum vorzugehen. Zuvor hatte eine Nachprüfung der wegen angeblicher staatsfeindlicher Betätigung gestellten Anzeigen ergeben, dass sehr viele von ihnen auf rein private Konflikte zurückgingen. Insbesondere bei Hausstreitigkeiten waren solche politischen Verdächtigungen ein beliebtes Mittel.

Auch im April ging das seitens des NS-Regimes durch politische Zwangsmaßnahmen und wirtschaftliche Repressionen ausgelöste Zeitungssterben weiter. Zum Monatsende stellten die „Deutsche Tageszeitung“, der „Hamburger Correspondent“ und die „Frankfurter Nachrichten“ ihr Erscheinen ein. Was das NS-Regime anstrebte, lag klar auf der Hand: Am 10. April äußerte Propagandaminister Goebbels gegenüber den versammelten Intendanten der einzelnen Reichssender, dass es in Deutschland weltweit den ersten politischen Rundfunk gäbe. Selbstverständlich, so äußerte er in aller Klarheit, sei die Politik der NS-Regierung daher zugleich Grundlage jeder Programmgestaltung, auch wenn in einzelnen Sendungen Politik nicht ständig in den Vordergrund gerückt werden müsse.

Ansonsten diskutierte man in der deutschen Öffentlichkeit die militärische Zukunft, hatte Hitler doch, nachdem die deutsche und die Weltöffentlichkeit bereits in den Wochen zuvor durch verschiedene Äußerungen von NS-Größen auf die geplante, gegen die Bestimmungen des Versailler Vertrages verstoßende Aufrüstung vorbereitet worden war, in einem Interview mit der „Associated Press“ am 3. April eine Verdreifachung des Heeres auf 300.000 Mann gefordert.

 

Verdrängung und Vernichtung der jüdischen Bevölkerung

Was ein Jahr zuvor am 23. April 1933 mit dem „Gesetz gegen Überfüllung deutscher Schulen und Hochschulen“ begonnen hatte, wurde am 4. April ausgedehnt: Die Beschränkungen der Aufnahme „nichtarischer“ Schüler galt nun nicht nur für die Hochschulen, sondern künftig auch für höhere und Mittelschulen. Bei der Aufnahme von nichtarischen Schülern in diese Schulen - nach Maßgabe der gesetzlichen Beschränkungen - waren nunmehr solche Schülerinnen und Schüler zu bevorzugen, die „nachgewiesenen arischen Bluteinschlag“ hatten, sowie Kinder aus seit längerer Zeit in Deutschland ansässigen Familien. Außerdem wurde festgelegt, dass nichtjüdische Kinder keinesfalls hinter solche „nichtarischer Abstammung“ zurückgesetzt werden durften, „selbst wenn dadurch die Zahl der aufgenommenen Nichtarier hinter der Verhältniszahl“ von 1,5 Prozent zurückbleiben würde.

Am 18. April wurden - mit Geltung vom 1. Mai - die Bestimmungen des Überfüllungs-Gesetzes auch auf Privatschulen übertragen. Das bedeutete, dass künftig Eröffnungen neuer jüdischer Schulen - mit Ausnahme jüdischer Volksschulen - nicht mehr genehmigt wurden. Die einzige Ausnahme stellten Berufsschulen dar, die dem Zweck einer Vorbereitung für die Auswanderung dienten. Bestehende jüdische Privatschulen konnten zunächst jedoch bestehen bleiben, wenn die maximale Verhältniszahl jüdischer Schüler von 1,5 Prozent an der gesamten örtlichen Schülerzahl dadurch nicht überschritten wurde.

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