Menü
Chronik und Quellen
1937
Oktober 1937

Bericht des SD-Hauptamtes II 112

Am 2. November 1937 gibt das SD-Hauptamt II 112 in Berlin folgenden „Lagebericht“ für den Zeitraum vom 15. bis 31. Oktober 1937 ab:

Mit zwei Ereignissen beschäftigte sich während der Berichtszeit die gesamte in- und ausländische jüdische Presse. Einmal war es der am 1. November in Bern abgeschlossene Berner Prozeß, der von dem internationalen Judentum nach dem Muster des ''Kairoer Judenprozesses'' und des ''Antireichstag-Brandstifterprozesses'' aufgezogen war. Dieser sollte eine Diffamierung des nationalsozialistischen Deutschlands von der Weltöffentlichkeit bezwecken und war auch deshalb von dem Judentum zu einem groß angelegten politischen Prozeß aufgezogen worden. Der Schlag ist dem Judentum mißglückt. Das Gericht entschied, daß die seinerzeit im Hammerverlag, Leipzig, erschienene Broschüre ''Die zionistischen Protokolle'' nicht als ''Schundliteratur'' im Sinne des Bernischen Gesetzes betrachtet werden könne.

Das andere Ereignis, das das Interesse des gesamten in- und ausländischen Judentums in Anspruch nahm, war die Erklärung der englischen Mandatsregierung in Palästina bezüglich der Einwanderungsbeschränkungen. Diese neue Einwanderungsverordnung, die am 4. November in Kraft tritt, erteilt dem High Commissioner Vollmacht, die jeweilige Höchstzahl der zur Einwanderung und zum Aufenthalt zugelassenen Ausländer für jeden Zeitraum festzusetzen. Weiterhin bestimmt er die Höchstzahl für jede Einwanderungskategorie und den Prozentsatz der Juden an der Gesamtheit der Einwanderer und jeder Kategorie. Im Judentum hat diese Veröffentlichung Bestürzung hervorgerufen, weil man in ihr eine Konzession an die Araber bezüglich der Palästinafrage sieht.

Der 20. Jahrestag der Balfour-Declaration , in der die englische Regierung seinerzeit weitgehendste Unterstützung zur Schaffung eines selbständigen Judenstaates in Palästina zusagte, fällt auf den 2. November des Jahres und wurde von der Presse der ''Zionistischen Vereinigung für Deutschland '' zu einer lebhaften Propagandaaktion für den Zionismus ausgewertet.

Anläßlich des Todes des Präsidenten des ''American Jewish Joint Consultative Council'', New York, Felix M. Warburg, wurde bekannt, daß dieser Jude im Laufe der letzten 15 Jahre 13 Millionen Dollar als Unterstützungsbeiträge an über 200 Institutionen und Gesellschaften des jüdisch-politischen Lebens aller Länder zugeführt hat, wobei zu berücksichtigen ist, daß es sich bei dem genannten Betrage lediglich um Privatgelder Warburgs gehandelt hat. Als Präsident dieser beratenden Körperschaft unterstanden sämtliche jüdisch-politischen Organisationen aller Länder seiner ausschließlichen Kontrolle.

Mit der steigenden Interessenlosigkeit der breiten Bevölkerung an der Judenfrage , die ihre Ursache z.T. zweifellos in dem Nachlassen der intensiven Propaganda der Parteistellen hat, treten die Juden in Deutschland immer mehr aus ihrer Zurückhaltung heraus. Da außerdem ausreichende gesetzliche Unterlagen bezüglich der Einschränkung oder Ausmerzung des jüdischen Einflusses auf das materielle Leben fehlen, zeigt sich ein immer größeres Anwachsen der Umsätze der Judengeschäfte.

Diese Tatsache hat anscheinend auch den Anlaß zu den Ausschreitungen gebildet, zu denen es während der Berichtszeit in Danzig kam. So günstig sich derartige Aktionen auf der einen Seite auswirken, so schädlich ist die Tatsache für das Ansehen der Partei im Ausland, das unsaubere, in krimineller Hinsicht vielfach vorbelastete Elemente sich bei solchen Gelegenheiten durch Plündern usw. zu bereichern versuchen. So mußte in Danzig allein gegen 8 Angehörige aus Gliederungen der NSDAP , darunter ein alter Kämpfer, wegen Diebstahls vorgegangen werden.

Allerdings haben diese Ausschreitungen in Danzig auch ein starkes Anwachsen der Auswanderungsbestrebungen unter den Juden bewirkt. So glaubt der Leiter der ''Neuzionistischen Organisation'' auf Grund dieser Vorfälle jährlich mindestens 800 Juden zur Ausreise nach Palästina bewegen zu können.

Als Folge des Ablaufens der Genfer Konvention am 15. Juni 1937 macht sich jetzt in Oberschlesien eine Verstärkung der Abwanderung bemerkbar. Besonders betroffen werden hiervon die Industriestädte Beuthen, Gleiwitz und Hindenburg, sowie der Landkreis Oppeln. Bemerkenswert ist dabei, daß Zionisten und assimilatorisch eingestellte Juden beide etwa die gleiche Anzahl von Auswanderern stellen.

Als Beweis für Zentralisationsbestrebungen im jüdisch-politischen Leben in Deutschland können die Absichten jüdisch-orthodoxer Kreise in Breslau gelten, das Breslauer Rabbinerseminar mit der Berliner Lehranstalt für die Wissenschaft des Judentums zu vereinigen. Dieser Plan, dessen Ursache finanzieller Natur ist, nimmt auf der einen Seite dem Judentum in Breslau seine geistige Stütze, bringt aber den jüdisch-theologischen Nachwuchs, der zum großen Teil aus Oberschlesien und den Oststaaten kommt, nach Berlin.

Die jüdischen Händler und Geschäftsinhaber hingegen zeigen das Bestreben, ihr Betätigungsfeld aus den Mittelstädten heraus in die Dörfer zu verlegen. Die Ursache für das Abziehen der Juden auf das flache Land ist der bereits gemeldete Umstand des Nachlasses der Propagandatätigkeit seitens der Parteistellen, so daß der Jude immer wieder zahlreiche Käufer findet. Erleichtert wird dieser Abzug in den Hausierhandel durch die nichteinheitliche Handhabung bei der Erteilung von Wandergewerbescheinen durch staatliche Dienststellen. Während die örtlichen Staatspolizeistellenauf Grund der ministeriellen Anordnung, Wandergewerbescheine nur solchen Personen auszustellen, die in staatspolizeilicher Hinsicht zuverlässig erscheinen, somit Juden in den meisten Fällen von der Erteilung einer solchen Lizenz ausschließen, wird durch die verschiedenen anderen hierfür zuständigen Dienststellen einem Berufungsantrag der Juden in der Regel stattgeben.

Baum wird geladen...