Die Gestapo berichtet aus München
Die Gestapoleitstelle München erstattet am 1. September 1937 folgenden Bericht für August 1937:
Judentum
Im Berichtsmonat ist das Judentum nicht besonders hervorgetreten. Dagegen wurde von jüdischer Seite den Ereignissen auf den XX. Zionistenkongreß in Zürich größtes Interesse entgegengebracht. Das Ergebnis des Kongresses hat innerhalb der Judenschaft Meinungsverschiedenheiten ausgelöst, die besonders eine Spannung zwischen der Zionistischen Vereinigung für Deutschland und den Staatszionisten erkennen ließen. Die Züricher Beschlüsse des XX. Zionistenkongresses werden von den Staatszionisten, wie dies der Leiter der Staatszionistischen Organisation, Ortsgruppe München, zum Ausdruck brachte, abgelehnt und als unverantwortlichen Kompromiß bezeichnet. Fernerhin brachte der Leiter der Ortsgruppe München der Staatszionisten zum Ausdruck, daß von Seiten der Staatszionisten demnächst ein Propagandafeldzug gegen die Züricher Kongreßbeschlüsse geplant sei. Z.Zt. wird in Staatszionistischen Kreisen durch Mundpropaganda gegen die Ergebnisse des Zionistenkongresses Front gemacht. Nach den jüdischen Feiertagen ist jedoch von der Staatszionistischen Organisation, Ortsgruppe München, beabsichtigt, mit einer Großveranstaltung mit dem Zwecke der Mitgliederwerbung an die jüdische Öffentlichkeit zu treten und Direktor Kareski , Berlin, als Redner zu gewinnen.
Die ''Vereinigung 1937'', früher Paulusbund , hielt in München eine Versammlung ab, bei der Dr. Lesser über das Thema ''Die augenblickliche Lage der Vereinigung und ihrer Mitglieder'' sprach. Lesser warnte vor Auswanderung und brachte u.a. zum Ausdruck, daß sich die Mitglieder der ''Vereinigung 1937'' (d.i. eine Vereinigung jüdischer Mischlinge ) als Deutsche fühlen und daß von der Regierung dem Schicksal der jüdischen Mischlinge das größte Verständnis entgegengebracht würde und entsprechende Gesetze in Vorbereitung seien. (…)
Wirtschaft (…)
Auch in diesem Berichtsmonat haben wiederum umfangreiche Erhebungen ergeben, daß nach wie vor der größte Prozentsatz der Bauern und Landwirte mit jüdischen Viehhändlern Handelsgeschäfte tätigt. Dies dürfte u.a. darauf zurückzuführen sein, daß zahlreiche Bauern und Landwirte, die vom Rasseproblem meist keine Ahnung haben, der Ansicht sind, daß sie mit Juden in Geschäftsverbindung stehen dürfen, da diesen ja von den Staatsbehörden die Handelserlaubnis erteilt werde. Es dürfte daher eine vornehme Aufgabe der Bezirks- und Ortsbauernführer sein, die Bauern und Landwirte in unermüdlicher Aufklärungsarbeit immer wieder darauf hinzuweisen, daß es zwar aus verschiedenen, insbesondere außenpolitischen, Rücksichten unmöglich ist, den Juden grundsätzlich die Handelserlaubnis zu entziehen, daß es aber Pflicht der Bauern und Landwirte ist, die Juden vom Handel auszuschalten und dadurch ihnen überhaupt den Boden für ihr Gewerbe zu entziehen. Hiervon wurde dem Reichsnährstand - Landesbauernschaft Bayern - Kenntnis gegeben. Darauf hat die Landesbauernschaft Bayern mitgeteilt, daß von ihr Maßnahmen eingeleitet wurden, daß die Bayerische Viehverwertung auch noch in Zukunft die Verwertung von Nutzvieh aufnimmt. Es wurde weiterhin darauf hingewiesen, daß, sobald diese Regelung durchgeführt ist, es den Bauern und Landwirten als Böswilligkeit angerechnet werden muß, wenn sie noch weiterhin mit Juden Viehhandelsgeschäfte tätigen. (…)
Emigranten (…)
Über das Grenzpolizeikommissariat Salzburg sind im Monat Juli 200 Juden zwecks Auswanderung nach Palästina ausgereist.