Bericht des SD-Hauptamtes II 112
Am 3. August 1937 gibt das SD-Hauptamt II 112 in Berlin folgenden „Lagebericht“ für den Zeitraum vom 1. bis 15. Juli 1937 ab:
Gespannt erwartete die jüdische Öffentlichkeit in den ersten Julitagen die Bekanntgabe des Peel-Berichtes.
Mit der Veröffentlichung des Berichtes der Königlichen Kommission am 7.7.1937 und der Annahme des Teilungsvorschlages für Palästina durch die englische Regierung, steht nach fast 2000 Jahren wiederum die Errichtung eines eigenen jüdischen Staatsgebildes bevor.
Der Vorschlag der Kommission, welchen sich die britische Regierung vollinhaltlich zu eigen gemacht hat, sieht eine Dreiteilung des Landes vor.
Die beigefügte Kartenskizze veranschaulicht die vorgesehene Grenzziehung und den Umfang der als neues Mandat an England zu vergebenden Enklave Jerusalem mit einem Korridor zum Meer und der Enklave in der Südecke Palästinas an der Nordwestküste des Golfes von Akaba. Letztere dürfte für Großbritannien von großer strategischer Bedeutung sein.
Gebietsmäßig erhalten die Juden den fruchtbarsten Teil des Landes, wogegen den Arabern das wohl bedeutend umfangreichere, jedoch ziemlich unfruchtbare Gebirgsland zukommt. Als Entschädigung für die Benachteiligung soll der jüdische Staat dem arabischen eine einmalige Entschädigung von 2 Millionen £st. bezahlen.
Rechtskraft erlangt der Bericht und die gemachten Vorschläge erst nach erfolgter Ratifizierung durch den Völkerbundsrat. Aus diesem Grunde bat die englische Regierung, ihren Bericht und den der Peel-Kommission schon am 30.7.37 der Mandatskommission des Völkerbundes vorzulegen, damit die Angelegenheit in der September-Tagung des Völkerbundsrates zur Sprache gebracht werden könne.
Das Echo des Teilungsplanes läßt neben allgemeiner Ablehnung der Isolierung Jerusalems drei verschiedene Tendenzen unter den Juden erkennen. Eine kleine Gruppe geht mit dem Vorschlag bedingungslos einig und betrachtet denselben als die Erfüllung der ewigen Sehnsucht nach einem eigenen Judenstaat, der andere Teil lehnt jede Teilung von vornherein ab, während die dritte, gemäßigte Gruppe zu Verhandlungen auf der gegebenen Grundlage bereit ist.
Auch in Deutschland wurde der Spruch der Königlichen Kommission mit gemischten Gefühlen aufgenommen, wobei vor allem die niedrige, bis März 1938 laufende Zertifikatszahl von insgesamt 8.000 Beunruhigung hervorrief. Nichtzionistische Kreise der Juden in Deutschland dürften durch die Proklamation des Judenstaates und seine äußerst kleine Aufnahmefähigkeit zweifellos für ihre Propagierung der Überseewanderung an Boden gewonnen haben.
Die zweimonatige Schutzfrist für den Ablauf des ostoberschlesischen Minderheitenabkommens ging am 15.7.1937 zu Ende. Dadurch wird eine weitgehend schärfere Überwachung des in diesem Gebiet ansässigen Judentums ermöglicht. Bei scharfer Handhabung der jetzt dort in Kraft tretenden Reichsgesetze, insbesondere der Rassengesetze , wird auch im ehemals geschützten Gebiet eine völlige Herauslösung des Judentums aus dem deutschen Leben in kurzer Zeit möglich sein.
Anfang Juli 1937 erschien die erste Nummer des Organs der Staatszionistischen Organisation ''Das Jüdische Volk''. Hierdurch werden die Staatszionisten in Stand gesetzt ihre Ideen innerhalb eines wesentlich breiteren jüdischen Kreises zu vertreten und die in staatlichem Interesse liegende Durchdringung der breiten jüdischen Masse mit dem zionistischen Gedankengut vorzutreiben [sic].
Bis vor kurzem herrschten noch zwischen der Reichsvertretung der Juden in Deutschland und der jüdischen Gemeinde zu Berlin wesentliche Meinungsverschiedenheiten, die sich durch Einmischung extrem-jüdischer Organisationen zu einer wirklichen Kampfstimmung auswuchsen.
Durch die vom Rat der Reichsvertretung in seiner Sitzung am 7.7.1937 gefaßte grundlegende Resolution erfuhr die Lage eine unerwartet rasche Beruhigung und Klärung.
In dieser Resolution kommt zum Ausdruck, daß die Reichsvertretung ''die Vertretung der Juden in Deutschland gegenüber den deutschen Behörden und den jüdischen Hilfsorganisationen des Auslandes'' ist, daß sie ferner über die Verteilung aller ihr zufließenden Gelder zu bestimmen hat und die Planungsstelle für die jüdische Gesamtheit in Deutschland schlechthin darstellt. Außerdem wurde darin die Reichsvertretung als die Spitzenorganisation für die jüdische Wohlfahrtspflege und -arbeit in Deutschland, der alle reichswichtigen Wohlfahrtsaufgaben obliegen, herausgestellt.
Gleichzeitig wurde die Erweiterung des Rates der Reichsvertretung durch Hinzunahme je eines Vertreters der Staatszionistischen Organisation und der Unabhängigen Orthodoxie beschlossen.
Eine wesentliche Forderung der Staatszionisten wurde durch die Bildung eines fünfköpfigen Haushaltsausschusses aus der Mitte der Ratsmitglieder erfüllt, dessen Hauptaufgabe in der Prüfung des Finanzgebarens der Reichsvertretung liegt. Als Vertreter der Berliner jüdischen Gemeinde tritt ihr 1. stellvertretender Vorsitzender, der Präsident der Staatszionistischen Organisation, Direktor Georg Kareski , in den Ausschuß ein.
Dadurch erhalten die Staatszionisten eine wesentliche Kontrollmöglichkeit und somit beachtlichen Einfluß auf die Reichsvertretung überhaupt.
Die Lage des Judentums im Wirtschaftsleben hat sich gegenüber dem Vormonat nicht wesentlich verändert.
Auffallend sind allein die in letzter Zeit sich mehrenden Bestrebungen der Landratsämter, den Juden auf Grund ihrer politischen Unzuverlässigkeit die Neuausstellung von Wandergewerbescheinen zu versagen und ihnen die erteilten Viehhandelserlaubnis-Scheine zu entziehen.
Anfang Juli 1937 tagte in Amsterdam die Weltkonferenz für religiös-liberales Judentum (World Union for Progressive Judaism).
Auch aus Deutschland waren jüdische Vertreter anwesend. So sprach u.a. Prof. Dr. Ismar Elbogen - Berlin über das Problem der jüdischen Proselyten. Er betonte, eine gründliche Kenntnis des Judentums sei notwendig um einen Damm gegen die Abfallbewegung zu errichten.
Allgemein beschäftigte sich die Konferenz mit organisatorischen Fragen des Weltverbandes und mit Religionsfragen.