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Chronik und Quellen
1937
Juni 1937

Bericht des SD-Hauptamtes II 112

Am 17. Juni 1937 gibt das SD-Hauptamt II 112 in Berlin folgenden „Lagebericht“ für den Zeitraum 1.-16. Juni ab:

Mit dem Ablauf des zweimonatigen Versammlungsverbotes am 10.6.1937 stieg die Versammlungstätigkeit der jüdisch-politischen Gruppen im gesamten Reichsgebiet; so wurden allein in Berlin in der Zeit vom 12.6. bis 14.6.37 102 jüdische Veranstaltungen kultureller, politischer und sportlicher Art abgehalten.

In allen Teilen des Reiches traten die Zionisten in den Vordergrund des jüdischen Lebens, mit dem Ziel die Schekel -Aktion für den am 3.8.1937 in Zürich stattfindenden XX. Zionistenkongreß zur Durchführung zu bringen.

Sowohl die deutsche als auch die ausländische jüdische Presse beschäftigt sich nach wie vor mit Vermutungen über das Urteil der ''Königlichen Kommission'', einer Angelegenheit, die auch weiterhin unter den in Deutschland lebenden Juden große Beunruhigung hervorruft.

Aus Ostpreußen wird ein fortwährender Rückgang der jüdischen Bevölkerung gemeldet, wogegen in Danzig der Zuzug von Juden anhält. So hat sich die jüdische Gemeinde Königsberg seit dem Vorjahre um 400 Mitglieder verringert.

Der so gewonnene Eindruck kann für Ostpreußen als bezeichnend angesehen werden, da die dortigen Juden stets zunächst aus den den kleineren Provinzgemeinden nach der Provinzialhauptstadt wandern und erst von dort aus dann Ostpreußen ganz verlassen.

Die weitere starke Konzentration des Judentums in Nürnberg-Fürth konnte in der Berichtszeit in verstärktem Maße beobachtet werden.

Unter den ''Nichtarischen Christen'' rief die, bereits im vorhergehenden Bericht erwähnte Umbenennung des ''Paulusbundes '' in ''Vereinigung 1937 - vorläufige Reichsbürger nicht rein deutschblütiger Abstammung'' Bestürzung hervor. Der Grund dafür ist darin zu suchen, daß der frühere Name des Bundes keinerlei Hinweis auf die nichtarische Abstammung seiner Mitglieder enthielt, und daher eine willkommene Unterschlupfmöglichkeit darstellte.

Die ''Reichsvertretung der Juden in Deutschland '' hat im Laufe ihres Bestehens gezeigt, daß sie ein Sammelbecken des assimilatorischen Judentums ist und daher zwangsläufig nicht in der Lage sein kann eine konstruktive Auswanderungspolitik der Juden aus Deutschland zu betreiben. Aus diesem Grund erwuchs der ''Reichsvertretung'' innerhalb der extremen Zionisten eine starke Gegnerschaft, deren Wortführer der Leiter der ''Staatszionistischen Organisation '', Bankdirektor Georg Kareski , ist. Kareski setzt sich in Wort und Schrift für eine Auflösung bzw. Umbildung der Reichsvertretung ein. Eine solche Umbildung ist auch in Kürze unter staatlichem Druck zu erwarten.

Anläßlich der Durchführung der Fronleichnamsprozessionen in Oberschlesien machte sich der Zusammenhalt zwischen Judentum und Katholizismus deutlich bemerkbar. In verschiedenen Orten konnte beobachtet werden, daß jüdische Geschäftsleute nicht nur ihre Läden schmückten, sondern auch zur Aufbewahrung der Altaraufbauten ihre Geschäftsräume zur Verfügung stellten.4

In der bayerischen Ostmark werden häufig sudetendeutsche Mädchen von Juden als Hausgehilfinnen beschäftigt. Diese Auslandsdeutschen sind durch die Notlage in ihren Heimatgebieten gezwungen, jede sich bietende Arbeitsmöglichkeit zu ergreifen. Da sich die Nürnberger Gesetze lediglich auf deutsche Staatsangehörige beziehen, nutzen die Juden selbstverständlich diese Lücke weitgehend aus.

Nachdem schon am 27.8.193 durch Erlaß des Reichsarbeitsministers Mitglieder des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten als Bevöllmächtigte und Beistände nichtarischer Antragsteller bei den Versorgungsbehörden zugelassen waren, sofern sie von diesem Verbande mit solchen Vertretungen allgemein beauftragt sind, wurde nun diese Zulassung mit Erlaß des RAM. vom 31.5.1937 in gleicher Weise auf Mitglieder der Staatszionistischen Organisation ausgedehnt.

Nach den Zwischenfällen in Spanien fiel in Berlin besonders auf, daß die Juden in verstärktem Maße ihre Bankgelder abzuheben versuchen.

Aus München kommt die Meldung, daß dort, dank der ungenügenden Bezeichnung arischer Geschäfte, Judenfirmen an den Besuchern der Reichsnährstandschau wesentlich profitierten.

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang noch, daß die jüdische Firma Walter & Kuffner, Schweinfurt, auf der Ausstellung mit eigenem Stand vertreten war.

Allgemein zeigte sich ein großer Drang der Juden zum Besuch der Weltausstellung in Paris. Die zahlreichen Paßanträge wurden in der Regel aus grundsätzlichen Erwägungen heraus versagt.

Nach Meldungen schweizerischer und österreichischer rein jüdischer Blätter, löste der rumänische Innenminister angeblich ohne Angabe von Gründen die Bnei Brith-Loge in Cernauti auf und ließ das Gebäude versiegeln.

Am 18.5.1937 hielt das Administrativ-Comitee des Jüdischen Weltkongresses eine Sitzung ab, in welcher beschlossen wurde, mit den vorbereitenden Arbeiten zur Errichtung eines Zentralbüros gegen den Antisemitismus zu beginnen.

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