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Chronik und Quellen
1937
Juni 1937

Bericht des SD-Hauptamtes II 112

Am 16. Juni 1937 gibt das SD-Hauptamt II 112 in Berlin folgenden Bericht zum Thema „Juden in Danzig“ ab:

Anläßlich meiner Urlaubsreise nach Ostpreußen, habe ich Gelegenheit genommen, auf der Rückreise den Unterabschnitt Danzig zu besuchen, um den Sachbearbeiter II 112, *SS -Oberscharführer Richter, persönlich kennenzulernen und mit ihm die Aufgaben der Abteilung II 112 durchzusprechen. Diese Rücksprache, die am Freitag den 11.5.37 in Danzig-Langfuhr stattfand, hatte folgendes Ergebnis:

 

Die Lage der Juden in Danzig

Die freie Stadt Danzig gilt heute dem internationalen Judentum als Hauptbollwerk gegen den Nationalsozialismus auf deutschem Boden. Bedingt ist diese Lage durch die Eigenart der Danziger Staatsverfassung. Trotzdem Danzig eine nationalsozialistische Regierung besitzt ist es weitgehend vom Völkerbund und den Signatarmächten des Danziger Statuts abhängig. Aus diesem Grunde konnte die *Ariergesetzgebung bisher in Danzig nicht eingeführt werden und wird auch solange der augenblicklich bestehende Zustand andauert nicht eingeführt werden können. Wie stark das Judentum diese Chance ausnutzt, zeigt die Aktion des Executiv Comitees [sic] des *Jüdischen Weltkongresses , die es Anfang April gegen die nationalsozialistische Regierung in Danzig eingeleitet hat. Das Executiv Comitee behauptete in einer Protestnote beim Völkerbund und den Signatarmächten, daß die nationalsozialistische Regierung in Danzig gewillt sei, die *Nürnberger Gesetze einzuführen und die notwendigen Vorbereitungen dazu getroffen habe. Der Jüdische Weltkongreß erwarte daher vom Völkerbund, daß er alles tun werde, um die Einführung dieser Gesetze zu verhindern.

             Das Judentum stellt demnach in Danzig keinen Fremdkörper im Volke dar, wie es in Deutschland der Fall ist, sondern es gilt lediglich als konfessionelle Gruppe. Die Danziger Regierung ist gezwungen, auch weiterhin Juden in Staatsstellen zu beschäftigen und mit jüdischen Firmen Geschäfte zu tätigen. Demgemäß bleibt auch der Judenboykott der Partei verhältnismäßig wirkungslos. Dazu kommt noch, daß tausende von reichsdeutschen Juden sich nach der Machtübernahme in Danzig niedergelassen haben und immer noch weiteren Zuzug erhalten. Über den Freistaat läuft gleichfalls jährlich eine große Anzahl der nach *Palästina und Übersee auswandernden polnischen Juden.

             Somit ist Danzig ein Brennpunkt des östlichen Judentums geworden. Unter sich sind die Juden, im Gegensatz zu den Verhältnissen im Reich, äußerst einig und geschlossen. Zum Ausdruck kommt diese Geschlossenheit, daß bei den Wahlen der Repräsentanten für die jüdische *Gemeinde in Danzig von allen Gruppen eine Einheitsliste aufgestellt wurde.

 

Die Bearbeitung der Judenfrage durch den Unterabschnitt Danzig

Der Sachbearbeiter für II 112, SS-Oberscharführer Richter, bearbeitet gleichzeitig noch die Sachgebiete II 111, II 113, II 121, II 2 und ferner Beamtenbeurteilungen. Durch diese Überlastung ist eine umfassende Bearbeitung von II 112 in Danzig nicht möglich. Persönlich und sachlich dürfte SS-Oberscharführer Richter durchaus die Gewähr dafür bieten, II 112 erfolgreich zu bearbeiten. Der Unterabschnitt Danzig befindet sich z.Zt., wie mir gesagt wurde, im Aufbau. Es erscheint daher notwendig, daß rechtzeitig ein alleiniger Sachbearbeiter für II 112 in Danzig eingesetzt wird. Es muß auf jeden Fall versucht werden über den Unterabschnitt Danzig V-Leute und Agenten in den östlichen Zentralen des Judentums zu gewinnen. Dies ist eine Aufgabe, die einen einzigen Mann vollkommen ausfüllt. Die Möglichkeiten dazu sind durchaus gegeben. Besprochen wurde mit SS-Oberscharführer Richter die Aufstellung einer Judenkartei in Danzig, wobei vordringlich die karteimäßige Erfassung der in Danzig lebenden reichsdeutschen Juden erscheint.

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