Die NSDAP berichtet aus München
Das Hauptamt Kommunalpolitik der NSDAP-Reichsleitung gibt am 1. Mai 1937 aus München folgende „vertrauliche Berichtsauzüge“ für März 1937 weiter:
Gauamt für Kommunalpolitik Bayer. Ostmark (…)
Auch die schlechten Absatzmöglichkeiten für Vieh gaben vereinzelt zu Beschwerden Anlaß. Die Absicht, den jüdischen Viehhändler auszuschalten, stoße vielfach auf Schwierigkeiten, da nichtjüdische Viehhändler sich nicht sehen ließen und auch sehr oft nicht über die erforderlichen Barmittel verfügten, um die rechtzeitige Bezahlung des Verkäufers zu gewährleisten. Diese Klagen mögen im einzelnen Falle berechtigt sein. Sie bilden jedoch noch keine ausreichende Rechtfertigung für die Tatsache, daß der Anteil der Juden am Viehhandel bis heute noch nicht in nennenswerten Umfange zurückgegangen ist. (…)
Gauamt für Kommunalpolitik Mecklenburg (…)
In der mecklenburgischen Stadt Fürstenberg wurden in einer jüdischen Pension bis vor längerer Zeit arische Hausangestellte beschäftigt, ohne daß eine rechtliche Handhabe gegeben war, dagegen einzuschreiten. Es handelt sich um eine jüdische Pension, die von einer 65jährigen gebrechlichen Jüdin (Inhaberin des Ehrenkreuzes für Witwen und Eltern Gefallener) und deren Tochter geleitet wird. Als Hausangestellte wurden zwei arische Mädchen unter 25 Jahren beschäftigt.
Durch die Tatsache, daß in der Pension häufig männliche jüdische Gäste abstiegen, war doch unbestreitbar die Gefahr einer Blutvermischung gegeben, die den Bürgermeister veranlaßte, diesen Fall dem Meckl. Staatsministerium als auch dem Gauamt für Kommunalpolitik zur Stellungnahme vorzutragen. Sowohl das Ministerium als auch das Gauamt haben sich auf den Standpunkt gestellt, daß in dieser Pension vielleicht die Gefahr einer Blutvermischung noch eher bestand als in einem jüdischen Haushalt und daher dem Bürgermeister die Entfernung der arischen Hausangestellten aus dieser jüdischen Pension als im Sinne des Blutschutzgesetzes liegend empfohlen, wenn auch ein jüdischer Mann nicht Haushaltsvorstand war und auch dieser Hausgemeinschaft nicht angehörte. Der Bürgermeister verfügte daraufhin die Entlassung der arischen Hausangestellten. Auf eine Beschwerde der jüdischen Pensionsinhaberin beim Reichs- und Preußischen Minister des Innern hat dieser den Bürgermeister der Stadt Fürstenberg fernmündlich angewiesen, irgendwelche Schritte zur Entlassung der Hausangestellten nicht zu unternehmen. Weiter ist das Meckl. Staatsministerium aufgefordert, seinen Standpunkt zu ändern mit dem Hinweis, daß männerlose jüdische Haushalte sowie Pensionsbetriebe den einschränkenden Bestimmungen des § 3 des Blutschutzgesetzes und des § 12 der hierzu erlassenen Ausführungsanordnung vom 14.11.35 nicht unterliegen. Die beiden Hausangestellten haben in der Zwischenzeit von sich aus den Pensionsbetrieb verlassen. Es war beabsichtigt, ihnen die Beschäftigungserlaubnis zu entziehen, da beide noch nicht 25 Jahre alt waren.
Es heißt zwar in dem Erlaß des Reichs- und Preußischen Ministers des Innern, vom 10.7.36 - G. Nr. I A 5017.b -, daß mit einer Ausdehnung des Verbotes des § 3 des Blutschutzgesetzes auf jüdische Betriebe (Pensionen, Heime usw.) nicht zu rechnen ist. Es wird aber für erforderlich gehalten, den Sachverhalt dorthin mitzuteilen, damit gegebenenfalls geeignetes Material dort vorliegt. Es bedarf eines besonderen Hinweises, daß das Blutschutzgesetz eine Lücke aufweist, die nur durch eine Änderung des § 1[...] Abs. 1 der Ersten Ausführungsbestimmung geschlossen werden kann, denn die Beschäftigung arischer weiblicher Hausangestellter in von jüdischen Personen männlichen Geschlechts besuchte Heime entspricht doch zweifellos nicht dem Sinn des § 3 des Blutschutzgesetze. Es erscheint notwendig, rechtzeitig geeignete Schritte zu unternehmen.