Der Regierungspräsident berichtet aus Speyer
Der Regierungspräsident der Pfalz erstattet am 6. März 1937 folgenden Bericht für Februar 1937:
Evangelische Kirche (…)
Der protestantische Pfarrer Bähr von Heuchelheim (Bez. Amt Bergzabern) setzte sich in auffälliger Weise für die Betreuung jüdischer Familien durch den örtlichen Diakonissenverein ein. Der Protestantische Landeskirchenrat der Pfalz, der von hier aus verständigt wurde, hat mitgeteilt, daß es sich um alleinstehende, pflegebedürftige Personen handle, die seit Gründung dem Diakonissenverein angehören; im übrigen wurde die Regelung der Sache zugesagt. (…)
Juden
Die jüdische Bevölkerung verhielt sich im Berichtsmonat nach außen hin ruhig.
Der jüdische polnische Staatsangehörige Engel in Ludwigshafen a. Rhein versuchte mit deutschen Rückwanderern in Nordamerika unerwünschte Tauschgeschäfte zu tätigen; zur Verhinderung dieser ein Zurückfluten der Auslandsdeutschen begünstigenden Vermögensverlagerungen hat sich die Geheime Staatspolizei gegen die Erteilung eines Wiedereinreisesichtvermerks ausgesprochen; die Angelegenheit läuft noch.
Kennzeichnend ist ein Bericht der Gendarmeriestation Rülzheim an das Bezirksamt Germersheim:
''Die Juden gehen still ihrer Beschäftigung im Handel nach und beabsichtigen ein eigenes Café zu errichten, weil ihnen in verschiedenen Lokalen, die Abgabe von Getränken, Nahrungs- und Genußmitteln, sowie der Aufenthalt versagt wurde.''
In Weingarten (Bez. Amt Germersheim) mußte ein jüdischer Lebensmittelhändler wegen mangelnder Sauberkeit beanstandet werden. Anzeige nach dem Lebensmittelgesetz ist erfolgt. Der jüdische Weinhändler Eugen Wolf aus Bad Dürkheim, der am 8.2.1937 in Freinsheim (Bez. Amt Neustadt an der Weinstraße) Wein geladen hatte, mußte vorübergehend in Polizeigewahrsam genommen werden, da gegen ihn eine drohende Haltung eingenommen worden war. Die Jüdin Rosa Sternheimer in Alsenz (Bez. Amt Rockenhausen) hat am 24.7.1937 dadurch Selbstmord verübt, daß sie sich in der Scheune ihres Anwesens herabstürzte.
Ein bemerkenswertes Urteil ist vom Amtsgericht Landau i.d.Pf. gefällt worden. Es sprach einen Angeklagten, der einen Soldaten vor einem Mädchen, das früher mit einem Juden ein Verhältnis gehabt hatte, gewarnt und sie als ''Judenhure'' bezeichnet hatte, mit der Begründung frei, daß es sich um einen verständlichen Hinweis auf die Folgen eines Umgangs mit dem betreffenden Mädchen gehandelt hatte, wenn auch der dabei gebrauchte Ausdruck eine Beleidigung sei.
Der Inhaber des jüdischen Konfektionshauses Strauß, das sich vor der Machtübernahme aus allen Kreisen der Bevölkerung Kaiserslauterns und Umgebung eines lebhaften Zuspruchs erfreute und das, wie im Vormonatsbericht bereits erwähnt, in die Hände der arischen Firma Clemens Cäsar - letztere betreibt in Kaiserslautern eine Zigarrenfabrikation und ist anläßlich der Führung der Reichsautobahn im Norden Kaiserslauterns für die Abtretung von Ländereien reichlich entschädigt worden, sodaß eine Kapitalsanlage vermutet wird - übergehen soll, hat sich wegen angeblicher Boykottmaßnahmen der Polizeidirektion Kaiserslautern beschwerdeführend an den Reichs- und Preußischen Wirtschaftsminister gewandt. Die Polizeidirektion Kaiserslautern hat hierzu berichtet, daß undurchsichtige Geschäftsvorgänge bei Strauß polizeiliches Einschreiten erforderlich machten, daß jedoch von Boykottmaßnahmen keine Rede sein könne.