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Chronik und Quellen
1935
September 1935

Der Regierungspräsident berichtet aus Speyer

Der Regierungspräsident der Pfalz erstattet am 9. Oktober 1935 aus Speyer folgenden Bericht für August und September 1935:

Die vom Deutschen Reichstag in Nürnberg am 15.9.1935 beschlossenen neuen Reichsgesetze, das Reichsflaggengesetz, das Reichsbürgergesetz und das Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre haben bei dem größten Teile der Bevölkerung unverkennbare Zustimmung gefunden. Durch diese neuen Bestimmungen wurde mancher Streitstoff in der Flaggen- und Judenfrage nunmehr endgültig beseitigt. Die Polizeidirektion Ludwigshafen a. Rhein berichtet für ihren Amtsbezirk die in diesem Zusammenhange bezeichnende Tatsache, daß seit dem Erlaß dieser Gesetze die undisziplinierten Boykottmaßnahmen einzelner Volksgenossen gegen jüdische Geschäfte völlig aufgehört haben. (…)

 

Juden

Während in den vergangenen Monaten in erhöhtem Maße Boykottkundgebungen und Einzelmaßnahmen gegen Juden und jüdische Geschäfte zu verzeichnen waren, waren solche Einzelaktionen im Berichtsmonat nur noch vereinzelt festzustellen. So wurden in der Nacht zum 7.9.1935 im Innern der Stadt Ludwigshafen a. Rhein fast sämtliche Schaufenster jüdischer Geschäfte mit Judenköpfen und der Aufschrift ''Juda- Jud'' in weißer Kalkfarbe bemalt. Als Täter konnte der erwerbslose Maler und Dekorateur Ernst Korner in Oggersheim (Bez. Amts Ludwigshafen a. Rhein) ermittelt werden. Ebenso wurden in Kaiserslautern in der Nacht vom 3. auf 4. bezw. 14. auf 15. und 21. auf 22.9.1935 verschiedene Geschäfte mit Inschriften wie ''Jud'', ''Wer hier kauft ist ein Verräter'' beschmiert. Auf frischer Tat konnten am 22.9.1935 der SA-Oberscharführer Albert Herz und dem SA-Scharführer Otto Wolf aufgegriffen werden. Herz gegen den Anzeige wegen Unfugs erstattet wurde, erklärte, aus eigenem Antrieb und nicht im Auftrage eines Dritten gehandelt zu haben. Wolf hatte nur Aufpasserdienste geleistet. (…)

In Kirrberg, Bezirksamtes Zweibrücken, versuchte der Jude Albert Kling aus Kaiserslautern die öffentliche Warnung nicht bei Juden zu kaufen, dadurch in ihrer Wirkung gegenstandslos zu machen, daß er erklärte, man mache in kleinen Orten soviel Wesen aus den Juden, während in der Großstadt Berlin sich kein Mensch gehindert fühle bei Juden zu kaufen.

Die Zu- und Abwanderung der Juden hielt sich ungefähr auf dem Stande des Vormonats. Lediglich der Oberbürgermeister der Stadt Neustadt. a.d. Haardt meldet eine weitere Abnahme der jüdischen Bevölkerung um 6 Personen.

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