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Chronik und Quellen
1935
September 1935

Der Oberpräsident berichtet aus Breslau

Der Oberpräsident der Provinz Niederschlesien erstattet am 14. Oktober 1935 aus Breslau folgenden Bericht für August und September 1935:

In den meiner Aufsicht unterstellten Provinzen waren es vor allem die sich immer wiederholenden Ausschreitungen gegen Juden und katholische Geistliche, die meine Aufmerksamkeit stark in Anspruch nahmen. Das war bedenklich besonders für Oberschlesien, weil diese Exzesse infolge der dort geltenden Minderheitenschutzbestimmungen mehrfach zu nicht leicht zu lösenden internationalen Verwicklungen führten, und weil dieses Gebiet mit Rücksicht auf das primitiv-kirchliche Denken der zu 98% strenggläubig-katholischen Bevölkerung eine sehr vorsichtige Behandlung der durch die Existenz der römischen Kirche aufgeworfenen Probleme verlangt. Um diesen staatspolitisch unerwünschten Vorfällen ein Ende zu machen, habe ich - wie ich bereits am 30.8.1935 berichtet habe - als Gauleiter und Oberpräsident eine öffentliche Erklärung erlassen, in der ich mich gegen solche von Torheit oder Randalismus [sic] diktierten Einzelaktionen gewandt habe. Wie mir die Regierungspräsidenten übereinstimmend berichten, hat diese Maßnahme ihre Wirkung nicht verfehlt. Sie ist von allen verantwortungsbewußten und aufbauwilligen Partei- und Volksgenossen mit Genugtuung aufgenommen worden und hat bewirkt, daß die Disziplinlosigkeit aufgehört hat.

Die in Nürnberg beschlossenen Gesetze sind von der Parteigenossenschaft mit freudiger Genugtuung aufgenommen worden, insbesondere deshalb, weil sie überzeugend beweisen, daß von den nationalsozialistischen Grundsätzen nichts aufgegeben wird, daß sie vielmehr in die Tat umgesetzt werden, wenn die Zeit dafür gekommen ist. (…)

 

Wirtschafts- und Agrarpolitik (…)

Die oberschlesische Geschäftswelt hat sich darüber beklagt, daß bei der Aktion zu Gunsten der notleidenden Bergleute auch die jüdischen Geschäfte zur Einlösung der NSV -Gutscheine zugelassen worden sind. Die hiesige Gauamtsleitung hatte ursprünglich die Nichtarier ausgeschlossen. Da diese Anordnung jedoch den Minderheitenschutzbestimmungen nicht entsprach, mußte sie trotz der zu erwartenden großen Erbitterung der arischen Geschäftsleute aufgehoben werden. (…)

 

Juden und Freimaurer

Bei den Ostjuden besteht noch immer wenig Neigung, Deutschland zu verlassen. Sie versuchen auch jetzt noch, unter allen Umständen den Ausweisungen zu entgehen. Da die in Nürnberg verkündeten Rassegesetze in dem Abstimmungsgebiet nicht zur Anwendung kommen, wird eine grundsätzliche Änderung in dieser Einstellung der Juden dort vorläufig nicht zu erwarten sein.

Ob die von dem Regierungspräsidenten in Oppeln erwähnte - mir bereits bekannte - Feststellung, daß sich eine Reihe jüdischer Landarbeiter und Lehrlinge bei oberschlesischen Bauern in Stellung befinden, um angeblich den von der Britischen Mandatsregierung verlangten Nachweis landwirtschaftliche Betätigung für die Einwanderung in Palästina erbringen zu können, auf eine erhöhte Auswanderungslust schließen läßt, muß vorerst dahingestellt bleiben. Jedenfalls sehe ich - ebenso wie der Regierungspräsident in Oppeln - in einer vermehrten Beschäftigung von jüdischen Landarbeitern in Oberschlesien nicht zu unterschätzende Gefahrenmomente. Den von der Landesbauernschaft Schlesien vorgeschlagenen Weg, die Beschäftigung jüdischer Arbeitnehmer nur in landwirtschaftlichen Großbetrieben zuzulassen, kann ich ebenfalls nicht gutheißen, da einerseits die Gefahren dadurch nicht wesentlich vermindert werden und andererseits es niemanden zugemutet werden kann jüdische Arbeiter bei sich zu beschäftigen. Da die Zahl der für die Auswanderung in Betracht kommenden, landwirtschaftlich interessierten Juden nicht allzu groß sein dürfte, habe ich demgegenüber vorgeschlagen, eine Regelung dahin zu treffen, daß die Beschäftigung von Juden, die die Landwirtschaft erlernen wollen, nur in jüdischen Betrieben zugelassen wird. Auf meinen, dem Herrn Reichs- und Preußischen Minister für Ernährung und Landwirtschaft in dieser Angelegenheit erstatteten Sonderbericht vom 27. September 1935 - O.P.I.P. 9.10.Nr.7-35 (G) -, den ich wegen der politischen Bedeutung auch dem Herrn Reichs- und Preußischen Minister des Innern in Abschrift vorgelegt habe, bitte ich im übrigen Bezug nehmen zu dürfen.

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