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Chronik und Quellen
1935
September 1935

Die Gestapo berichtet aus Kiel

Die Gestapo des Regierungsbezirks Schleswig erstattet aus Kiel folgenden undatierten Bericht für September 1935:

Auf innenpolitischem Gebiet haben die Veranstaltungen des Reichsparteitages in der Bevölkerung lebhaften Widerhall gefunden. Die neuen Gesetze, insbesondere das Judengesetz , sind in weiten Volkskreisen mit großer Befriedigung aufgenommen worden. Allgemein wird erwartet, daß das Judengesetz klare und geordnete Verhältnisse schaffen wird und damit weitestgehende Beruhigung auf diesem Gebiet herbeiführen wird. Im Zusammenhang damit wird der Hoffnung Ausdruck gegeben, daß ähnliche Lösungen hinsichtlich des Kirchenstreites und des Stahlhelms bald folgen mögen. (…)

 

Juden und Freimaurer

In Altona fanden während des Berichtsmonats verschiedene Versammlungen der Zionistischen Bewegung statt, auf denen besonders die Umschichtung , Auswanderung und die Verhältnisse in Palästina erörtert wurden. - Anfang des Monats wurde in Kiel von der Misrachi -Gruppe der Zionistischen Bewegung ein Antrag auf Errichtung eines Umschichtungslagers auf einem Gut in der Nähe von Kiel eingereicht, der vorerst jedoch ablehnend beschieden werden mußte. - Die assimilatorische Gruppe ist nicht in Erscheinung getreten, wie denn überhaupt nach der Verkündung des Gesetzes zum Schutze des deutschen Blutes zunächst eine auffallende Zurückhaltung der Juden zu verzeichnen ist. Ebenfalls hat die antijüdische Propaganda nachgelassen. Es scheint jedoch, als ob die nationalsozialistische Erziehungsarbeit hinsichtlich der Judenfrage allmählich, wenn auch leider bisher nur recht geringe Erfolge zu verzeichnen hat und die Bevölkerung sich allmählich von den jüdischen Geschäften fernzuhalten beginnt. So soll das Flensburger jüdische Kleinpreisgeschäft ''Wohlwert'' nicht mehr existenzfähig sein und veräußert werden. Die Inhaber gedenken, im abgetrennten Gebiet neue Geschäfte aufzumachen, nachdem sie schon in einigen Städten Altdänemarks ihre Ramschläden eingerichtet haben. Auch das in jüdischen Händen befindliche ''Zentral-Schuhhaus'' in Flensburg ist nicht mehr lebensfähig. Der Besitzer hat versucht, einen Gewerbeschein zum Handel mit Schuhwaren über Land zu erhalten, der jedoch abgelehnt werden mußte. Es befindet sich jetzt in Flensburg nur noch ein unbedeutendes Manufakturwarengeschäft in jüdischen Händen. Es handelt sich aber bisher immer nur um verhältnismäßig ganz geringfügige Teilerfolge; weitere Aufklärungsarbeit ist dringend erforderlich.

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