Die Gestapoleitstelle München berichtet
Die Gestapoleitstelle München II P erstattet am 1. Dezember 1937 folgenden Bericht für November 1937:
Am 14.11.37 fand in der Israelitischen Kultusgemeinde in München eine Versammlung des Bundes Jüdischer Frontsoldaten statt, bei der Bundesvorsitzender Löwenstein aus Berlin u.a. ausführte, daß er in letzter Zeit mehrere Ortsgruppen besuchte und überall eine gute Zusammenarbeit mit der Bundesleitung festgestellt habe. Von den 100.000 Juden, die im Feld gestanden seien, seien 12.000 gefallen und eine große Anzahl verwundet worden. Die Bundesleitung habe mit allen jüdischen Frontsoldaten der Welt Beziehungen aufgenommen und gute Erfolge, besonders mit den englischen jüdischen Frontsoldaten erzielt. Die englischen Frontsoldaten haben in letzter Zeit gute und vorbildliche Arbeit für die deutschen jüdischen Auswanderer geleistet. In letzter Zeit seien in London 8 jüdische Frontsoldaten untergebracht worden. Besonders gut seien auch die Beziehungen mit den jüdischen Frontkämpfern des englischen Imperiums und den jüdischen Frontkämpfern Südamerikas. Er hoffe, daß diese Beziehungen immer fester werden und daß die deutschen Kameraden, die sich mit der Auswanderung befassen, ihren ausländischen Freunden keine Unannehmlichkeiten bereiten. In letzter Zeit habe sich die Bundesleitung besonders mit der Gruppensiedlung von Frontsoldaten in Südamerika und Palästina befaßt. Auch in der Frage der landwirtschaftlichen Niederlassung im Auslande seien bisher Erfolge erzielt worden, dank der sich nun überall im Auslande befindlichen Beratungsstellen. Jüdische Auswanderer aus Deutschland, welche sich bereits überall in der Welt befinden, ständen jedem Kameraden mit Rat und Tat zur Seite. Er bitte aber, sich im Auslande jeder Politik und Einmischung jeder Art zu enthalten. Bis jetzt sei die Auswanderungsberatung Sache der dafür vorhandenen Beratungsstellen gewesen; nachdem nun die jüdischen Frontkämpfervereinigungen sich ebenfalls der Sache angenommen haben, werden nun auch diese ihre Pflicht tun.
Der Jüdische Verein ''Lessing-Haus e.V.'', der nach § 2 der Vereinssatzung den Zweck der Förderung von Wissenschaft und Bildung sowie des geselligen Verkehrs seiner Mitglieder verfolgt, hat sich mit Beschluß der Mitgliederversammlung vom 11.11.37 freiwillig aufgelöst. Die Auflösung erfolgte, weil der in § 2 angegebene Zweck heute insbesondere durch das Lehrhaus der Jüdischen Kultusgemeinde München verfolgt wird.
Die Bayerische Israelitische Gemeindezeitung hat ihr Erscheinen eingestellt und kommt nunmehr unter dem Titel ''Jüdisches Gemeindeblatt für den Verbund der Kultusgemeinde in Bayern und den Kultusgemeinden München, Augsburg, Bamberg, Würzburg'' heraus.
Hier wurde der Jude [N.N.a], geb. 13.4.89 in Hanau, wohnhaft in München, Adelheidstr. 29/4 wegen Rassenschande festgenommen und dem Ermittlungsrichter überstellt. Höchster wurde bereits vor einiger Zeit wegen eines Verbrechens der Rassenschande zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. (…)
Wirtschaft
In München besteht seit dem Jahre 1926 eine Schuhfirma unter der Bezeichnung ''Deutsch-Amerikanische Schuhgesellschaft m.b.H.''. Sie unterhält neben einer Zentrale 6 Verkaufsfilialen in den besten Geschäftslagen Münchens. Alleiniger Gesellschafter sind die Juden Hermann und Ida Knoblauch in München. Geschäftsführer ist Hermann Knoblauch. Beide besitzen die polnische Staatsangehörigkeit. Die Gesellschaft ist sonach weder deutsch, noch ist amerikanisches Kapital vertreten. Die Firmenbezeichnung, die auf die Bevölkerung eine große Zugkraft ausübt, war daher von jeher eine grobe Irreführung. Ende 1935 haben die jüdischen Gesellschafter auf Veranlassung der Industrie- und Handelskammer in München ihre Firmenbezeichnung ''Deutsch-Amerikanisch'' abgelegt und sich mit Zustimmung der Kammer den Handelsnamen ''D.A.S.'' Schuhgesellschaft m.b.H. beigelegt. Diese neue Bezeichnung ist seinerzeit als Fantasiebezeichnung in das Handelsregister eingetragen worden. Um die Fantasiebezeichnung deutlich in Erscheinung treten zu lassen, hat die Industrie- und Handelskammer angeordnet, daß die Buchstabenfolge in Anführungszeichen zu setzen ist (''D.A.S.''). Ganz abgesehen davon, daß die jüdische Gesellschaft diese Anordnung mehr oder weniger umgangen hat, stellt die Bezeichnung D.A.S. für die breiten Volksschichten nur eine Abkürzung für die gut eingeführte ''Deutsch- Amerikanische Schuhgesellschaft'' dar. Die Folge ist, daß das Publikum nach wie vor seine Einkäufe in diesen jüdischen Geschäften tätigt in der Annahme, es handelt sich um ein deutsch-amerikanisches Unternehmen. Diese Ansicht ist so weit verbreitet, daß selbst Parteigenossen und Angehörige der Parteigliederungen dort ihren Bedarf decken. Dieser Zustand ist unhaltbar. Im Interesse von Partei und Staat müßten Mittel und Wege gefunden werden, jüdische Geschäfte als solche auch nach außen unzweideutig kenntlich zu machen. Wie die Industrie- und Handelskammer mitteilt, verfügt das Registergericht über keine Handhabe, die Firma, solange sie die Rechtsform einer GmbH besitzt, zur Wahl einer Personenfirma zu zwingen. Es ist dabei die Erwartung ausgesprochen worden, daß die in Aussicht genommene Neuregelung des Rechts der Gesellschaft mbH Möglichkeiten schaffe, einem Bedürfnis nach Klarstellung, wie es im vorliegenden Falle zweifellos besteht, Rechnung zu tragen. (…)
Im Berichtsmonat kamen ungefähr 800 Anträge zur politischen Beurteilung zwecks Ausstellung von Gewerbeberechtigungsscheinen (WGSch. Leg. Karten, Leg. Scheine) in Vorlage. Die Mehrzahl der Anträge bezog sich auf Ausstellung von Gewerbelegitimationskarten.
Bei nachstehend aufgeführten Personen wurden gegen die Erteilung einer Gew. Leg. Karte Bedenken erhoben:
1. Hirsch Nikolaus, 6.12.04 München. Gegen Hirsch, der Jude ist, war im Jahre 1937 ein Verfahren wegen Vergehens gegen das Heimtückegesetz anhängig. Er hat sich im April oder Mai 1937 in einer Gastwirtschaft in Garching öffentlich in abfälliger Weise über die Mehlversorgung geäußert und dabei bemerkt, daß er nach Österreich schreiben werde, damit sie sehen, was für ein Saustall herrscht. Wenn auch eine Bestrafung des Juden nicht erfolgt ist, so steht doch fest, daß er die Maßnahmen der Reichsregierung unsachlich kritisiert hat. (…)
5. Rothschild Adolf, 16.4.1881 Affaltrach. Der Jude Rothschild wurde im Jahre 1936 wegen Devisenvergehens im Untersuchungsverfahren zu einer Geldstrafe von 400 RM verurteilt. Außerdem steht er neuerdings im Verdacht der Devisenschiebung. (…)
Emigranten (…)
Über das Grenzpolizeikommissariat Salzburg sind im Monat Oktober ungefähr 200 Juden zwecks Auswanderung nach Palästina ausgereist.