Die Gestapo berichtet aus Saarbrücken
Die Gestapo des Saarlands erstattet aus Saarbrücke am 15. Oktober 1935 folgenden Bericht für September 1935:
Die Judenfrage wird hier im Saarland in ihrer volkspolitischen Bedeutung von der Allgemeinheit noch nicht erkannt. Selbst bei vielen Parteimitgliedern trifft man auf eine erschreckende Unkenntnis über Rassenfragen.
Es wäre angebracht, daß die Gliederungen der Partei ihre Mitglieder und die Öffentlichkeit mehr über die Notwendigkeit eines völkischen Staates aufklärten. Soweit dies geschieht, werden zu viele Schlagworte gebraucht, ohne daß man den Volksgenossen die Grundlagen an Hand von Beispielen erklärt und sie an Hand der Geschichte systematisch belehrt. Diese Arbeit müßte baldigst einsetzen, um von seiten aller Volksteile Verständnis und Mitarbeit zu finden, wenn nach dem 1.3.1936 die Möglichkeit gegeben ist, die Rassegesetze anzuwenden.
Jüdische Ausschreitungen sind nicht bekannt geworden, desgleichen waren die wenigen Ausschreitungen gegen Juden ohne Bedeutung.
Besonderes
Im Verlaufe des Monats wurden Untersuchungen gegen Personen der Bergwerksdirektion und des Vorstandes der Saargrubenverwaltung wegen verschiedener in der Öffentlichkeit verbreiteten Gerüchte eingeleitet. So haben die Ermittlungen ergeben, daß aus dem Hause Schloßplatz 3 wertvolle kunsthistorische Gegenstände, die unter Denkmalschutz standen, durch den Saargrubenvorstand entfernt wurden. Es handelte sich um Wandverzierungen des früheren Prinzenpalais, welche der Generaldirektor der Grubenverwaltung Dr. Waechter, zu einem Wandschrank, in der ihm von der Grubenverwaltung zur Verfügung gestellten Villa, verarbeiten ließ. Nach Einschreiten des Kulturwartes wurden die eingebauten Sachen aus der Villa entfernt und das vorhandene kunsthistorische Material wurde dem Heimatmuseum zur Aufbewahrung in Saarbrücken übergeben.
Im Verlaufe dieser Ermittlung wurde festgestellt, daß Ausstattungsgegenstände für die Saargrubenverwaltung bei dem jüdischen Kaufhaus E. Weil Söhne, Saarbrücken, gekauft wurden. Ebenso hat eine Reihe anderer Gruben- und Behördenbeamten und Angestellten bei dieser Firma größere Einkäufe getätigt. Trotzdem der breiten Öffentlichkeit bekannt war, daß es sich bei dieser Firma um eine solche handelt, die vor der Rückgliederung des Saarlandes die staatsfeindlichen Parteien und Zeitungen durch Geldmittel unterstützte, haben die Beamten der Saargrubenverwaltung und andere Beamte dort größere Einkäufe getätigt. Die Erhebungen sind noch nicht zum Abschluß gekommen.
Dieser Vorfall beweist wieder, daß ein großer Teil der Beamten- und Angestelltenschaft bei den Behörden von dem nationalsozialistischen Ideen- und Gedankengut noch nicht ergriffen, geschweige denn überzeugt ist, denn sonst würden sie ihre Einkäufe nicht bei einer jüdischen Firma, die frankophile und Status-quo-Parteien geldlich unterstützt hat, tätigen. Eine Nachprüfung dieser Personen, ob sie der Partei oder einer der NS-Formationen angehören, wird soweit möglich, vorgenommen werden.