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Chronik und Quellen
1935
September 1935

Die Bayerische Politische Polizei berichtet aus München

Die Bayerische Politische Polizei erstattet am 1. Oktober 1935 aus München folgenden Bericht für September 1935:

Die im Gegensatz zur antijüdischen Politik der Reichsregierung stehende Judenfreundlichkeit einzelner evangelischer Gemeindeblätter führte zu einer Verbotsanregung der evangelischen Wochenschrift ''Sonntagsruf'' Kulmbach. (…)

 

Evangelische Bewegung (…)

Daß manche Bekenntnispfarrer in Anlehnung an die Bibel die frühere und zukünftige ''Sendung'' des jüdischen Volkes besonders hervorzuheben oder behandeln zu müssen glauben, muß als eine Herausforderung der nationalsozialistischen Bevölkerung angesehen werden. So hat der bereits mehrfach wegen seiner staatsabträglichen Äußerungen beanstandete evangelische Vikar Karl Steinbauer aus Penzberg vor kurzem in einer Predigt u. a. folgendes geäußert:

''Wer nun meint, ich will nichts wissen von dem Juden Abraham, ich will nichts wissen von dem Judenbuch, der Bibel, der muß wissen, daß er heraustritt aus der Kette der Verheißung und den Weg Gottes verachtet und Christus ihm zum Gericht werden muß, der doch Heiland auch ihm sein wollte. 'Das Heil kommt von den Juden', so wie wir's hier meinen. Und die, die davon nichts wissen wollen aus ihrem Antisemitismus heraus, aus ihrer völkischen Einstellung, die sollen sich ganz nüchtern klarmachen, daß auch die Juden aus völkischen Gründen nichts davon wissen wollten und die Propheten gesteinigt haben. Diese völkischen Antisemiten stehen Schulter an Schulter mit diesen völkischen Juden.''

Gegen Steinbauer mußte im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ruhe und Ordnung ein Redeverbot verhängt werden.

Eine Nummer des in Kulmbach erscheinenden ''Friedensboten'' der Wochenschrift der ''Gemeinschaft innerhalb der evangelischen Landeskirche'' mußte wegen judenfreundlicher Ausführungen beschlagnahmt werden. (…)

 

Juden

Infolge des Erlasses des Führers, nach welchem Einzelaktionen gegen Juden zu unterbleiben haben, ist eine merkliche Abnahme der Ausschreitungen gegen Juden zu verzeichnen. Im bayerischen Oberland, insbesondere im Bezirk Garmisch-Partenkirchen, wurde zufolge einer Verfügung des Politischen Polizeikommandeurs der Länder mit Rücksicht auf die bevorstehende Winterolympiade im Benehmen mit den zuständigen Parteidienststellen die judengegnerische Agitation abgestoppt. Die Entfernung der Schilder mit judenfeindlichen Aufschriften wurde veranlaßt, um den ausländischen Bestrebungen nach Verlegung der Olympiade in ein anderes Land den Boden zu entziehen, da immer wieder festgestellt wurde, daß derartige Tafeln von den Insassen ausländischer Kraftfahrzeuge photografiert und in ausländischen Zeitungen veröffentlicht wurden.

Im Laufe des Berichtsmonats wurden nachfolgende Einzelvorfälle bekannt.

In Passau fand am 31.8.35 eine große Kundgebung mit dem Thema: ''Gegen Judentum und politischen Katholizismus'' statt. Anschließend daran wurden in der Nacht zum 1. September sämtliche Schaufenster der Passauer Judengeschäfte mit roten Zettelchen beklebt, die die Aufschrift trugen: ''Kauft nicht im Warenhaus '' und ''Kauft nicht beim Juden''. Gegen die Täter wurde Strafanzeige erstattet.

In Untergrainau, BA Garmisch, wurde am 13. September nachts 2.30 Uhr ein Schuß gegen das Landhaus der Jüdin Rosenthal abgefeuert; ob der Beweggrund ein politischer war, steht nicht fest. Strafanzeige gegen den unbekannten Täter wurde erstattet.

Aus Wittelshofen, BA Dinkelsbühl, wurde am 16. September darüber Klage geführt, daß die dortige Bevölkerung sich weigere an Juden Milch und Butter abzugeben.

Der Bürgermeister der Stadt Krumbach klagt darüber, daß dort seit ''1. Januar 1935 ein Zuzug von 8 Juden zu verzeichnen ist, entsprechende Handhabung der gesetzlichen Bestimmungen wurde anheimgestellt.

In Schweinfurt wurde in der Nacht vom 19. September die Verdunkelung der Stadt anläßlich einer Luftschutzübung dazu ausgenützt, die Schaufenster eines jüdischen Konfektionsgeschäftes mit Teer zu verschmieren. Sachschaden entstand nicht. Die Täter blieben unbekannt. Ähnliche Ausschreitungen wurden in der Nacht vom 19./20. September in Wiesenbronn, BA Kitzingen begangen; dort wurden sämtlichen Juden die Fenster eingeschlagen oder mit Teer verschmiert. Auch hier konnten die Täter nicht ermittelt werden, doch wurde Strafanzeige erstattet.

In Augsburg-Lochhausen wurden in der Nacht zum 19. September an die Rolläden einiger jüdischer Geschäfte mit Mennigfarbe die Worte ''Jude'' und ''Saujude'' geschmiert. Der Täter wurde ermittelt, vorläufig festgenommen und verwarnt. Die Sache wird von der zuständigen Parteidienststelle weiterbehandelt. Sachschaden ist nicht entstanden.

Wie im Vormonat liefen allerorts bei den Polizeibehörden Mitteilungen der Bevölkerung über jüdische Rassenschänder ein. Eine Anzahl Juden und die beteiligten arischen Frauenspersonen wurden im Verfolg dieser Mitteilungen in Schutzhaft genommen. Das Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre hat bei der Bevölkerung allenthalben große Befriedigung hervorgerufen.

Die jüdische Gesellschaft ''Ressource'', deren Haus in Bamberg seit längerer Zeit beschlagnahmt war und nunmehr der Bayerischen Ostmark-Selbsthilfe GmbH übereignet wird, hat am 10. September ihre Auflösung beschlossen.

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