Die Gestapo berichtet aus Dortmund
Die Gestapo des Regierungsbezirks Arnsberg erstattet aus Dortmund folgenden Bericht für September 1935:
Die schlechte Geschäftslage der jüdischen Unternehmen hat sich im Laufe des Berichtsmonats nicht gebessert. Die in den vergangenen Monaten gegen jüdische Geschäfte durchgeführten Boykottmaßnahmen waren von so nachhaltiger Wirkung, daß viele deutsche Volksgenossen jüdische Geschäfte meiden, da sie der Annahme sind, unauffällig beobachtet zu werden, und daher nachteilige Folgen befürchten. Die Bemühungen der jüdischen Geschäftsinhaber, durch Lockartikel und herabgesetzte Preise die Kundschaft wieder an sich zu ziehen, hatten fast gar keinen Erfolg. Die Folge davon ist, daß im hiesigen Bezirk mehrere Juden ihre Geschäfte aufgegeben oder vermietet haben. U. a. soll die Firma Gebrüder Alsberg in Lüdenscheid durch den Boykott im August dieses Jahres derart gelitten haben, daß sie vor dem Konkurs steht und den Versuch unternommen hat, ihrem Personal (120 Personen) zu kündigen. Durch das Eingreifen der Deutschen Arbeitsfront in Lüdenscheid ist jedoch die Durchführung der Kündigung bisher verhindert worden. Es sollen Verhandlungen mit einem arischen Interessenten wegen der Übernahme des Geschäftes schweben, wodurch die Fortführung des Betriebes sichergestellt und die Existenz der Angestellten geschützt werden könnte.
Die in Nürnberg auf dem Reichsparteitag beschlossenen Gesetze ''Gesetz zum Schutz des deutschen Volkes und der deutschen Ehre'' sowie das ''Reichsbürgergesetz'' haben unter den Juden eine gedrückte Stimmung hervorgerufen, da sie sich durch diese Maßnahmen tatsächlich aus der Volksgemeinschaft ausgeschlossen sehen, andererseits hoffen sie, daß sie sich in den ihnen nunmehr gesteckten Grenzen frei entfalten können und in Zukunft von Einzelaktionen verschont bleiben. Die Zionisten erhoffen als Auswirkung der Judengesetze eine größere Abwanderung nach Palästina. Die zionistische Bewegung vertritt den Standpunkt, daß die Tat des deutschen Reichskanzlers von weittragender staatspolitischer Bedeutung sei, indem sie die Juden innerhalb der Reichsgrenze als eine völkische Minderheit für immer und ewig bezeichne.
Der Erlaß der Gesetze, die eine Forderung des nationalsozialistischen Programms erfüllen und dem gesunden Empfinden des deutschen Volkes Rechnung tragen, hat bei fast allen Volksgenossen vollste Anerkennung gefunden. Jedoch findet die gesetzliche Regelung, die das Zeigen jüdischer Farben ausdrücklich unter staatlichen Schutz stellt, innerhalb der Bevölkerung wenig Verständnis. Man erblickt in dieser Regelung eine zu weitgehende Konzession gegenüber dem Judentum. Das Zeigen jüdischer Farben wirkt zweifellos herausfordernd und wird in der Praxis auch in manchen Fällen zu unabwendbaren Ausschreitungen führen.
Als Folge des Erlasses betr. Verbot der gegen die Juden gerichteten Einzelaktionen hat die Boykottbewegung der NS-Hago gegen nichtarische Geschäfte und Warenhäuser in letzter Zeit aufgehört. Im gleichen Zuge haben sich auch die Einzelaktionen vereinzelter Parteigänger vermindert.
Wegen Rasseschändung mußten im Berichtsmonat 4 Juden festgenommen werden, weil sie bis in die jüngste Zeit Geschlechtsverkehr mit arischen Frauen unterhalten hatten. Einen besonders krassen Fall der Rasseschändung hat einer der Festgenommenen begangen, indem er seit Jahren mit Kindern in nicht wiederzugebender Weise unsittliche Handlungen pflegte. Der Festgenommene wurde dem Richter vorgeführt, der Haftbefehl erließ. Die übrigen Festgenommenen wurden nach einer siebentägigen Schutzhaft wieder entlassen. Bezeichnend ist ein weiterer Fall, in dem ein jüdischer Viehhändler aus Netphen, Kreis Siegen, ein arisches Mädchen geschlechtlich gebrauchte und dabei seine Rassezugehörigkeit verschwieg. Von dem Mädchen ist gegen den Juden Strafantrag wegen tätlicher Beleidigung gestellt worden. Außerdem gelangten noch weitere Fälle wegen Rasseschändung zur Bearbeitung. Zu einer Festnahme konnte jedoch nicht geschritten werden, da den Beschuldigten ein Geschlechtsverkehr in jüngster Zeit nicht nachzuweisen war. Vergehen gegen das neue Gesetz wegen Rasseschändung sind bisher noch nicht zur Kenntnis gelangt.
Die zionistische Vereinigung hat im Berichtsmonat eine rege Werbetätigkeit entfaltet. Sie hielt eine Reihe von kleineren Veranstaltungen ab, die alle sehr gut besucht waren. Im allgemeinen ist auch in der jüngsten Zeit ein Anwachsen der zionistischen Vereinigung im hiesigen Bezirk festzustellen.
Durch die Unterdrückung der Assimilanten ist bei diesen eine deprimierte Stimmung zu bemerken. Ihre Vereinstätigkeit wird durch Verbote gänzlich lahmgelegt. Die Sportgruppe des Reichsbundes jüdischer Frontsoldaten entfaltet dagegen nach wie vor eine rege Vereinstätigkeit.
Die Ostjuden , die zum größten Teil polnische Staatsangehörige sind, werden in ihrem Auftreten in der Öffentlichkeit immer dreister, da sie sich als Ausländer fühlen. Hauptsächlich macht sich dieses bei den reisenden Ostjuden bemerkbar, die ihre Waren in erster Linie auf dem Lande vertreiben. Mit unlauteren Machenschaften und Verbreitung von falschen Gerüchten, die jedoch selten zur Anzeige gelangen, haben die Ostjuden auf dem Lande einen sehr großen Umsatz zu verzeichnen. Durch diese Geschäftsmethode der Juden wird die Verkaufstätigkeit der deutschen Reisenden stark beeinträchtigt.